Tiefseebergbau als Gefahr für Ökosystem

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01.06.2023 12:07
Kategorie: News

Tausende Arten in potentiellem Abbaugebiet

Im Meer zwischen Hawaii und Mexiko gibt es viele wertvolle Minerale. Die Region ist daher das Ziel zahlreicher Abbauvorhaben. Forscher und Forscherinnen möchten davor aber die Auswirkungen des Tiefseebergbaus besser verstehen. Ein britisches Team hat nun erhoben, welche Tiere dort leben. Sie fanden über 5.500 Arten – rund 90 Prozent waren sogar für die Wissenschaft neu.

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Der Wunsch nach Klimaneutralität treibt die Forschung im Bereich aufladbare Batterien voran. Die Anzahl der Länder die auf solche Technologien setzen wird auch immer länger. Der „Hunger“ nach u.a Kobalt steigt unaufhaltsam und die polymetallischen Knollen der Tiefsee werden immer interessanter für den industriellen Abbau.

Eine Meeresregion, die aufgrund ihrer vielen polymetallischen Knollen für die Industrie besonders interessant ist, ist die Clarion-Clipperton Zone (CCZ). Dabei handelt es sich um ein rund 7.000 Kilometer langes Gebiet im Zentralpazifik, das zwischen Hawaii und Mexiko liegt. In den Knollen ist neben Mangan und Eisen unter anderem auch oft Kobalt, Nickel und Kupfer enthalten.

Derzeit ist es der Industrie nicht gestattet, Rohstoffe in Regionen abzubauen, die keiner nationalen Hoheitsgewalt unterliegen. Da das in der CCZ der Fall ist, werden Abbau-Vorhaben von der internationalen Meeresbodenbehörde (ISA) reguliert. Tatsächlich abgebaut wird dort derzeit noch nichts, in den kommenden Jahren könnte sich das aber ändern.

Die ISA hat mittlerweile bereits 17 Verträge abgeschlossen, die es bestimmten Unternehmen erlauben, die Mineralvorkommen in rund 1,2 Millionen Quadratkilometern der Region zu erkunden. Es könnte bereits diesen Sommer dazu kommen, dass ein Unternehmen tatsächlich eine Abbaulizenz erhält. Es wird dann aber noch eine gewisse Zeit dauern, bis die Rohstoff-Förderung startet; Teile der Clarion-Clipperton Zone könnten aber schonrecht kurzfristig zu industriellen Abbaugebieten werden.

Siehe auch: taucher.net/diveinside-jahrestagung_der_isa

Unbekanntes Ökosystem

Befürworter des Tiefseebergbaus sehen eine potenziell geringere Belastung für die Umwelt im Vergleich zum Rohstoffabbau an Land. Dass der Tiefseebergbau ebenfalls schädlich für die Umwelt und insbesondere das dortige Ökosystem ist, ist zwar an sich unumstritten, wird oft aber als weniger relevant dargestellt. Welche negativen Folgen die industriellen Eingriffe am Meeresboden nach sich ziehen können ist mangels praktischer Erfahrung für niemand klar ersichtlich.

Erkundungen der Mineralvorkommen gibt es seit Jahrzehnten. Im Bereich des CCZ wird seit den frühen 1970er-Jahren eine regelmäßige Analyse der Bodenschätze durchgeführt. Im Gegensatz dazu gibt es aber erst seit wenigen Jahren auch Bemühungen, die Artenvielfalt und Biodiversität solcher Areale zu untersuchen.

Ein Forschungsteam untersuchte nun die bisher gesammelten Informationen zur Artenvielfalt in der CCZ fasste diese zusammen. Ihre Resultate präsentieren die Wissenschaftler in einem Bericht im Fachjournal „Current Biology“. Das Team nutzte hierbei sieben Datenbanken und analysierte über 100.000 Aufzeichnungen von Lebewesen, die in den früheren Expeditionen in der CCZ angetroffen wurden. Insgesamt fanden die Forscher dabei Hinweise auf mehr als 5.500 verschiedene Tierarten. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die bisher gefundenen Arten nur einen Teil der gesamten Vielfalt in der CCZ darstelle. Laut ihnen sei es wahrscheinlich, dass es dort insgesamt rund 6.000 bis 8.000 Tierarten gibt.

Besonders stark sind Gliederfüßer, Würmer, Stachelhäuter und Schwämme in den Aufzeichnungen vertreten. Aber auch zahlreiche Fisch- und Seegurkenarten wurden gezählt. „Die Biodiversität in der CCZ ist extrem beeindruckend“, so die Forscher.

Nur sechs der ohnehin bereits bekannten Tierarten in der CCZ kamen auch in anderen Gebieten vor – darunter etwa bestimmte Seegurkenarten. Was die Forscher überraschte: Rund 90 Prozent aller gefundenen Tierarten waren auch der Wissenschaft komplett neu. „Der Großteil der Biodiversität in der CCZ ist aus wissenschaftlicher Sicht noch komplett unbeschrieben“, erläutern die Forscher. Weiter schließen sie, dass alleine die bisher viel zu wenig stattgefundene Forschung in diesem Bereich der primäre Grund für das Auffinden so vieler neuer Tierarten sei.

Bevor der Meeresgrund industriell vereinnahmt wird, sind noch viele Untersuchungen notwendig. Andernfalls steigt die Gefahr von irreversiblen Schädigungen solcher Tiefseezonen mit noch nicht klar ersichtlichen Folgen.

Weitere Informationen zum Thema:
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