Bali nach zwei Jahren Covid-19 Pandemie

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13.06.2022 17:48
Kategorie: Reise

Langsam wacht ein Urlaubsparadies wieder auf…

Anfang Februar 2022: Mit Ausnahme von Thailand hat sich Asien aufgrund der Corona Pandemie von der restlichen Welt noch isoliert. Auch Indonesien mit seinen Urlaubs- und Tauchparadiesen war für westliche Touristen mehr oder weniger unerreichbar.
Umso erfreulicher war zu diesem Zeitpunkt dann auch die offizielle Meldung einer schrittweisen Öffnung Indonesiens und Balis für Touristen als eine Art Probelauf.

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Bericht von Mirko Obermann

Gegen Februar war es somit erneut möglich mit vielen PCR-Tests, Nachweisen von Hotelbuchungen und allerhand anderen Fallstricken das Land wieder zu bereisen. Interessiert hat dies allerdings kaum jemanden, die Hürden waren einfach zu hoch und niemand ist gekommen.

Dennoch habe ich bereits zu diesem Zeitpunkt umgehend einen Flug für Mitte April gebucht, in der guten Hoffnung auf die Stornierungsmöglichkeit eines „Flex-Tickets“ und dass vielleicht doch noch einige Reisehürden wegfallen. Schließlich ging es nicht nur um ein paar Tage Urlaub, sondern hauptsächlich darum unsere Tauchbasis nach über zwei Jahren Pandemiepause wieder aufzusperren. Ein guter Grund bei der Buchung etwas zu pokern – und wie so oft beim Pokern – Risiko zahlt sich langfristig immer aus (zumindest in meiner Pokerrunde)!

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Am Mittwoch, den 13. April in der ersten Woche der Osterferien, stand ich dann am schönen und gemütlichen Flughafen in Nürnberg. Trotz der Ferien und angekündigter Reisewelle: In Nürnberg war davon nichts zu merken. Die Abflüge waren übersichtlich, die wenigen abgehenden Flieger jedoch ausgebucht – so auch mein Turkish Airlines Flug, der mich direkt zum Drehkreuz Istanbul bringen sollte und von dort aus in einem 13 Stunden Direktflug weiter nach Denpasar auf Bali.
Für das Einchecken am Flughafen brauchte viel Zeit, denn das Bodenpersonal musste so einiges prüfen:

- Nachweis eines vollständigen Impfschutzes (darunter versteht Indonesien 3 Impfungen)
- aktueller PCR-Test (nicht älter als 48 Stunden)
- Reservierung eines Hotels für die ersten drei Tage
- Reservierung eins  Flughafentransfers
- Versicherungsnachweis einer Auslandskrankenversicherung die Covid19 abdeckt (min. 25.000 $)
- indonesische GesundheitsApp „Peduli Lindungi“ auf dem Smartphone

Zum Glück hat die freundliche Dame am Schalter nur überprüft, ob ich die Gesundheits App auf meinem Smartphone habe. Ob die App mit Daten gefüllt war, wurde nicht gecheckt. Eigentlich dient diese App dazu in Indonesien Eintritt in Restaurants, Flughäfen usw. zu erhalten. Dafür müssten die europäischen Impfzertifikate eingelesen  werden. Mit solchen technischen Spielereien tue ich mich bereits in meiner Muttersprache schwer und so bin ich auch in diesem Fall vollumfänglich gescheitert. Trotz unzähliger Versuche und Übersetzungshilfen aus Indonesien hat es nicht geklappt. Und so hatte ich nur die App, aber ohne Inhalt, dabei. Ich nehme es vorweg - es hat niemanden auch nur ansatzweise zu irgendeinem Zeitpunkt interessiert.

Bereits während meines Aufenthaltes in Indonesien wurden die Einreisebestimmungen weiter gelockert, Nachweis von Hotelbuchung und Transfer sind nun nicht mehr nötig und zum jetzigen Stand ist sogar der PCR-Nachweis weg gefallen. Nur die Impfungen und die Versicherung sind für eine quarantänefreie Einreise noch nötig und natürlich die wichtige GesundheitsApp „Penuli Lumbumbi“ (oder so ähnlich).

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Es ist nichts, aber auch gar nichts los

Während der Reise nach Bali war eigentlich alles wie vor der Pandemie. Der Flieger war Dank der Osterferien bis auf den letzten Platz ausgebucht und bis auf das Tragen einer medizinischen Maske (ca. 90% der Fluggäste haben nach einer guten Stunde aufgegeben), war eigentlich alles wie früher – bis zur Ankunft auf Bali!

