Kategorie: Reise
Alte Liebe, neu entdeckt
Ein ägyptisches Safariboot, mit deutscher Gründlichkeit im Sudan betrieben – kann das gut gehen? Es kann, wie eine Woche an Bord der Seawolf Dominator beweist! Zwischen Haien, Wracks und nahezu unberührten Korallengärten entdecken Taucher dort das Rote Meer, wie es vor 30 Jahren noch überall war.
Bericht von Sarah Wünsche
Eine Tauchsafari durch sudanesische Gewässer: Das klingt noch immer nach Abenteuer, nach dem Entdecken neuer Welten, nach exotisch anmutenden Begegnungen – obwohl der Sudan sachlich betrachtet zu den ältesten Tauchrevieren der Welt gehört. Hans Hass war schon hier, Jacques-Yves Cousteau sowieso, und ihre damaligen Reiseberichte klingen wie ein Loblied auf ein Tauchgebiet, in dem es vor Großfisch nur so wimmelt, wo spektakuläre Wracks auf ihre Entdeckung warten und die Riffe farbenprächtiger nicht sein konnten.
Das Besondere am Sudan ist: Anders als in den meisten anderen Tauchgebieten gilt all dies immer noch. Hammerhaischulen, Graue Riffhaie, Seidenhaie und Weißspitzen-Hochseehaie – hier sind sie noch Alltag, nicht Ausnahme. Dass die „gute alte Zeit“ dort bis heute andauern konnte, ist auch den Umständen zuzuschreiben, mit denen das Land lange zu kämpfen hatte. Mal waren es politische Unruhen, mal abstrus lange Anreisen, mal gab es kaum Tauchunternehmen, die den Sudan überhaupt im Angebot hatten. „Wir haben schon lange mit Tauchsafaris dort geliebäugelt“, verrät Cici Nedwed, die Inhaberin von Seawolf Safari, „aber erst letztes Jahr waren wir soweit, unsere Pläne endlich umsetzen zu können.“ Behördengänge, Genehmigungen, Absprachen: Dem Abenteuer unter Wasser ging ein wahrer Papierkrieg voraus, bis die Seawolf Dominator – eines der besten Safarischiffe Ägyptens – endlich von Port Sudan aus in See stechen konnte.
Auf 36 Metern Länge bietet die Seawolf Dominator Platz für maximal 22 Gäste, die in elf komfortablen Kabinen und Suiten untergebracht sind: Alle verfügen über eine Klimaanlage und eigene Bäder. Ein geräumiges Tauchdeck, viel Platz und gemütliche Liegeflächen – schon beim ersten Rundgang versteht man, warum die Dominator einen großen Vergleichstest mehrerer Safariboote gewonnen hat. Das Schiff wurde im Frühjahr 2016 komplett modernisiert und entspricht in allen Punkten jenem Standard, dem man sich von einem 5 Sterne-Schiff erhofft. GPS, Radar, Satellitentelefon – sogar das Ortungssystem ENOS, mit dem sich abgetriebene Taucher schnell lokalisieren und finden lassen, ist mit an Bord. „Gerade, weil wir auch in abgelegenen Gebieten des Sudans operieren, ist die Sicherheit an Bord das Letzte, an dem wir sparen würden“, sagt Nedwed. „All die Erfahrung, die wir in über 16 Jahren mit Seawolf in Ägypten gewonnen haben, haben wir Eins zu Eins im Sudan umgesetzt. Taucher, die bereits mit uns auf Tour waren, werden keinen Unterschied feststellen.“
Nahe der Hafenausfahrt von Port Sudan wartet schon das erste Highlight der Tour, das Wrack der Umbria. Der 1940 von der eigenen Besatzung versenkte Frachter ist ein wahrer Koloss: 155 Meter lang, 18 Meter breit und reich beladen. Alte Autos finden sich in den offenen Ladebereichen, man sieht Weinflaschen und Kisten, Ersatzteile für Flugzeuge und Munition, Granaten und Küchenutensilien. In den 76 Jahren seit dem Untergang ist die Umbria zu einem künstlichen Riff geworden. Weichkorallen hängen wie reife Weintrauben von der Reling, Steinkorallen haben nahezu jedes Stück Metall besetzt, und manchmal muss man die Fischmassen zur Seite schieben, um einen ungestörten Blick auf das Wrack zu erhalten. „Für sich betrachtet ist die Umbria bereits ein echtes Highlight“, sagt Mahmoud später, der perfekt Deutsch sprechende Guide an Bord, „aber die richtigen Kracher kommen noch!“
Legendäre Tauchplätze
Es sind Plätze mit berühmten Namen wie „Precontinent II“: Jene Unterwasserstation, die Jacques-Ives Cousteau 1963 an Shaab Rumi bauen ließ. Einst lebten hier bis zu acht Menschen in rund zehn Metern Tiefe, um die dortige Unterwasserwelt und die Auswirkungen der Dekompression auf den Körper zu erkunden – noch heute zeugen stählerne Gerippe davon, die über und über bewachsen sind. „Aber das Interessante ist gar nicht die Unterwasserstation selbst“, verrät Mahmoud. „Sondern das Riff, auf dem sie steht: Cousteau hat diesen Platz ja nicht umsonst gewählt.“ Dies gilt insbesondere für die Steilwand in der Nähe: Graue Riffhaie kreisen an ihr, riesige Makrelenschwärme, um mit Glück sieht man auch Büffelkopf-Papageifische. Vor der eigenen Maske spielen sich Bilder ab, die man ansonsten nur aus BBC-Dokumentationen kennt.
