Kategorie: Reise
Die Kriegswracks von Malta
Bericht und Fotos von Steve Jones – www.millionfish.com
Im April 1942 war Malta eines der meist bombardierten Gebiete in der Geschichte geworden. Warum? Die Position der Insel erlaubte es der British Royal Navy und der RAF die Versorgungslinien der Achsenmächte zu unterbrechen, die ihren Weg durch Nordafrika schlugen. Anfängliche Angriffe von Italien wurden mit hartnäckigem Widerstand beantwortet, aber die Italiener bekamen rasch Verstärkung durch die hochtauglichen deutschen Kräfte mit einer klaren Zielsetzung: Malta musste ein für alle Mal neutralisiert werden, wenn der Nordafrikafeldzug gelingen sollte.
Als die Belagerung verstärkt wurde, hungerte die Bevölkerung. Im Himmel über Malta forderte eine wilde und unnachgiebige Luftschlacht ihren Tribut auf allen Seiten. Selbst für die Veteranenpiloten, die die Schlacht um England überlebt hatten, stellten diese harten Einsätze eine Herausforderung dar. Genauso intensiv waren die Kämpfe auf See, zumal der Schlüssel zu Maltas Überleben im Erhalt der Versorgungskette über die Seewege lag. Im Kampf um Malta erlitten alle Seiten enorme Verluste und viele der Wracks aus diesen Kampfhandlungen sind erst vor kurzer Zeit entdeckt worden, weil sie sehr tief liegen.
Die HMS Southwold
Die Belagerung befand sich im März 1942 auf ihrem Höhepunkt, als der Royal Navy Zerstörer HMS Southwold den Konvoi MW10 mit verzweifelt benötigten Lieferungen Richtung Malta eskortierte. Die Schiffe wurden von einem italienischen Kriegsschiff erspäht, aber statt sich zurückzuziehen, griffen die waffentechnisch erheblich unterlegenen britischen Schiffe an und trotz schwerer Schäden bewahrten sie die Frachtschiffe davor, abgefangen zu werden. Die Schlacht wurde als "Second Battle of Sirte" bekannt. Allerdings wurde die Ankunft des Konvois als Folge des Kampfes bis zum Tageslicht verzögert und er wurde so Luftangriffen ausgesetzt. Die HMS Breconshire wurde getroffen und während die Southwold den beschädigten Tanker von einem britischen Minenfeld wegzuschleppen versuchte, explodierte eine Mine und fünf Besatzungsmitglieder fanden hierbei den Tod. Die durch die Minenexplosion schwer angeschlagene HMS Southwold wurde zwar noch vom Schlepper Ancient ins Schlepptau genommen, sank aber nachdem der Rumpf auseinander gebrochen war. Die Mannschaft konnte vom Jagd-Zerstörer HMS Dulverton aufgenommen werden.
Für die Erkundung der beiden Hälften der Southwold sind zwei Tauchgänge nötig, da sie rund 300 Meter voneinander entfernt liegen. Der Bug liegt auf 68 Metern Tiefe vollkommen auf der Steuerbordseite und wir beginnen unsere Erkundung in der Nähe des Bereichs, an dem das Schiff auseinandergebrochen ist. Hier zeigt sich eine Verwüstungsszenerie mit Massen an zerfetztem und verdrehtem Metall. Die Brücke liegt im Sand und indem wir sie Richtung Bug umrunden, wird das Schiff augenblicklich erkennbar. Die Hauptwaffen, die in Richtung des intakten Bugs zeigen, sind das beeindruckendste Merkmal.
Das Heck liegt etwas tiefer auf 72 Metern und steht aufrecht. Wir orientieren uns nach Achtern und treffen rasch auf die rückseitigen Geschütze, die immer noch rechtwinklig nach oben zeigen, als ob das Schiff sich zum Feuern vorbereiten würde. Es gibt sauber angeordnete Wasserbomben zu sehen und erstaunlicherweise auch das Namensschild des Schiffes; Wichtig: Artefakte von den Kriegswracks zu entfernen ist streng verboten und wird unnachgiebig geahndet. Als ich mich über das Heck Richtung Meeresboden sinken lasse, komme ich an riesigen Propellern vorbei, die immer noch fest angebracht sind. Dann ist unser Zeitlimit auf dieser Tiefe erschöpft und ein spektakulärer Tauchgang geht zu Ende.