Eigentlich war auf Bali alles wie früher, zumindest was die Einreiseformalitäten betrifft. Das Visum gab es „on arrival“, also Reisepass raus, 30 Dollar bezahlt und Stempel rein. Dann wurde noch überprüft, ob ich brav alle Impfstempel im gelben Impfpass habe, noch einen Blick auf die Versicherung und schon stehe ich am Gepäckband…

Aber ich merke sofort – hier ist etwas anders. Es ist einfach keiner da. Wo sich sonst an ca. 20 Gepäckbändern die Menschen stapeln, lief gerade mal ein Gepäckband am internationalen Flughafen – unseres!
Normalerweise erwarteten einen nach der Gepäckausgabe Horden von Fahrern, Reiseveranstaltern und „Taxlern“ eingehüllt in eine Wolke aus süßlichem Nelken-Zigaretten-Duft: diesmal bot sich mir ein trauriger Anblick. Während die laut durcheinander rufende Fahrermeute mir sonst einen Adrenalinschub verabreichte, wirkten sie diesmal eher bedrückend, wie die Luftfeuchtigkeit im balinesischen Aprilwetter.

Auf der Fahrt vom Flughafen nach Candidasa im Nordosten der Insel, habe ich gesehen was sich verändert hat – der ganz normale Stau in Denpasar, Balis Hauptstadt. Es ist nichts, aber auch gar nichts los, irgendwie surreal.

Vor ziemlich genau 30 Jahren war ich das erste Mal auf Bali und selbst in dieser Kreidezeit des Fernreisetourismus war hier schon mehr los, als das was ich jetzt aus dem Fenster des Taxis sah.
Und dieser Eindruck verfestigte sich während meines gesamten Aufenthaltes. Unsere Tauchbasis befindet sich auf dem Gelände eines normalerweise recht beliebten Hotels welches über ca. 100 Zimmer, Villen und Suiten verfügt.

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Bei meiner Ankunft um 22 Uhr im Hotel habe ich gemerkt, es ist sehr dunkel um mich herum und entweder schlafen die „Nachbarn“ schon oder es gibt gar keine…
Am nächsten Morgen stellte sich heraus, es gibt noch so gut wie keine Nachbarn im Hotel und keine Menschen am Strand und darum so gut wie niemanden auf der Tauchbasis.

Die einzigen Gäste waren eine Familie aus der Schweiz. Wie es der Zufall will, kannten wir uns bereits. Die jetzt 20-jährige Tochter hatte ihren Junior-OWD im Alter von zehn Jahren bei uns in Ägypten gemacht. Sie hätte ich nicht mehr erkannt, aber die Eltern waren mir noch im Gedächtnis.
Die Drei hatten bereits mutig im Herbst die Reise gebucht und waren trotz Corona in den vergangenen zwei Jahren viel unterwegs. Ägypten, Dominikanische, Skifahren – in der Schweiz war die Pandemie einfach nicht so heftig, wie in Deutschland, zumindest was das Reisen betrifft.

Während meiner zwei Wochen vor Ort kamen dann noch eine Heiratsrednerin auf der Suche nach der passenden Lokation für zukünftige Trauungen sowie ein Journalistenpärchen vorbei. Alle waren angekündigt und kämpften im Vorfeld mit der lustigen „Schnulli-Bulli-App“ (oder so ähnlich) der indonesischen Regierung, die man angeblich braucht, um Restaurants, Bars und alles andere zu betreten.

Es war in der Tat gar nicht so einfach ein Restaurant zu betreten. Das lag aber nicht an der Gesundheits-App, die keiner sehen wollte, sondern daran, dass viele Restaurants einfach noch geschlossen waren. Die Straße vor dem Hotel ist in unserer Ecke ohnehin nicht stark befahren, aber im April war sie fast schon gespenstisch leer…

Ich bin einem der ersten Ferienflieger entsprungen, der richtige und echte Touristen an Bord hatte. Weitere drei oder vier andere Airlines sorgen nun dafür, dass der Tourismus auf Bali ganz langsam wiederbelebt wird. Im Laufe meines zweiwöchigen Aufenthalts konnte ich beobachten, wie langsam wieder Leben in die Bude kommt. Als ich die Insel wieder verließ, sind aus den anfänglich sechs Hotelgästen schon so um die Zwanzig geworden. Und auf unserer Tauchbasis waren sage und schreibe sieben Taucher aktiv. Da hieß es den Staub rauskehren und auf ins ungewohnte Getümmel, denn solche Menschenansammlungen auf Bali war ja keiner mehr gewöhnt!

