Kategorie: Reise
Tief im Westen
Die Eifel – das ist atemberaubende Landschaft, erloschene Vulkane und die schönste Rennstrecke der Welt. Für die einen ist die Gegend der Wilde Westen der Republik, für die anderen ein Ort, an dem man nicht tot über dem Zaun hängen will. DiveInside machte sich auf den Weg, nicht nur zum Tauchen: Eine Tour durch zwei Seen, zur Krimihauptstadt Deutschlands und einem Monument dunkler Vergangenheit.
Bericht von Linus Geschke
Von Gemünd aus windet sich die Bundesstraße 266 ein Hochplateau hinauf. Hat man das kleine Örtchen Morsbach passiert hat, zweigt kurze Zeit später von einem Kreisverkehr eine unscheinbare Stichstraße ab. Sie führt geradewegs zu einem Ort, der erst seit 2006 der Öffentlichkeit zugänglich ist und der heute eines der wuchtigsten Zeugnisse nationalsozialistischer Indoktrination darstellt: die NS-Ordensburg Vogelsang.
Besuchern fällt die Orientierung zunächst schwer. Zu groß, zu unübersichtlich erscheint das Gelände, zu verwinkelt die Bauten. Wer faul ist, bucht eine Rundfahrt mit der hinter dem Eingang bereitstehenden Pferdekutsche. Die meisten Gäste jedoch schließen sich geführten Rundgängen an, auf denen Referenten die interessantesten Stellen erklären. Referenten, so heißen die Guides hier – „Führer“ mag sich in Vogelsang keiner nennen. Unter der Leitung von Robert Leys "Deutscher Arbeiterfront" (DAF) entstand ab 1934 auf dem Eifeler Höhenrücken eine von drei fertiggestellten Kaderschmieden, in denen der Nachwuchs der NSDAP ideologisch ausgebildet werden sollte. Neben Vogelsang gab es eine weitere in Krössinsee (ehemals Pommern) und eine in Sonthofen im Allgäu, die bis heute als Bundeswehrkaserne in Gebrauch ist. Vor allem Sport, Rassenkunde und Geopolitik dominierten den Unterricht. Anfangs rund 500, später dann bis zu 1000 "NS-Junker" wurden in den karg ausgestatteten "Kameradschaftshäusern" von Vogelsang untergebracht. Bei Kriegsausbruch übernahm die Wehrmacht dann zwischenzeitlich den Komplex - zunächst bei Beginn des Westfeldzuges, später dann im Rahmen der Ardennenoffensive.
Selten treten die Unterschiede zwischen Nationen so zum Vorschein wie beim Besuch einer Stätte, die aus dem Nationalsozialismus stammt. Während Engländer sich laut Aussage der Referenten meist pragmatisch mit dem Komplex auseinandersetzen und Amerikaner in erster Linie daran interessiert sind, wie oft denn der "German Führer" in Vogelsang war, versuchen viele Deutsche fast entschuldigend, eine politisch korrekte Erklärung für ihr Interesse mitzuliefern. Man "fühle sich der Vergangenheit verpflichtet", möchte "gegen das Vergessen angehen" und sieht sich abgestoßen "vom Größenwahn und Menschenbild jener Epoche". All dies mag im Einzelfall auch stimmen, doch erklärt es nicht den Ansturm von gut 800.000 Besuchern, den Vogelsang seit der Öffnung am 1. Januar 2006 verzeichnen konnte. Den Reiz, den ein fast im Originalzustand befindlicher Komplex aus dem Dritten Reich ausübt, mag kaum jemand als Grund gelten lassen. Vogelsang ist - anders als anfangs von vielen befürchtet – dennoch nicht zur Wallfahrtsstätte für Rechtsextreme geworden. "Wir haben mit unserer Hausordnung eine gute Handlungsgrundlage im Umgang mit Neonazis gefunden", sagt ein Sprecher. Außerdem ist man "gut mit dem Staatsschutz und der örtlichen Polizei vernetzt".
Der einmalige Zustand, in dem sich das Areal heute präsentiert, ist weitestgehend dem sensiblen Umgang der belgischen Armee mit dem geschichtsträchtigen Komplex zu verdanken. Nach einer kurzen Übernahme durch die Briten zogen sie 1950 auf das Gelände und behielten es als "Camp Vogelsang" bis zu ihrem Abrücken Ende 2005. Ein paar Relieffiguren sind beschädigt, die Hakenkreuze wurden entfernt und Beschriftungen abgeändert - ansonsten wirkt das Gelände wie eine Zeitkapsel, die fast sieben Jahrzehnte unbeschadet überstanden hat.
