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Wracksuche im Golf von Suez
Auf der Suche nach der SS "Marcobrunner" - internationales Team startet die fünfte Gulf of Suez Expedition im Juni 2017: Das Team um den deutschen Wracktaucher, Expeditionsleiter und Unterwasserfilmer Rene Heese (diverhans®Filmproduktion) startet am 03. Juni 2017 die fünfte Expedition in den Gulf of Suez (Egypt).
Gegenüber DiveInside hat Rene Heese nun sein aktuelles Primärziel bekannt gegeben. Dabei handelt es sich um das Lokalisieren und Identifizieren des deutschen Fracht- und Passagierdampfers SS "Marcobrunner" der DDG Hansa respektive der Asiatischen Linie A.G.
Das Schiff wurde am 09. September 1889 an die Asiatische Linie A.G. durch die Schiffswerft Sunderland Shipbuilding Co. Ltd. abgeliefert und ging anschließend mit Ziel Madras (Indien) auf ihre Jungfernfahrt. Am 15. Oktober 1889 wurde Suez passiert. Nur einen Tag später strandete der 98,44 Meter lange Dampfer, ausgestattet mit einer Hilfsbesegelung an zwei Masten und einer 3-Zylinder Dreifach-Expansions-Dampfmaschine, auf dem Riff Shap Ali, in der Nähe der SS "Tistlegorm". Durch den eigenen Maschinenantrieb gelang es der Besatzung seinerzeit nicht das Schiff vom Riff abzubringen. Der Dampfer machte in den folgenden Tagen stark Wasser, sodass die Besatzung bis auf den Kapitän in die Boote ging und durch das britische Kanonenboot HMS "Plover" und den britschen Dampfer "Aldborough" aufgenommen wurde. Zwischenzeitlich verteidigte der an Bord verbliebene Kapitän das Wrack gewordene Schiff gegen die plündernden arabischen Strandräuber. Schließlich gab dieser auf und wurde ebenfalls von dem Kanonenboot aufgenommen. Feuer brach auf dem Schiff aus.
Quelle:
1) www.ddghansa-shipsphotos.de/marcobrunner100.htm
2) Reinhold Thiel "Die Geschichte der Deutschen Dampfschifffahrts-Gesellschaft
Hans",Band (I) 1881-1918, Verlag H.M. Hauschild GmbH Bremen, 2011,
Seite 48-49
Nachfolgend eine Episode aus dem Tagebuch eines Passagiers (inhaltlich entnommen) (Original aufgeschrieben während der Jungfernfahrt der SS "Marcobrunner")
Episode(1):
Tagebuch eines Schiffbrüchigen (1): Das große Abenteuer des Robert Alexander Blaschek
Brixton, 1889. Das Ende des Sommers naht, und der junge Robert Alexander Blaschek muss endlich eine Entscheidung treffen.
Die vorbestimmte Existenz als Lehrer im trüben Norden von London erscheint ihm wenig verheißungsvoll. Doch ein Leben als Forscher und Entdecker wie seine großen englischen und deutschen Vorbilder, das wäre schon eher nach seinem Geschmack.
Ferne Länder, große Entdeckungen - vielleicht würde er sogar berühmt werden! Die Entscheidung ist gefallen.
Das Mikroskop wird sicher in einer Seekiste verstaut, dazu eine Auswahl an passenden Kleidungsstücken für jede nur denkbare Gelegenheit,die das große Abenteuer für ihn bereithalten würde. Indien ist das Ziel, geradezu perfekt für einen jungen Engländer: Exotisch, aber gut erreichbar. Gewiß würde es Tee geben, wenn auch vielleicht ohne Milch.
Mit einer gut gefüllten Reisekasse, aber auch ein wenig unsicher geht Blaschek am 26. September 1889 in Antwerpen an Bord der "Marcobrunner". Bis Madras wird er vier Meere durchquert und einige Tausend Seemeilen zurückgelegt haben - Teil eins des Abenteuers.
Doch jedes Ziel hat seinen Preis, und für einen verwöhnten Engländer sind die rauhen Sitten an Bord der deutschen "Marcobrunner" nicht immer erquicklich.
Eine streitende Crew und der übermäßige Gebrauch von Alkohol stärken nicht gerade das Vertrauen in die Schiffsführung.
Mit Abscheu betrachtet Blaschek das Essen an Bord. Der ständige Geruch von Stockfisch und gesalzenem Hering stellen das allgemeine Wohlbefinden schon bei der Überquerung der Biskaya auf eine harte Probe. Ab Gibraltar wird die See ruhiger.
Doch die zunehmende Hitze des Spätsommers im Mittelmeer und die abnehmende Frische der Lebensmittel seien kein Vergnügen, klagt Blaschek.
Er selbst nimmt oft nur trockenes Brot zu sich, und sehr zum Erstaunen seiner Tischgenossen verzichtet er sogar auf die Butter: "Ich kann keine Butter essen, wenn jeder sein Messer ableckt und dann wieder in die Schüssel steckt".