Das Schnellboot S-31
Dieses ungewöhnliche Wrack ähnelt eher einem Dinosaurierskelett als einem deutschen Torpedo-Boot. Die S-Boote waren auf Geschwindigkeit ausgelegt und mit einer äußeren Mahagoni-Hülle und einem leichten Metallrahmen konstruiert, aber das Holz ist längst verrottet, was dem Wrack eine markante Erscheinung verleiht. Es ist zwar ein kleines, knapp 35 Meter langes Wrack, aber auf 65 Metern Tiefe darf man angesichts der Fülle an interessanten Details keine Zeit verlieren. Wenn wir vom Bug nach unten tauchen, treffen wir bald auf den riesigen Torpedo-Kanal, wo eine geöffnete Klappe und ein geladener Torpedo darauf hinweisen, dass das Schiff gerade zum Feuern bereit war, als es sank.
S-Boote hatten zwei 533mm Torpedo-Schusskanäle und waren so für einen mächtigen Schlag gerüstet. Die S-31 wurde im Mai 1942 wahrscheinlich durch eine eigene Mine versenkt, als sie gerade die mit Vorräten bepackte HMS Welshman jagte. 13 Crewmitglieder wurden dabei getötet. Richtung Achtern, im Bereich der Torpedokanäle, treffen wir auf die Szenerie dieser katastrophalen Explosion. Munitionskisten liegen zerschmettert zwischen den Resten des Schiffes herum, wir tauchen an Ölfässern bzw. Wasserbomben vorbei und erreichen die Maschinen. Es gab nicht nur eine, sondern drei riesige Daimler-Maschinen, die dem Schiff zu 4.015 PS bei nur 102 Tonnen Gewicht verhalfen: ein enormes Kraft-zu-Gewicht-Verhältnis, dass das Schiff mit bis zu 36 Knoten (ca.70 km/h) antrieb. Auf dem Weg zurück zur Grundleine platziert mein Tauchbuddy Steve Wilkinson sorgfältig seine Tauchlampe im Innern des Wracks (siehe fünftes Bild oben). Durch den Strahl des kraftvollen Lichts entsteht eine surreale Szene, die das Wrack wie einen Drachenkopf wirken lässt, der ein letztes Mal Feuer speit.
HMS Stubborn
Das Leben der U-Bootbesatzungen während der beiden Weltkriege war reich an Gefahren, ungeachtet auf welcher Seite sie kämpften. Die Statistiken sprechen hier für sich: Über 80 britische und die niederschmetternde Zahl von 784 deutschen U-Booten gingen allein während WW2 verloren, die Besatzungen hatten dabei kaum Überlebenschancen. Dies ist eine düstere Erkenntnis, die uns hinab zu einer britischen S-Klasse begleitet, einem schwer bewaffneten und hoch manövrierfähigem Patrouillen-U-Boot-Typ: der HMS Stubborn.
Wir kommen zu einem gut erhaltenen Kommandoturm, der im Schein unserer Tauchlampe in wundervollen Schattierungen von Rot und Gelb aufleuchtet. Im kristallklaren Wasser sehen wir das Deck, wie es sich bis zum Bug erstreckt und gibt uns eine Aussicht, wie sie der Kapitän früher gehabt haben musste. Auf dem Weg über das Deck kommen wir an einer offenen Bodenluke vorbei und erreichen dann das Tiefenruder, das bei einem U-Boot das Abtauchen kontrolliert, indem es den Abtauchwinkel steuert.
