Urteil gegen Münchner Tauchlehrer nach tödlichem Tauchunfall im Walchensee

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27.11.2017 11:40
Kategorie: News

„Man lässt niemanden unten!“

Ein Tauchunfall lässt sich zumeist auf eine Kette von Fehlern zurückführen. So auch ein tragischer tödlicher Tauchgang im Walchensee Ende Juli des vergangenen Jahres, der nun mit einem Aufsehen erregenden Urteil seinen vorläufigen strafrechtlichen Abschluss fand. Das Amtsgericht Wolfratshausen verurteilte einen 27jährigen Münchner Tauchlehrer wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe in Höhe von 3.150 Euro.

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Der tödlich verunglückte 34jährige aus Wien stammende Vater von zwei Kindern war am 31. Juli 2016 mit seiner 35jährigen Lebensgefährtin unter Führung einer Münchner Tauchschule zu einem begleiteten Tauchgang an den Walchensee aufgebrochen. Die 35jährige wollte ein Weihnachtsgeschenk ihres Vaters einlösen, der ihr einen geguideten Tauchgang im Walchensee als Gutschein geschenkt hatte. Der Wiener Lebensgefährte wollte den 27jährigen Tauchlehrer und seine Freundin auf diesem Tauchgang begleiten.

Die Staatsanwaltschaft hatte in der Anklage eine ganze Reihe von Nachlässigkeiten und Fehlern dargelegt, die am Ende mit für den fatalen Ausgang dieses Ausflugs, der hinab bis auf über 30 Meter Tiefe führte, sorgten. Staatsanwältin Sandra Hagenfeldt, die selbst über Taucherfahrung verfügt, legte dem Gericht dar, dass der verunglückte Taucher keinerlei Bergseeerfahrung hatte und vor dem Walchenseetauchgang erst 25 Tauchgänge in Kroatien bei sommerlichen Temperaturen und guter Sicht unternommen hatte. Zudem haben sowohl die Tauchschule als auch der begleitende Tauchlehrer es unterlassen, dem unerfahrenen Tauchpärchen über die besonderen Gefahren des Bergseetauchens aufzuklären und für eine angemessene Ausrüstung zu sorgen.

Die Tauchschule sei von der Lebensgefährtin darauf hingewiesen worden, dass der Luftverbrauch ihres Lebensgefährten überdurchschnittlich hoch sei. Zudem waren die bestellten 12-Liter Tauchflaschen von der Tauchschule nicht mitgebracht worden, sondern der Tauchgang lediglich mit Zehnern durchgeführt worden. Der unerfahrene Wiener Taucher war auch nur unzureichend gegen die Kälte des Bergsees geschützt (5mm-Einteiler) und mit viel zu viel Gewicht im Jacket auch deutlich überbleit gewesen.

Fataler Verlauf des Tauchgangs

So nahm der Tauchgang seinen fatalen Verlauf, als das Tauchpaar dem Tauchlehrer nach Erreichen der 30 Meter-Marke anzeigte, auftauchen zu wollen, weil nämlich der Luftvorrat des Wiener Tauchers zu niedrig war. Die aufkeimende Panik sorgte für einen zu schnellen Aufstieg und der Tauchlehrer, der diesen kritischen Verlauf offenbar nicht sofort bemerkte, bekam das Pärchen erst auf circa 10 Metern Wassertiefe zu fassen und versuchte einen weiteren Notaufstieg zu verhindern. Die fatale Kausalkette aus Fehlern und panischem Verhalten führte dann dazu, dass das Trio, das sich gegenseitig zusammenhielt wieder absackte und in die Tiefe taumelte. Die Frau konnte sich befreien und leitete wieder ihren Aufstieg ein. Der angeklagte Tauchlehrer beließ den in Panik befindlichen Bergseeinsteiger nach Rekonstruktionen auf 33 Metern und begann seinen eigenen, schon  von „Todesängsten“ begleiteten Notaufstieg. Der Anfänger verblieb allein in der Tiefe und konnte später nur noch tot geborgen werden.