Mit den Affen auf Du und Du

Und wenn ich schon mal die Insel der Götter fast für mich alleine habe, dann begibt sich auch ein Tauchbudenhäuptling wie ich mal auf eine waschechte Touristentour. Auf dem Programm standen Attraktionen, die mir in normalen Zeiten deutlich zu voll wären. Der Monkey Forest von Ubud war gesetzt, der ein oder andere Tempel natürlich und noch ein paar weitere tolle Ausflüge habe ich auf meiner Liste. The time is now!

Wer in den letzten 15 Jahren schon mal in Ubud war, der weiß was ein Mopedstau ist. Die Kleinstadt im Inselinneren beeindruckte vor der Pandemie durch eine höhere Rollerdichte als Jakarta. Im Monkey Forest – dem Affenwald sah man angeblich mehr Menschen als Affen und in den Cafés rund rum war es fast unmöglich einen Platz zu ergattern. Ich hatte freie Platzwahl während meines Besuchs und die Affen schienen sich regelrecht zu freuen über den Besuch eines fernen Verwandten wie mir. Wir sind sehr schnell beim DU gelandet…die Affen und ich.

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Egal ob im Tempel, bei einem Rundgang über den Kunstmarkt oder beim Mittagessen in old town – ich erlebe Ubud im Coronakoma. Selbst vor 30 Jahren war in Ubud mehr los.
Für die meisten Balinesen war Corona ein Schock, ein Alptraum der noch anhält, ein Desaster. Sie wollen schnellstens raus aus diesem Stillstand.

Wie in vielen Ländern so fürchten auf Bali die Menschen ebenfalls weniger das Virus, sondern die sozialen Folgen der Abschottung zur Pandemiebekämpfung. Während wir in Europa und allen voran im deutschsprachigen Raum meist Soforthilfen bekommen haben, oder zumindest irgendwelche Hilfen, gab es für die Balinesen nichts. Gar nichts… Kein Überbrückungsgeld, kein Kurzarbeitergeld, keine Stundung von Krediten, kein Arbeitslosengeld, keine Sozialhilfe, keine Sozialleistungen… Nichts…

Als Tauchbudenhäuptling weiß ich sowas, denn auch die Tauchbude war einfach bis auf weiteres geschlossen. Es blieb nur die Hoffnung irgendwie durchzukommen. Aber erst wenn man sich mit Einheimischen wirklich unterhält, dann wird deutlich, was für ein Desaster der ausbleibende Tourismus für die Balinesen bedeutet.

Vom Transportunternehmer zum Schweinezüchter

Stellvertretend für so gut wie jeden Balinesen erzähle ich hier die Geschichte von Joe:

Joe ist sein „Touristenname“, den wir uns merken können. In Wirklichkeit heißt Joe „I Komang Partika“ und ist vor der Pandemie selbständiger Transportunternehmer gewesen. Joe hatte fünf Minibusse und drei Limousinen, um damit Touristen zu transportieren - zu diversen Inselattraktionen, zu Tauchbooten. Auch unsere Gäste hat Joe ab und zu gefahren. Heute fährt er mich nach Ubud mit einem seiner verbliebenen zwei Autos. Sein Fuhrpark war noch nicht abbezahlt. Da er pandemiebedingt seine Kredite nicht mehr bedienen konnte, hat die Bank die Fahrzeuge bis auf die verbliebenen zwei zurückgefordert.

Noch während wir über seine finanzielle Situation sprechen ruft mal wieder die Bank an. Er wird wohl nächste Woche vermutlich ein weiteres Auto verlieren. Dann bleibt ihm nur noch ein Auto, um für sich und seine Familie eine Zukunft aufzubauen.

Wir reden lange. Joe erzählt viel und wie es sich gehört für einen Balinesen verliert er niemals die Haltung, zeigt so gut wie keine Gefühle. Aber man merkt Joe an, es geht ihm schlecht, es geht ihm sehr schlecht. Er macht sich Gedanken um seine Familie, wie es weiter geht, ob er sie ernähren kann. Und weil wir gerade so im Reden sind und ohnehin alle viel Zeit haben, fahren wir zu Joe nach Hause und besuchen seine Familie.

Joe hat eine Frau und drei Kinder. Eine Tochter und zwei Söhne. Und wie Eltern überall auf der Welt wollen sie nicht, dass ihre Kinder mitbekommen, wie schlecht es um ihre Familie steht, dass das Essen auf dem Tisch immer knapper wird. Sie lächeln freundlich, wie es nun mal üblich ist in ihrer Kultur…

Die Verzweiflung von Joe war und ist immer noch groß. Spätestens als Joe mir erzählt, dass er an Selbstmord (ein Tabu für Hindus) gedacht hat, verstehe ich den Ernst der Lage. Ich habe Joe extra gefragt, ob ich das überhaupt schreiben darf. Er meint dazu auf Bali gehe es vielen so wie ihm.
Die Verantwortung und Liebe für seine Familie und der balinesisch-hinduistische Glaube haben den letzten Schritt verhindert. Eigentlich ist Joe ein sehr lebenslustiger und fröhlicher Mensch.