1944 bekam das U-Boot Probleme mit dem hinteren Tiefenruder, was fast das Ende darstellte. Im Zuge eines erfolglosen Angriffes auf einen deutschen Konvoi in Norwegen, holten die Konvoi-Geleitschiffe mit 36 Wasserbomben zu einem Vergeltungsschlag aus. Durch die Serie heftiger Explosionen wurden die hinteren Tiefenruder der Stubborn beschädigt und das U-Boot bis auf über 120 Meter Tiefe gedrückt. Die Ballasttanks wurden noch einmal aufgeblasen, das Schiff sank dennoch weiter auf über 150 Meter; 60 Meter tiefer als die maximale Operationstiefe. Es prallte dann viermal auf den Meeresgrund als weitere 16 Wasserbomben in der Nähe explodierten. Die Angreifer zogen sich zurück und die Besatzung konnte gerade genug Luft generieren, um das schwer beschädigte U-Boot an die Oberfläche zu bringen. Als es Kurs auf die Heimat nahm, trennte sich das Ruder ab. Trotzdem erreichte das angeschlagene U-Boot sein Ziel und hatte damit auch dem Namen "Stubborn = die Unbeugsame/Widerspenstige" alle Ehre gemacht. Im Reparaturprozess wurde das Boot wegen seines durch den Wasserdruck gekrümmten Schiffskörpers als "Brustgerippe" bezeichnet.
Die HMS Stubborn beendete ihren Einsatz im Fernen Osten während der letzten Monate der Schlacht gegen Japan. Danach machte sie einen finalen Besuch in Malta, wo ihre Karriere einen Schlusspunkt fand. Sie wurde als ein Zielobjekt der Seekriegsführung gegen U-Boote 1946 versenkt. Obwohl die Royal Navy ihren Standort kannte, wurde die Position für Sporttaucher erst 1994 publik.
Wir tauchen zum Meeresboden auf 55 Meter und die glatte, messerscharfe Bugkante wird zusammen mit den vorderen Torpedokanälen sichtbar: Es gibt drei auf jeder Seite und sie verleihen dem Wrack eine bedrohliche Aura. Es liegt nahezu aufrecht mit einer leichten Neigung nach Steuerbord vor uns, während die Backbordseite in Sonnenlicht getaucht dieses atemberaubende und bemerkenswert gut erhaltene Wrack ausleuchtet.
Die SS Polynesien
Der aussagekräftige Wasserstrom hinter unserer Boje macht keinen Hehl daraus, dass wir bei diesem Tauchgang auf Strömung stoßen werden. Also springen wir im Strömungsschatten des Tauchschiffes ins Wasser. Trotzdem werde ich rasch mitgerissen. Ein sanfter Druck auf den Auslöser meines Scooters erfüllt diesen mit Leben und bringt mich zurück zur Leine, wo wir einen langen und langsamen Abstieg beginnen. Schließlich berühre ich den Meeresboden auf 65 Metern, aber da ist kein Wrack zu sehen, nur ein Pfad im Sand, den Bleigewichte gezogen haben. Wir befestigen eine Höhlenleine und bewegen uns mit dem Scooter vorwärts, wo bald der riesige Schatten der SS Polynesien hervortritt.
Die SS Polynesien war ein französisches 6373-Tonnen-Linienschiff, das von der UC-22 am 10. August 1918 während der finalen Phase des Ersten Weltkrieges versenkt wurde. Zehn Seeleute kamen dabei ums Leben. Der Liner transportierte zu dieser Zeit serbische Truppen. Er liegt gut 7 Meilen von Vallettas Grand Harbour entfernt und ist wohl das schönste bisher in maltesischen Gewässern entdeckte Wrack. Es besitzt eine intakte Schiffshülle und liegt auf seiner Backbordseite. Wir nähern uns dem Bug und sehen ein Deckgeschütz, das aufrecht und von mariner Vegetation überzogen dasteht. Auf dem Weg zum Heck dieses 152 Meter langen Schiffes, bringt uns der Scooter durch glasklares Wasser über eine spektakuläre Szenerie. Offene Luken und Schächte rufen nach intensiverer Erkundung. Für die Polynesien benötigt man eigentlich mehrere Tauchgänge um sie voll erfassen zu können. Wir beenden mit 50 Minuten Grundzeit und der Aussicht auf einen langen Deko-Stopp diesen Tauchgang, den wir wahrlich als "episch" bezeichnen können.
