„Red Sea Aggressor“-Drama: Sicherheit auf Liveaboards gehört auf den Prüfstand!

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08.11.2019 11:39
Kategorie: News

Schlamperei und kein Ende

Das Feuerdrama an Bord des US amerikanischen Tauch-Liveaboards „Conception“, dem in den frühen Morgenstunden des 2. Septembers rund 30 Kilometer vor der kalifornischen Küstenstadt Santa Barbara 34 Taucher zum Opfer fielen, hat offenbar nicht, wie erhofft eine Initialzündung in Sachen „Sicherheit auf Tourenschiffen“ ausgelöst. Anders kann man es sonst nicht erklären, dass knapp zwei Monate später in der Nacht des 1. Novembers in einer ähnlichen Situation in Ägypten vor der Küste wieder ein ankerndes Tauchschiff in Flammen aufging und eine amerikanische Taucherin bei dem Feuer an Bord der „Red Sea Aggressor I“ ums Leben kam. (Ausführlicher Bericht auf Taucher.Net!)

Dass es, anders als im September auf der „Conception“ , nicht zu solch einer verheerenden Katastrophe mit vielen Todesopfern kam, war weniger den funktionierenden Sicherheitssystemen,  noch der Umsicht der Besatzung zu verdanken; es war schlicht und einfach Zufall oder gar Glück!

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Die Katastrophe war vermeidbar

Als die Überlebenden in den folgenden Tagen die Ereignisse rekonstruierten, waren wir in fast allen Punkten einig: die Betreiber des Schiffes hatten in unseren Augen jede nur denkbare Sicherheitsmaßnahme ignoriert. Die Katastrophe wäre vermeidbar gewesen“, lautete das Fazit von Michael Houben, des Verfassers unseres Berichtes der mit seinem Tauchpartner den Flammen an Bord der „Red Sea Aggressor I“ nur knapp entkommen war.

Wieder stellt sich die Frage, wie viel muss noch passieren um den Weckruf nicht nur bis in die Büros der Eigner und Betreiber der vielen hundert Safariboote vordringen zu lassen, sondern auch einmal zu fragen, wie gering eigentlich das Sicherheitsbewusstsein der Gäste und Taucher an Bord dieser beliebten Tauchtouren ist.

Die Mitglieder unseres Redaktionsteams haben schon die eine oder andere Tour an Bord von Liveaboards mitgemacht. Und fast allen sind immer wieder einmal mehr oder weniger umfangreiche Sicherheitsmängel, Schlampereien oder Fehlverhalten von Besatzungsmitgliedern aufgefallen... Unser langjähriger Kollege und Autor Linus Geschke hat alleine in Ägypten bereits 37 Liveaboard-Trips mit gefahren, kennt nahezu alle Routen und zahlreiche Schiffe und sein Resümee fällt ernüchternd aus:

Auf 37 Tauchsafaris im Roten Meer habe ich kein einziges Mal erlebt, dass der Notausgang den Gästen nicht nur gezeigt, sondern auch vorgeführt wurde. Und Rauchmelder? Gibt es! Nur meistens mit leerer Batterie oder direkt ganz ohne."

Wer so etwas wahrnimmt und nicht bemängelt handelt fahrlässig in eigener Sache. Und auch diese Facette muss dringend auf den Prüfstand, denn wer sich  bewusst in Gefahr begibt ohne die Mängelursachen zu rügen, muss sich nicht wundern, wenn er sich plötzlich inmitten eines Dramas wiederfindet, in dem er eigentlich keine Rolle gebucht hatte.

So sieht es auch der erfahrene Liveaboard-Fachmann Linus Geschke: „Wenn ich ehrlich sein soll, war die Freude am Tauchen, der Genuss und die tolle Atmosphäre an Bord einige Male für mich ein Hemmschuh um nicht an vorhandenen Sicherheitsmängeln herumzunörgeln.“ Obwohl nahezu jeder Mitfahrer weiß, dass auf Safarischiffen, egal ob in Fahrt oder vor Anker liegend, nachts Wachen aufgestellt werden müssen, findet diese Sicherheitsmaßnahme meistens nicht statt. "Die einzige wirkliche Nachtwache, die mir auf einem Safariboot je begegnet ist, war ein Mitreisender, der an Schlafstörungen litt", schildert Linus aus seiner Erfahrung.