Vogelsang ist ein schwieriger Ort, er erschließt sich einem nicht von selbst. Die Bilder, die man von den Zuständen in Konzentrationslagern oder von Bühnen nationalsozialistischer Propaganda wie dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg im Kopf hat, wollen sich hier nicht einstellen. Vogelsang ist erklärungsbedürftig als Sinnbild einer Ideologie. An keiner Stelle wird das deutlicher als auf einer kleinen, von Mischwald umgebenen Lichtung am Rande des Geländes, auf der der "Fackelträger" steht. Fünf Meter misst die Skulptur, die augenscheinlich schon als Zielscheibe für Schießübungen gedient hat. Ein in Stein gehauener Übermensch, jeder Muskel definiert, die linke Hand zur Faust geballt, die rechte fest um eine Fackel geschlossen: exemplarisch für eine "Herrenrasse", deren Saat hier einst gepflanzt werden sollte.
Tiefe Eifelperle
Von Vogelsang und seiner düsteren Historie ist es nicht weit bis zum Rursee; einem Stausee von über zehn Kilometern Länge mit rund 200 Millionen Kubikmeter Inhalt. Der gut 65 Meter tiefe See ist das offizielle Ausbildungsgewässer des Tauchsportverbandes Nordrhein-Westfalen (siehe "Weitere Informationen"). Es gibt zwei ausgewiesene Tauchplätze, beide in der Nähe des Badestrandes Eschauel, die auf die wenig originellen Namen Bank 1 und Bank 2 hören – und beide haben es in sich.
Nahezu senkrecht fällt die Steilwand an Bank 1 ab. Im Einstiegsbereich ist die Sicht häufig noch trübe, ab zehn Meter Tiefe klart es auf, dann reicht der Blick auch mal 15 Meter in die Ferne. Auf dem schroffen Schiefergestein hat sich nur wenig Bewuchs angesiedelt. Ab und zu kommt man an versunkenen Baumstämmen vorbei und fühlt sich ansonsten wie ein Drachenflieger, der inmitten einer dunklen Bergschlucht in die Tiefe segelt. Je nach Wasserstand zeigt der Computer unten rund 45 Meter Tiefe an. Es ist ein Platz, der einzig und alleine von seiner dramatischen Topografie lebt. Die Formationen, die Einkerbungen und Überhänge, all dies ist so spektakulär, dass die fehlenden Fische kaum auffallen. Man fühlt sich wie der Entdecker von Mittelerde, bevorzugt dem dunklen Land Mordor, was der Farbe des Schiefers geschuldet ist. Bank 1 ist – man traut es sich kaum noch, das zu sagen – ein nahezu perfekter Spot für Tiefenjäger, die dafür mindestens ein 3-Stern-Brevet brauchen, wenn sie sich nicht in Begleitung eines Tauchlehrers befinden.
Bank 2 reicht ebenfalls bis in 40 Meter Tiefe, nur, dass die Wände dort bei weitem nicht so steil abfallen. Hier gilt die 4-Sterne Regel. Vielleicht ist Bank 2 sogar der schönere Tauchplatz; der mit mehr Fisch ist er auf alle Fälle. In den Schluchten lauern kapitale Hechte, man sieht zahlreiche Barsche durch die flacheren Regionen ziehen und ab und zu einen Zander. Auf der rechten Seite führt eine strukturell interessante Felsformation weit in den See hinaus, an der sich, glaubt man anderen Tauchern vor Ort, oft auch Karpfen blicken lassen. Die Sichtweiten sind hier ebenso recht gut, gemessen an dem, was deutsche Seen ansonsten zumeist bereithalten. An beiden Plätzen ist das Tauchen ausschließlich an Feiertagen und am Wochenende erlaubt, dafür gibt es dann einen besonderen Service: Nachdem man sein Auto auf dem großen Parkplatz abgestellt und sich beim Diensthabenden angemeldet hat, wird einem das Tauchequipment per Shuttlebus direkt bis an den Einstieg gebracht – völlig kostenlos. Überhaupt ist der Rursee fürTaucher ein günstiges Gewässer: Die Tageskarte kostet 5,50 Euro, die Saisonkarte 40 Euro. Da kann man dann gut damit leben, dass beide Einstiege nicht befestigt sind und gerade bei niedrigen Wasserständen ein wenig Kletterei notwendig ist.
Der Rursee ist der perfekte Ausgangsort, um die nördliche Eifel zu erkunden. Rund um den eine gute halbe Stunde von Aachen entfernt liegenden Stausee wimmelt es vor Gästepensionen, Ferienwohnungen und Hotels, die in ihrem Charme an manches norddeutsche Seebad erinnern. Oder man nächtigt in Hillesheim, rund 40 Kilometer entfernt – in einem der originellsten Hotels, die es bundesweit zu finden gibt.