Wenigstens die Getränke sind nach seinem Geschmack. Blaschecks deutsche Mutter hatte ihrem Sohn eine Vorliebe für Bier mitgegeben, was bei dem ebenfalls deutschen Kapitän der "Marcobrunner" auf größtes Verständnis stößt. Nach einigem Hin und Her überlässt er dem jungen Engländer zwei Dutzend Flaschen Löwenbräu aus seinen Privatvorräten.
An seinem eher distanzierten Verhältnis zum Kapitän und der Crew der "Marcobrunner" ändert dies jedoch nichts.
Sollte der Kapitän jemals gehofft haben, sein großzügiges Angebot würde den jungen Engländer zu einem milden Urteil verleiten, würde er sich schon wenige Tage später getäuscht sehen: Nüchtern und mit großer Klarheit würde Blascheck die kommenden Ereignisse dokumentieren, die der Jungfernfahrt der "Marcobrunner" ein dramatisches Ende bereiten sollten.
Heese erläutert zur Marcobrunner: "Heute ist davon auszugehen, dass das Wrack - besser die Wrackreste - in einer Wassertiefe bis 15 Metern ruht. Der Zustand wird sich erwartungsgemäß ähnlich denen der SS "Kingston" bzw. der SS "Ulysses" zeigen".
Die Aufgabe des Teams besteht nun darin, im Sediment verbliebene Artefakte wie bspw. Teller mit Reedereilogo zu finden und zu dokumentieren. So im Sommer 2016 verfahren, gelang dem Team die zweifelsfreie Identifizierung des Passagierdampfers SS "San Juan" der Porto Rico Line im Fahrwasser der Southbound-Fahrer im Gulf of Suez in 61 Metern Wassertiefe. (siehe auch: Wrack identifiziert und Abschlussbericht der 2016er Expedition).
In der Ostsse archäologisch ehrenamtlich tätige Taucher wie Harald Dietrich und sein Freund Philipp Wysotzki verstärken wieder das Team, letzterer erstmals. Ebenso sind auf dieser 12tägigen Reise wieder mit dabei: Holger Scherrer und Vinni Magner sowie Heeses Frau und weitere Teammitglieder.
Die privat gecharterte MY "Soul" des Safari-Unternehmens Seawolf mit ihren 36 Metern Schiffslänge bildet den Grundstock für eine raue See. "Länge läuft!" sagt Heese, der in der Seefahrt als Schiffsbetriebsingenieur groß geworden ist und heute ein Ingenieurbüro in Schwerin betreibt. "Unsere erste Expedition in den Gulf of Suez im Spätsommer 2014 haben wir mit einer 24 Meter Yacht bestritten. Das hat so nicht sehr gut funktioniert." schmunzelt Heese. "Zudem sind 14 Speichertanks mit reinem Sauerstoff, vier Speichertanks mit Helium und eine weitere Tonne an Ausrüstung unterzubringen. Auch wenn die Kapazität der MY "Soul" hinsichtlich einer klassischen Safari für 22 Taucher ausgelegt ist, wir zwar beabsichtigt nur 14 Aktive sind, so stößt auch diese Yacht damit an ihre Grenzen. Wir hätte gerne mehr Helium-Speicher mitgenommen. Die Frage stellt sich jedoch - wo das ganze Zeug lagern?"
So sind dem Team nur wenige tiefere Tauchgänge zu weiteren bereits mittels Sidescansonartechnik georteten Wrack vergangener Expeditionen in der Anzahl möglich und müssen darum sorgfältig ausgewählt und geplant werden.
"Wir habe noch eine durch uns geortete Wrackposition in der Nähe der SS "Rosalie Moller", eine Fischerangabe hinsichtlich eines großen unidentifizierten Frachters zwischen Ras Gharib und Ras Shukeir, wobei es sich nach wie vor um die TS "Shillong" handeln könnte, drei Bohrinselversorger, ein kleineres Wrack im Fahrwasser querab Gubal, na ja, und noch einiges mehr." verrät Rene Heese.
Auf unsere Frage hin, warum er nicht später aufgrund der Vielzahl der noch anstehenden Aufgaben nicht noch ein sechstes Mal fährt antwortet Heese: "Nun, die Welt ist groß! Aufgrund der zunehmenden Öl- und Gasförderung im Gulf of Suez wird es einerseits immer schwieriger genehmigungstechnisch Spots anzufahren respektive mittels Sidescan zu suchen und andererseits sind die Öl- und Gaskonzerne vor Ort nicht unwissend. Das heißt, es gibt nur noch wenige weiße Flecken dort. Außerdem möchte das Team gerne auch mal bei ruhiger See frühstücken."
Uns von Taucher.Net/DiveInside bleibt dann nur noch, dem Team viel Erfolg und eine gesunde Rückkehr zu wünschen.
Links zu Berichten der früheren Expeditionen:
Shillong Expedition IV
Wrackfund im Golf von Suez
Und ewig lockt das Wrack
Jagd auf die Shillong