Ungewöhnlich deutlich wurde der vorsitzende Richter Helmut Berger. Eine der obersten Regeln beim Tauchen laute: “Man lässt niemanden unten!“ Das sei ein absolutes „No-Go“, warf der Richter dem angeklagten Tauchlehrer vor. Außerdem können man nicht jemanden bei seinem ersten Tauchgang in einem Bergsee auf 33 Meter Tiefe loslassen. Zu seiner Entschuldigung führte der junge Tauchlehrer, der diesen Job nur nebenher während seines Studium ausübt, an, dass es ihm nicht gelungen sei, den von Panik befallenen Tauchgast zu beruhigen. Er habe dann, inzwischen selbst auch von Todesangst befallen, seinen eigenen Aufstieg eingeleitet und den Tauchgast in der Tiefe belassen.

Richter Berger mochte diese Einlassungen nicht als Entschuldigung gelten lassen und folgte nicht dem Antrag der Verteidigung, die auf Freispruch plädiert hatte. Sein Strafmaß mit 90 Tagessätzen à 35 € lag dennoch wesentlich unter den von der Staatsanwältin geforderten 240 Tagessätzen à  40 Euro.

Welche Folgen dieses Urteil für den Tauchsport hat und welche haftungsrechtlichen Konsequenzen sich hieraus möglicherweise ergeben, muss nun wohl dringend einmal näher beleuchtet werden. Denn nicht nur die Sorgfaltspflichten von professionell agierenden Tauchbasen und Tauchlehrern während ihrer Dienstleistungen gegenüber ihren zahlenden Gästen müssen nach diesem Urteil genauer definiert werden. Auch mögliche straf- oder gar zivilrechtliche Folgen für besonders qualifizierte Taucher, wie etwa Divemaster oder Tauchlehrer, die als nicht gewerblich agierende Taucher zum Beispiel an Tauchgängen mit Anfängern oder weniger qualifizierten Tauchern im Rahmen von Gruppentauchgängen während des Urlaubs oder der Freizeit teilnehmen, sollten nach diesem Urteil einmal näher beleuchtet werden. Wie weit Sorgfaltspflichten von qualifizierteren Tauchern gegenüber Anfängern und Einsteigern auch bei  nur gelegentlichen, eher zufälligen Tauchbegegnungen reichen, ist eine wichtige Frage, die im Falle eines Zwischenfalls den späteren Haftungsrahmen deutlich vergrößern könnte. Hier sind nun die Juristen gefragt (hap).


3.150,- € für ein Menschenleben...


In der Bevölkerung und insbesondere bei den Angehörigen der Opfer stößt die erkannte Strafe oft auf Unverständnis, weil sie viel zu milde erscheint. Der Ruf nach härteren Strafen bei Tötungsdelikten bleibt daher nicht aus.

Der Richter ist bei der Bemessung der Strafe an Recht und Gesetz gebunden. So schreibt der Tatbestand der fahrlässigen Tötung einen Strafrahmen zwischen Geldstrafe und Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren vor. In diesem Rahmen hat das Gericht sich zu bewegen. Das Ermessen ist hierbei recht groß, jedoch gibt § 46 StGB einige Strafzumessungskriterien vor, die gegeneinander abzuwägen sind. Die individuelle Schuld des Täters bildet stets die Grundlage für die Strafzumessung. Das Gericht muss also prüfen, was dem Täter in der konkreten Situation vorgeworfen werden kann und was nicht. Deswegen gibt es keine bestimmte Strafe für ein bestimmtes Delikt, die zwingend zu verhängen wäre.

Zu Lasten des Tauchlehrers wirkte sich sicherlich die mangelnde Kontrolle der Ausrüstung und das Zurücklassen des Opfers in der Tiefe aus. Ein Mitverschulden des Opfers wurde offenbar strafmildernd berücksichtigt. Was jedoch die genauen Grundlagen der Strafzumessung waren, lässt sich indes nur aus der Hauptverhandlung bzw. den schriftlichen Urteilsgründen entnehmen. Pauschale Behauptungen über die Rechtmäßigkeit der verhängten Strafe sind ohne Kenntnis der genauen Abwägungsgründe daher fehl am Platz. (cn RA)