Noch berühmter ist vielleicht Angarosh, die „Mutter der Haie“, und dieser Name ist Programm. Graue Riffhaie, Schulen von Hammerhaien, selbst Tiger- und Bullenhaie kann man hier sehen. Alles spielt sich auf zwei Plateaus ab, das eine in rund 25 Metern Tiefe, das andere in 45 Metern. Mit Strömung ist immer zu rechnen, und manches Mal bringt sie den Tauchern nicht nur Haie, sondern auch Mantas oder Walhaie – auf die großen Filtrierer scheint das Riff im Norden des Sudans geradezu magisch zu wirken.
Gleiches gilt für Sanganeb, rund anderthalb Stunden nördlich der Umbria gelegen. Ein Riff, welches mit seinem Leuchtturm darauf über Wasser ein wenig an das ägyptische Daedalus-Riff erinnert. Auch hier sind häufig Mantas zu sehen, ebenso Hammerhaie oder Weißspitzen-Hochseehaie – über die ständig vorkommenden Grauen Riffhaie spricht jetzt schon niemand mehr. Dafür fällt auf, dass die Korallenvielfalt hier die vielleicht prächtigste im Roten Meer ist. Ein Zauberwald aus Hartkorallen, die in Gelb, Rot und Grün leuchten, umgeben von Weichkorallen, die sich wie Sträucher in der leichten Strömung wiegen. Die Delfine, die zum Ende des Tauchgangs um die Seawolf Dominator kreisen, sind der perfekte Abschluss des Tages.
Im Prinzip ist eine Woche an Bord viel zu wenig, um den Sudan wirklich erkunden zu können. Zumal Mahmoud meint, dies sei ja auch nur die Nordtour mit ihren legendären Tauchplätzen – mindestens genauso spannend seien Touren in den Süden, deren Riffe fast noch unerkundet sind. Und wer sich gar nicht entscheiden kann, sollte die „Best of Sudan-Safaris“ buchen, sagt er. Dann bekommt man die volle Dröhnung. Mehr Erlebnisse, als die meisten Menschen in ihrem gesamten Taucherleben haben.
„Ich habe schon lange mit dieser Tour geliebäugelt“, verrät Joachim Stürmer, einer der Taucher an Bord. „Und mich lange davon abhalten lassen, weil ich dachte, die Anreise sei so kompliziert. Ist sie gar nicht: Jetzt bin ich glücklich, dass ich es endlich gemacht habe!“
Wenn man die Anreise in den Sudan nur mit jener von Direktflügen nach Ägypten vergleicht, kann sie einem auf den ersten Blick vielleicht lang vorkommen. Wenn man sie dagegen mit jener zu anderen Top-Tauchdestinationen weltweit vergleicht, ist es nur ein Katzensprung.
Prinzipiell gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine führt mit Emirates Airline über Dubai. Ihr Vorteil ist, dass das Gepäck direkt durchgecheckt wird, vom tollen Service an Bord ganz abgesehen. Nachteil: Zwischen der Ankunft in Dubai und dem Weiterflug nach Port Sudan können bis zu neun Stunden liegen – Zeit, die man mit einer Stadtbesichtigung jedoch gut überbrücken kann.
Der zweite Weg führt mit jeder beliebigen Fluggesellschaft über Kairo, weiter geht es dann mit Nile Air. Hier sind die Flugzeiten optimal, was die Ankunft im Sudan und den Rückflug betrifft, dazu hat man in der ägyptischen Hauptstadt lediglich zwei bis drei Stunden Aufenthalt. Letzten Endes ist es Geschmackssache – uns persönlich hat jedoch die Variante über Kairo besser gefallen.
Bevor die Seawolf Dominator den Hafen wieder erreicht, steht ein weiteres Highlight auf dem Programm, dessen Name vielleicht nicht so bekannt, dessen Erlebniswert jedoch umso größer ist: Qita al Banna. Fern der Küste und weitab von anderen Riffen gelegen, kommen hier Freunde des gepflegten Steilwandtauchens voll auf ihre Kosten. Nahezu senkrecht fallen die Wände in mehrere hundert Meter Tiefe ab, dicht bewachsen, von Schwarmfisch nahezu bedeckt. Immer wieder tauchen Haie auf, kommen näher, kreisen um die Taucher. Am Südende ruhen mehrere Weißspitzen-Riffhaie auf dem sandigen Grund einer großen Höhle, während Silberspitzenhaie davor ihre Bahnen ziehen. Man sieht Doktorfische und Schnapper, riesige Gorgonien halten ihre Fächer in die Strömung, und ein mächtiger Schwarm Barrakudas hat sich zu einem fast kreisrunden Ball zusammengefunden. Qita al Banna mag nicht so berühmt sein wie die Riffe zuvor, ein herausragender Tauchplatz ist es allemal.
Das größte Problem auf dieser Tour ist also nicht die Anreise oder die Abgeschiedenheit des Gebietes, sondern das Verarbeiten der Erlebnisse, die man in dieser Woche gemacht hat. Schon vor der Rückreise weiß man, dass man wiederkommen muss, so schnell wie möglich, am besten schon morgen. Jedes Riff nochmals erkunden. Den abgeschiedenen Süden aufsuchen. Und dann am besten das Ganze wieder von vorn!
Weitere Informationen:
Seawolf Dominator
Sudan