Kategorie: Medizin
Immer wieder werden Tauchmediziner über die Unbedenklichkeit des Tauchens während einer Schwangerschaft befragt und um die Ausstellung eines Attests zur Tauchtauglichkeit gebeten. Die Antwort ist ein kurz und bündiges: NEIN! Die ausführliche Erläuterung lesen sie im nachfolgenden Bericht.
Bericht von Anke Fabian
Vom Zeitpunkt des Bekanntwerdens einer Schwangerschaft besteht absolutes Tauchverbot!
Der Grund: Niemand kann mit Sicherheit ausschließen, dass Tauchen während der Schwangerschaft zur Schädigung des Fetus / Embryos führt oder sogar zum Abort des Babys.
Das Tauchverbot basiert jedoch zugegebenermaßen auf theoretischen Überlegungen und retrospektiven Beobachtungen. Studien mit schwangeren Frauen sind aus ethischen Gründen indiskutabel.
Bei Tierversuchen konnte bei einer Tierart eine erhöhte Rate von Missgeburten und Fehlbildungen nachgewiesen werden, dies war jedoch bei anderen getesteten Tierarten nicht der Fall.
Es liegen sicherlich viele Fallberichte über Taucherinnen vor, die während der gesamten Schwangerschaft normal getaucht sind und völlig gesunde Säuglinge entbunden haben. Dennoch sollte man sich darauf nicht berufen oder gar verlassen.
Die Gefahren
Die theoretischen Überlegungen basieren auf den Kenntnissen über die Funktion des fetalen Kreislaufs.
Der Fetus oder Embryo wird ausschließlich über die mütterliche Nabelschnur versorgt und erhält durch sie alle Nährstoffe sowie den lebensnotwendigen Sauerstoff. Die fetalen Lungen sind vor der Geburt noch nicht entfaltet.
Das Blut wird fast vollständig an der Lunge vorbeigeleitet. Der Umgehungskreislauf erfolgt einerseits über das offene Foramen ovale (ovales Loch) zwischen dem rechten und linken Herzvorhof (siehe auch Bericht/Fallstudie: Was ist ein PFO) und andererseits über den so genannten Ductus arteriosus Botalli, einem Gefäßkurzschluss zwischen den beiden großen ab- und zuführenden Gefäßen der Hauptkammern des Herzens.
Durch diese beiden Shunts können Gasblasen oder Microbubbles mit Leichtigkeit ungehindert von dem venösen Schenkel auf die arterielle Seite übertreten.
Die durch Dekompression entstehenden Stickstoffblasen bilden sich zunächst im mütterlichen Blut und werden durch die Nabelschnur in den kindlichen Kreislauf transportiert. Die Plazenta (Mutterkuchen) stellt zwar einen natürlichen Filter dar, kann jedoch bei überkritischer Sättigung versagen. Stickstoffembolien der Plazenta oder des Fetus sind somit theoretisch möglich.
Zudem könnte auch eine Aufsättigung des Kindes beim Auftauchen zur Blasenentstehung führen, welche bei vorliegendem Shunt (Kurzschluss) zwischen venösem und arteriellem System fatal sein könnte.
Eine sichere Tauchtiefe gibt es nicht. Gasblasen sind zwar bei flachen Tauchgängen eher unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Zudem ist völlig unklar auf welche Weise sich eine eventuell notwendige Rekompressionstherapie der Mutter nach einem Tauchunfall auf das ungeborene Kind auswirken würde.
Paare mit Kinderwunsch, sollten in der Zeit der Nachwuchsplanung keinen Tauchurlaub buchen. Wurde während der Schwangerschaft trotzdem getaucht und ist die Schwangerschaft intakt, besteht kein Grund zum Abbruch der Schwangerschaft.
Nach der Geburt und Stillzeit
Nach der Geburt ist die Tauchtauglichkeit dann wieder gegeben, wenn der Wochenfluss und die Wundheilung (Dammriss- oder schnitt, Kaiserschnitt) abgeschlossen sind und die Mutter sich wohl und erholt fühlt.
Durch die Schwangerschaft und den Geburtsvorgang sind der Beckenring, die Schambeinfuge, Beckenboden und die Bänder noch gelockert und gedehnt. Die Handhabung der schweren Ausrüstung könnte eine Blasensenkung begünstigen. Beim Heben von Flaschen und Bleigurten sowie beim Anziehen der Tarierweste ist somit die Hilfe des stolzen Vaters sehr willkommen.
Während der Stillzeit kann durchaus getaucht werden. Stickstoffblasen sind zwar gut fettlöslich und lösen sich hervorragend in der Muttermilch, werden allerdings bereits beim Saugvorgang weitgehend entsättigt.
Eine weitere Entsättigung erfolgt dann im kindlichen Magen. Schädigungen durch übertretende Stickstoffblasen sind damit ausgeschlossen. Die weit offenen Milchkanäle jedoch stellen eine Eintrittspforte für Keime dar, weswegen eine peinlich genaue Hygiene eingehalten werden muss.
Bei Mastitis (Brustentzündung) gilt ein absolutes Tauchverbot.
Desweiteren ist es extrem wichtig auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten, da die Mutter beim Stillen einen erheblich gesteigerten Flüssigkeitsbedarf hat. Im Falle eines Rückganges der Milchproduktion liegt meist ein Flüssigkeitsdefizit vor.
Frauentauchen
Eine Übersicht über die Besonderheiten der weiblichen Physiologie und den Einfluss auf das Tauchen haben wir im Bericht "Frauentauchen" dargestellt.
Resümee
Trotz fehlender eindeutiger wissenschaftlicher Nachweise ist vom Tauchen während der Schwangerschaft abzusehen. Eine neunmonatige Tauchpause ist sicherlich nicht so gravierend wie eine kindliche Fehlbildung oder ein Abort. Die Verantwortlichkeit, die wir unseren ungeborenen und geborenen Kindern gegenüber besitzen, sollte den eigenen Tauchwunsch deutlich überschreiten, zumal die Tauchpause zeitlich absehbar und begrenzt ist.