Joe will überleben, für seine Familie, ihre Zukunft und für Bali. Zu seinem kleinen Haus gehört ein klein wenig Grund. Bei der Bank hat er noch mal einen kleinen Kredit bekommen. Dieses Mal will er in ein krisensicheres Business investieren – die Schweinezucht.

Schweine werden auf Bali immer gegessen, vor allem bei religiösen Zeremonien wird auch gleich mal ein komplettes Schwein gegrillt… Wer gerne Spanferkel isst, sollte es also mal auf Bali probieren!

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Da seine Mutter ein Schwein für den eigenen Bedarf hält, kennt sich Joe schon damit aus. Er hat mit dem Kredit einen schönen und luftigen Schweinestall gebaut. Im Vergleich zu europäischen Mastbetrieben ein Schweineparadies!

Als ich Joe erzähle, dass die meisten Schweinebauern in Europa auf einem Areal auf dem er fünf Schweine und ein paar Ferkel hält vermutlich 20 mal so viele unterbringen, meint Joe nur: „Aber das sind doch Tiere, denen muss es doch auch gut gehen“...

Leider ist uns in Europa diese Denkweise verloren gegangen. Joe könnte deutlich mehr Einnahmen generieren, wenn er mehr Schweine in seinem luftigen Stall halten würde, aber das kommt für ihn nicht in Frage. Lieber verzichtet er, denn der Sau muss es gut gehen, sagt er. Die Verantwortung für die Tiere und deren Leben liegt bei ihm und sein Karma will er sich nicht ver“sauen“.

Wellenreiten am Kuta Beach

Auf dem Rückweg von unserer Tauchbasis im Osten von Bali zum Flughafen Denpasar, gönnte ich mir noch das Vergnügen für eine Nacht nach Kuta zu fahren. Kuta ist berühmt und berüchtigt, handelt es sich doch um die Partymeile der Australier und aller anderen Feierwütigen. Kuta hat ein wenig das Flair des Ballermanns auf Mallorca und genau das ist es eigentlich für die Australier

Der Strand von Kuta ist zudem eine Wucht für Wellenreiter, Surfer und alle, die gerne in den Wellen toben – also auf keinen Fall für Taucher.
Als ich war vor 30 Jahren am Kuta Beach war, war ich feierwütig und ambitioniert das Surfen zu lernen. Der Strand war schon damals voll, die Kneipen und Diskos auch. Und da ich auf all das inzwischen verzichten kann, wollte ich einfach nur wissen wie sich Kuta in dieser Zeit verändert hat. Von der ehemaligen Feiermetropole der Insel ist nicht viel übriggeblieben. Fast alles war noch geschlossen, als ich die Flaniermeile entlang spazierte. Aber langsam, sehr langsam pellt sich alles aus seiner Schockstarre.
Der Strand gehört derzeit noch den Einheimischen. Bis auf ein paar Surfer aus Australien war noch keiner da…

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Am liebsten wäre ich einfach dageblieben – sowas kommt nie wieder. Für Touristen ein Traum, für die Einheimischen ein Alptraum – der leere Strand von Kuta…

Und so kam es, dass ich mich nach über zwei Jahren doch mit Corona und den Folgen etwas versöhnt habe. Ein Strand und ein Surflehrer für mich alleine. Vor 30 Jahren habe ich es nicht geschafft einen Surf Kurs zu machen, aber diesmal musste es einfach sein…

Die Surfstunden habe ich ohne Wartezeit bekommen, eine Horde von Surflehrern, Strandschirmvermietern und und und hat viel Zeit und wartet am Strand…
Als europäischer Tourist konnte ich sogar der Pandemie manchmal etwas Gutes abgewinnen.

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Das Fazit meines Aufenthaltes auf Bali im Frühjahr 2022 als einer der ersten Europäer nach der pandemiebedingten Abschottung Indonesiens ist schnell getroffen. Für alle Touristen, die jetzt kurzfristig in den Flieger steigen ein Traum - leere Strände, leere Restaurants und leere Touristenattraktionen. Für die ca. 95% der Balinesen, die direkt oder indirekt vom Tourismus leben ein Desaster. Dennoch steigt die Stimmung auf Bali wieder und man tut was man seit zwei Jahren tut – man wartet auf Gäste!


Weitere Informationen
Bali auf Taucher.Net
diving.DE Candidasa auf Taucher.Net

 

(c) UW-Bilder von Andrea Brüggemann

(c) Bilder von Mirko Obermann & diving.DE