Jahrestagung der ISA (2023)

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05.04.2023 18:02
Kategorie: News

Moratorium für Tiefseebergbau gefordert

Am 31.März des Jahres endete die Frühjahrssitzung des Rates der Internationalen Meeresbodenbehörde (ISA). Sie fand in diesem Jahr auf Jamaica statt.  Es gibt zumindest einen positiven Aspekt über den wir berichten können: die wachsende Anzahl von Staaten, die ein Moratorium oder eine vorsorgliche Pause für Tiefseebergbaupläne fordern machen Hoffnung.

Der anhaltende Druck einiger Staaten und einzelner Unternehmen, mit dem Tiefseebergbau zu beginnen sowie die mangelnde Neutralität des ISA-Sekretariats erfüllen dagegen mit großer Sorge.

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Der WWF zum Beispiel kritisiert stark, dass sich der Generalsekretär der ISA vermehrt in Entscheidungsprozesse einmischt und Position bezieht. Über diese mangelnde Neutralität des ISA-Sekretariats beschwerten sich im Laufe der Sitzung u.a. auch Deutschland und Costa Rica. „Der Generalsekretär hat seine Neutralität zu bewahren und keinen Einfluss zu nehmen auf die Beratungen in der Meeresbodenbehörde“, so Tim Packeiser, Meeresökologe beim WWF.

Tiefseebergbau ist eine vermeidbare Umweltkatastrophe

Mühsam wird versucht die Schäden des Rohstoffabbaus an Land einzudämmen. Die Ausbeutung der noch weitestgehend unberührten Tiefseelebensräume darf nicht der nächste Schritt sein. Ein Moratorium für Tiefseebergbau, bis ausreichend wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen und nachgewiesen ist, dass ein Abbau von mineralischen Ressourcen in der Tiefsee ohne Schäden der Meeresumwelt durchgeführt werden kann, ist dringend notwendig.

Es macht durchaus Hoffnung, dass sich neben zahlreichen Nichtregierungsorganisationen auch Chile, Costa Rica, Ecuador, die föderierten Staaten von Mikronesien, Fidschi, Frankreich, Deutschland, Neuseeland, Palau, Panama, Samoa, Spanien und erstmals Vanuatu und Finnland für ein Moratorium aussprachen welches eine vorsorgliche Pause oder ein Verbot von kommerziellen Tiefseebergbauaktivitäten formuliert.

Die Stimmung auf Jamaica ist angespannt, nachdem der pazifische Inselstaat Nauru im Jahr 2021 die so genannte Zwei-Jahres-Regel ausgelöst hat. Diese besagt, dass die ISA nach Ablauf von zwei Jahren einen Antrag auf Tiefseebergbau prüfen und ggf. genehmigen muss, selbst wenn innerhalb dieser Frist das Regelwerk für den Abbau von mineralischen Ressourcen (der sog. „Mining Code“) noch nicht final verabschiedet ist. Diese Frist läuft nun im Juli aus.

Unter entsprechendem Zeitdruck versuchen die 36 im Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde vertretenen Staaten die Verhandlungen über das Regelwerk zu finalisieren. Doch auch zum Ende der Frühjahrssitzung bleiben zahlreiche Fragen ungeklärt. Parallel wird weiterhin debattiert, wie der Rat mit einem potenziellen Antrag auf Abbau von Ressourcen umgehen sollte, wenn der Mining Code zum Zeitpunkt einer Antragstellung noch nicht vereinbart wurde.

Als Hoffnungszeichen wertet der WWF, dass sich zahlreiche Staaten im Rahmen der Sitzung dafür ausgesprochen haben, auch nach Ablauf der 2-Jahres-Frist keine Tiefseebergbauanträge zu genehmigen, sofern noch kein Regelwerk vorhanden ist, welches den effektiven Schutz der Meeresumwelt gewährleistet

Keine Einigung auf gemeinsame Linie

Deutlich weniger positiv äußert sich Greenpeace-Meeresexperte Till Seidensticker der auch vor Ort war und als Beobachter ab den Sitzungen teilgenommen hatte: „Die beteiligten Staaten werden sich voraussichtlich nicht auf eine gemeinsame Linie im Umgang mit Abbau-Anträgen der Tiefseebergbauindustrie einigen können. Damit ist es Unternehmen juristisch möglich, Abbauanträge schon vor der nächsten Ratssitzung im Juli zu stellen, bei der die Staaten immer noch ein Moratorium beschließen könnten. Am 9. Juli 2023 läuft die Zweijahresfrist ab, die der Inselstaat Nauru als Antragsteller stellvertretend für das Unternehmen ‚The Metals Company‘ ausgelöst hat. Gibt es kein Moratorium, können Abbau-Anträge künftig auf Grundlage unvollständiger Regularien gestellt werden.

Die ökologischen Folgen von Tiefseebergbau wären dramatisch. Er würde den Meeresboden zerstören, mit verheerenden Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Wenn die ISA-Staaten jetzt nicht handeln, wäre das ein großer Rückschlag für den Meeresschutz und würde dem Zweck des Anfang März beschlossenen UN-Hochseeschutzabkommens widersprechen.

Die derzeit geltenden Regelungen des Seerechtsübereinkommens sind 40 Jahre alt und nicht mehr zeitgemäß. Für einen wirksamen Schutz der Meere braucht es dringend einen neuen regulatorischen Rahmen, der die Ausbeutung der Tiefsee verhindert. Die Meere dürfen nicht durch die Interessen einzelner Konzerne gefährdet werden.

Ein Moratorium, das die Weichen für ein dauerhaftes Verbot für den Tiefseebergbau stellt, ist dringend erforderlich. Die Staaten müssen sich ihrer Verantwortung für den Meeresschutz bewusst werden und rechtzeitig handeln. Es bleibt zu hoffen, dass auf der nächsten Sitzung eine deutliche Mehrheit für diese zukunftsweisende Entscheidung herbeigeführt werden kann.

Tiefseebewohner auf der „Roten Liste“

Welche Bedrohungen für einzelne Arten durch alleine die aktuelle Belastung der Tiefsee einhergeht kann über die Rote Liste der IUCN nachgelesen werden. Die Weltnaturschutzorganisation (IUCN) hatte bereits im Juli 2019 ein Update der bedrohten Arten veröffentlicht. Als bedroht eingestuft hier u.a. ein Tiefseebewohner: die Schuppenfußschnecke. Die einzigartige Tiefsee-Schnecke kommt in Tiefen von 2.400 bis 2.800 Metern vor. Diese Schneckenart ist eine einzigartige Art mit eisenhaltigen Schuppen, die nur an hydrothermalen Quellen des Indischen Ozeans nachgewiesen wurde.

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Das wachsende Interesse an der Gewinnung von Meeresbodensulfid hat dazu geführt, dass sich zwei dieser drei hydrothermalen Quellen (Kairei und Longqi) in Gebieten befinden, für die die Internationale Meeresbodenbehörde Bergbauerkundungslizenzen vergeben hat. Der beengte Lebensraum der Schuppenfußschnecke muss daher als bedroht gelten – ein Grund, die Art in die Rote Liste aufzunehmen. Der drohende Tiefseebergbau führt somit erstmals zur Unter-Schutz-Stellung einer Art.

Die Ergänzung der Roten Liste dient als wichtige Fallstudie, die zeigt, wie die Rote Liste der IUCN zur Erhaltung der Tiefsee genutzt werden kann, die bisher weitgehend unerforscht ist.

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