Krimihauptstadt Deutschlands und der „A1-See“
Eifel-Krimis; als Bücher, im Fernsehen, als Hörspiel – in der Region ist Mord zum Exportschlager geworden und das Städtchen Hillesheim hat sich komplett darauf eingestellt. Es gibt Krimibuchhandlungen, ein Krimimuseum, das „Café Sherlock“ mit zahlreichen Ausstellungsstücken und ab und zu laufen Menschen in Sträflingskleidern durch den Ort, die im Rathausgefängnis eine Übernachtung gebucht haben. Das Highlight ist jedoch das viktorianisch anmutende Krimihotel, welches über rund 20 Themenzimmer verfügt. Man schläft dort im „Miss-Marple-Zimmer“, bei Sherlock Holmes oder Derrick, bei Maigret oder James Bond – immer passend eingerichtet und mit zahlreichen Gimmicks versehen. Im Kaminzimmer wird stilgerecht der „Five O´Clock Tea“ serviert, im Restaurant gibt es Gerichte wie „Henkersmahlzeit“ oder „Blutgericht“, immer eingepackt in ein Ambiente, welches englischer kaum sein könnte. Und wer zwischen den Tauchgängen entspannen will, kann sich eine der zahlreichen Lesungen anhören, die von diversen Krimiautoren regelmäßig abgehalten werden.
Von Hillesheim aus ist es dann nicht weit bis zum Freilinger See, der unweit der Stadt Blankenheim am Ende der A1 liegt. Direkt daneben gibt es das „Eifelcamp“: Ein 5-Sterne-Campingplatz für Besucher, die länger bleiben wollen. Wer im See tauchen will, braucht eine Genehmigung der Stadt, die für fünf Euro erteilt wird und das Parkticket bereits beinhaltet. Der See selber, rund 15 Meter tief, wird keine Rekorde bei den Sichtweiten aufstellen – dafür ist er biologisch äußerst interessant.
Mitten in einem von Wäldern umgebenen Tal gelegen, wechselt sich unter Wasser traumhafter Bewuchs mit Muschelfeldern und Sandflächen ab. Man sieht zahlreiche Barsche und Rotaugen, kapitale Karpfen und Hechte. Selbst Aale gibt es dort. Der Freilinger See ist zudem ein beliebter und gut frequentierter Badesee, was für zahlreiche skurrile Funde sorgt: Erst letztes Jahr haben Taucher hier die Titanic geborgen – als ferngesteuertes, maßstabsgerechtes Modell.
Man kann Tauchen, Rudern, Schwimmen und sich an dem am See gelegenen Kiosk auf der Terrasse stärken. Der Freilinger See ist nicht so spektakulär wie der Rursee; er ist eher typisch für das, was das Tauchen in eine Mehrzahl der deutschen Seen ausmacht. Und – er ist ein entspannender Abschluss eines aufregenden Wochenendes in einer der schönsten Regionen Deutschlands.
Weitere Informationen
Anreise: Die 5300 Quadratkilometer große Eifel mit ihren vier Nationalparks liegt im Dreieck zwischen Aachen, Trier und Koblenz, eine knappe Fahrtstunde von Köln entfernt. In Belgien geht sie in die Ardennen über. Am besten erreichbar ist sie über die Autobahnen A1, A4 und A61.
Unterkunft: Es gibt unzählige Apartments, Ferienhäuser, Pensionen und Hotels. Einen Überblick findet man unter: www.eifel.de
Tauchen: An den Seen gibt es keine kommerziellen Tauchbasen – vieles wird durch die Tauchclubs der Region organisiert, die bei Rückfragen auch die ersten Ansprechpartner sind. Das Tauchen im Freilinger See ist genehmigungspflichtig (Infos unter www.blankenheim.de/service-freilinger-see), das Tauchen im Rursee setzte bis April 2014 eine VDST-Mitgliedschaft voraus; seitdem ist der See für alle Taucher "offen"; einzige Vorraussetzung: eine gültige Taucherunfallversicherung. Einen Überblick verschafft die Seite: www.rursee-mein-revier.de/tauchen oder die des Dürener Unterwasserclubs: www.duerener-unterwasserclub.de//rursee.htm
Die Seen auf Taucher.Net:
Rursee und Freilinger See
Sehenswertes:
Ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang: www.vogelsang-ip.de
Krimihotel Hillesheim: www.krimihotel.de/krimihotel-eifel.php