Auf dem Rückweg zum Hafen, schimmert die Hauptstadt Valletta im hellen Sonnenlicht. Es ist eine schöne Stadt, in der jede Hausecke von Geschichte spricht, dabei finden sich nur wenige Zeichen der Zerstörung aus ihrer bewegten Vergangenheit, die die Stadt vor etwas mehr als 70 Jahren durchleben musste. Diese finden sich dafür auf dem Meeresgrund in Form der faszinierenden Weltkrieg-Wracks, als Zeugen eines titanischen Kampfes, der über dieses kleine Mittelmeer-Land hinweg rollte.
Weitere Weltkrieg-Wracks auf Malta
Die Beaufighter: Die schnellen, zweimotorigen Beaufighter waren in Malta in großer Stärke stationiert. Dieses Flugzeug startete im März 1943 zu einem Einsatz, bekam dabei Maschinenprobleme. Beide Besatzungsmitglieder überlebten. Das Wrack liegt nur eine kurze Bootsfahrt von der Basis DiveWise entfernt in knapp 40 Metern Tiefe auf leuchtend weißem Sand.
Der Blenheim-Bomber: Der Bomber wurde von einem italienischen Jagdflugzeug im Dezember 1941 abgeschossen. Der Pilot unternahm eine Wassernotlandung und alle Besatzungsmitglieder wurden gerettet. Jetzt liegt der Flieger auf 40 Metern, ein Propeller ist noch erhalten.
Die HMS Hellespont: Ein Schaufelrad-Dampfer, der von einem Axis-Flieger im April 1942 versenkt wurde. Er liegt außerhalb des Grand Harbour in 45 Metern Tiefe aufrecht auf dem Grund und ist sehr sehenswert.
Die HMS Maori: Ein Zerstörer, der an der Jagd auf die Bismarck teilnahm und Überlebende des mächtigen deutschen Kriegsschiffes aufnahm. Er wurde 1942 durch eine Bombe versenkt und später entzweigeschnitten. Der Tauchgang auf 14 Meter vom Strand des Marsamxett Harbour/Valetta aus ist sehr beliebt. Gut und einfach zu betauchen.
Die HMS St. Angelo: Ein Schlepper der als Minensuchboot eingesetzt wurde und im Mai 1952 versenkt wurde. Er liegt in der Nähe des Hafens auf 55 Metern.
Die HM Drifter Eddy: Es handelt sich um ein kleines Minensuchboot, das im Mai 1942 von einer Mine getroffen wurde. Dabei kamen 8 Besatzungsmitglieder um. Das Wrack liegt auf 56 Metern.
Die X127 Lighter: Der Leichter wurde ursprünglich gebaut, um die vom Unglück verfolgten Seeangriffe der türkischen Halbinsel von Gallipoli im Ersten Weltkrieg zu unterstützen. Dann wurde er als Frachtkahn für Treibstoff eingesetzt und dabei 1942 von Wasserbomben direkt vor der Insel Manoel Island/Valletta versenkt. Dieses geschichtlich interessante Wrack liegt zwischen 5 und 22 Metern, die Sichtweiten sind an dieser Stelle leider oft recht unbefriedigend.
Zuletzt noch ein Tipp: In den letzten Jahrzehnten sind verschiedene Wracks rund um Malta und Gozo versenkt worden, sodass diese Region eine wahre Oase für Wracktaucher jeder Erfahrungsstufe ist.
Mein Dank geht an: DiveWise/TechWise (www.divewise.com.mt / www.techwise.com.mt)
Anreise: Air Malta hat angemessene Preise für Tauchgepäck. Es gibt auf der Insel eine Fülle von Unterbringungsangeboten für jeden Geldbeutel.
Beste Reisezeit: Die Gewässer um Malta können das ganze Jahr betaucht werden. Im Herbst, Winter und Frühling sollten Tech-Taucher wegen der kühleren Oberflächentemperaturen mit Trockenanzug tauchen. Auf jeden Fall ist das Wetter im Sommer beständiger.
Literatur: Fortress Malta: An Island Under Siege 1940-1943 by James Holland, ISBN-13: 978-0304366545
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