So soll es nicht nur auf der „Conception“ sondern nach vorliegenden Zeugenaussagen auch auf der „Red Sea Aggressor I“ keine Nachtwache gegeben haben. Viel schlimmer noch: Als die vom Brandgeruch und den Warnrufen von Mitreisenden aufgewachten Gäste an Bord der „Red Sea Aggressor I“ merkten, dass der Hauptausgang wegen des Brandes nicht mehr passierbar war, wurde versucht durch den Notausgang in der Bugkabine durch die Not-Luke auf das Vorschiff zu gelangen. Dass das Öffnen der Luke erst nach erheblichen Kraftanstrengungen gelang, lag nach Zeugenaussagen offenbar daran, dass ein Besatzungsmitglied es sich dort mit seiner Matratze zur Nachtruhe gemütlich gemacht hatte...

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Ermittlungsmaschinerie ist angelaufen

Inzwischen ist die Ermittlungsmaschinerie angelaufen. In Ägypten ermittelt der Distrikt-Staatsanwalt und wie zu hören ist, sind einige Besatzungsmitglieder in Gewahrsam genommen worden. Die ägyptische EAMS – Egyptian Authority For Maritime Safety – ist die genehmigende Behörde und für die wiederkehrenden Überprüfungen und Erneuerungen der Lizenzen und Genehmigungen zuständig. Sie sei auch verantwortlich für die Kontrolle der Sicherheitseinrichtungen an Bord der Schiffe und für die Schulung der Mannschaft, auch für brandbekämpfende Maßnahmen an Bord. Die EAMS hat sich auch in die Ermittlungen eingeschaltet.

In Kairo soll ein Ermittlungsteam des US amerikanischen FBI gelandet sein, das mit Brand- und Sicherheitsexperten den Hergang selbst ermitteln will, denn bei dem einzigen Opfer der Brandnacht soll es sich um eine US amerikanische Veteranin und Botschaftsangestellte handeln.

Der Chairman der CDWS (Chamber of Diving and Watersports), Hesham Gabr, hat uns auf Anfrage erklärt, dass die CDWS sich in dieses Thema nun selbst aktiv mit einschalten und ihre ernsthaften Bedenken hinsichtlich der Effektivität der üblichen behördlichen Überprüfungs- und Schulungsverfahren äußern werde. Hesham Gabr räumt auch ein, dass sich nach den Befragungen der beteiligten Augenzeugen offenbar erhebliche Defizite in verschiedenen Sicherheitsbereichen an Bord des Schiffes offenbart hätten.

Die nun folgenden Ermittlungen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit noch weitere Details ans Tageslicht bringen, denn anders als von Behördenseite zunächst mitgeteilt, liegt das Wrack der ausgebrannten „Red Sea Aggressor I“ nicht auf 200 Metern Tiefe, sondern auf einem Riffplateau in sporttauchrelevanten Tiefen. Taucher eines Tagesbootes berichteten, dass sie weit verstreute Wrackteile eines Schiffes mit deutlichen Brandspuren und geplatzte Tauchflaschen gesichtet hätten...

Wir von Taucher.Net werden uns noch intensiver in diesen Bereich der Tauchsicherheit einmischen und unsere Finger weiter in die Wunden der Sicherheitsschlamperei hineinlegen. In unseren Datenbanken sind  rund 450 Liveaboards gelistet, die in mehr als 5000 Berichten von unseren Usern bewertet wurden. Da dreht es sich oft um Komfort, die Qualität des Essens und die Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit der Mannschaft und natürlich auch um die Tauchgebiete. Wir möchten euch nun bitten, uns eure speziellen Erfahrungen und Eindrücke zur Sicherheit auf Safaribooten mitzuteilen. Schreibt uns eure Beobachtungen und Bewertungen entweder per Mail (liveaboard@taucher.net) oder direkt über das folgende Formular in unsere Datenbank oder via Facebook Mail auf Taucher.Net. Wir werden eure Bemerkungen und Notizen sichten um uns ein genaueres Bild zu machen und dann ausführlich berichten. Eure Anmerkungen werden dann auch allen Taucher.Net Lesern in unserer Datenbank bei den Liveaboards zur Verfügung gestellt. Es ist Zeit, für eine Aufarbeitung und für mehr Sicherheit! Macht mit, seid dabei....   (hap)

Weitere Informationen
Conception Bericht:
https://taucher.net/diveinside-34_todesopfer_bei_naechtlichem_brand_auf_tauchschiff____conception____vor_kaliforniens_kueste-kaz8055

Conception Nachbericht:
https://taucher.net/diveinside-voruntersuchung_abgeschlossen__neue_details_zum____conception___-desaster-kaz8066


Red Sea Aggressor I  Bericht:
https://taucher.net/diveinside-aegypten_-_feuer_auf_safarischiff__der_untergang_der_red_sea_aggressor_1_-kaz8118