Taifune und Korallenriffe

Teile:
15.06.2023 07:45
Kategorie: News

Untersuchungen am Korallenriff nach dem Taifun Odette (Rai)

Kein Sporttaucher möchte es erleben, dass sein oder ihr Tauchurlaub durch einen Taifun unterbrochen oder beendet wird. Allerdings sind Taifune in den Tropen und Subtropen jährliche Wetterphänomene und es ist wichtig zu verstehen, wie Korallenriffe von solchen Stürmen beschädigt werden, und wie sie sich wieder erholen. Dr. Klaus M. Stiefel erzählt uns in Folge von seinen Erfahrungen und Beobachtungen mit dem Leben im Korallenriff nach dem Taifun Odette.

Odette in Dauin

Gallery 1 here

Der Taifun Odette (Rai) hat in den Philippinen über 400 Menschenleben gekostet, etwa eine Milliarde Euro Schaden angerichtet und auch viele Korallenriffe beschädigt

Es wäre sehr riskant während eines Taifuns zu Tauchen, aber ich hatte die Gelegenheit im Dezember 2021 nur zwei Tage nach dem Taifun Odette auf Negros in den Philippinen zu Tauchen und mir anzusehen, wie der Sturm das Riff kaputt gemacht hatte. Ich lebe seit einigen Jahren auf den Philippinen und hatte die Sturmnacht ob der extremen Windgeräusche schlaflos, aber sicher in unserem Haus unweit der bekannten Tauchdestination Dauin verbracht. Interessanterweise bekommen Taifune einen neuen Namen sobald sie die Philippinen erreichen, wie um sie einzubürgern. Odette hieß international „Rai“. Sobald die Bedingungen wieder sicher waren, schnappten mein Tauchbuddy Matt und ich uns zwei Flaschen und inspizierten den Schaden, den Odette angerichtet hatte. Da wir uns mitten in der Pandemie befanden war außer uns niemand auf dem normalerweise sehr beliebten Tauchspot in Dauin unterwegs.

Was uns sofort und am meisten auffiel war die schlechte Sicht die Unterwasser herrschte; Das war natürlich nicht wirklich überraschend. Der Sturm hatte eine große Menge Sand und Erde auf die Korallen befördert. Interessanterweise waren die Korallen bis zu einer Tiefe von 22 Metern mit Sediment bedeckt – tiefer als ich das vermutet hätte!

Einige der schönen großen Tischkorallen waren umgekippt. Auch hatte Odette von vielen Geweihkorallen Stücke abgebrochen. Das Riff in Dauin an dem wir damals getaucht sind liegt neben einem Bereich ohne Korallen, einer Standfläche mit nur vereinzelten Anemonen und Steinen. Das ist einer der Bereiche wo man „Muck diving“ genießen kann, die Suche nach Seepferdchen, Geisterpfeifenfischen, ungewöhnlichen Skorpionfischen wie dem Ambon und Rhinopias-Skorpionfisch und ähnlichen seltenen Meerestieren. Einige der abgebrochenen Fragmente der Geweihkorallen hatte Odette über hundert Meter weit in diese Sandebene befördert!

Gallery 2 here

Der Sand auf den Korallen war nach etwa zwei Wochen wieder weg. Die in der Region relativ starken Strömungen die meist parallel zur Küste verlaufen haben dazu beigetragen. Auch sind Korallenpolypen selbst in der Lage, sich von Sediment zu befreien, und sogar die bei Unterwasserfotographen beliebten Krabben, die zwischen den Korallenfingern leben tragen auch zur Beseitigung des Sediments bei.
 

Gallery 3 here

Jetzt, 18 Monate nach Odette, sieht das Riff in Dauin wieder sehr attraktiv aus. Einige der Tischkorallen stehen immer noch schief, haben aber überlebt; und selbst Teile der in die Sandebene verblasenen Korallenfragmente leben überraschenderweise noch. Dass dieses Riff in einem Schutzgebiet liegt hat sicher zu seiner schnellen Erholung beigetragen. Und der Tauchtourismus bzw. die hierdurch generierten Einnahmen haben sicher dazu beigetragen, dass dieses Schutzgebiet auch weiter respektiert wird und nicht nur auf dem Papier existiert.

Die Insel Apo

Nicht weit von meiner Walheimat entfernt ist auch die Insel Apo, eine der bekanntesten Tauchdestinationen der Philippinen. Die Riffe der Insel sind seit den 80ern aufgrund der Bemühungen des hochverdienten und kürzlich im hohen Alter verstorbenen philippinischen Meeresbiologen Prof. Angel Alcala zumindest teilweise geschützt. In den Jahren 2011 und 2012 haben die Taifune Sendong und Pablo den Korallenriffen von Apo stak zugesetzt, und besonders die Ostseite der Insel wurde stark getroffen. Um es den Korallen zu ermöglichen sich so gut wie möglich zu erholen, wurde ein Teil der Ostseite der Insel zu einem Schutzgebiet erklärt, wo sowohl Fischen als auch Tauchen verboten sind.

Ich hatte in den letzten 3 Jahren die Chance zusammen mit meinem Freund und Kollegen Dr. Rene Abesamis dort mit einer Sondergenehmigung zu Tauchen, um die Erholung der Riffe kontinuierlich zu messen. In den Jahren nach den Taifunen kamen zuerst die schneller wachsenden Weichkorallen zurück. Nach und nach wurden diese dann von Hartkorallen, meist den relativ schnell wachsenden Acropora Geweihkorallen verdrängt. Im Jahre 2022, also 10 Jahre nachdem die Taifune so großen Schaden angerichtet hatten, hatte sich das Korallenriff auf der Ostseite von Apo schon so weit erholt, dass erstmals mehr Hartkorallen als Weichkorallen zu sehen waren. In den tieferen Regionen, tiefer als 30 Meter, sah ich noch große Mengen an Korallenschutt, also Stücke toter Korallenskelete, die während und nach den Taifunen wie eine Lawine in die Tiefe gerutscht sind.
 

Gallery 4 here

Ein Versuch die von den Taifunen abgebrochenen Korallenfragmente mit Plastiknetzen zu fixieren, damit neue Korallen leichter wachsen können ging schief, und die Netze sind nach 10 Jahren immer noch bar jeder Hartkorallen. Erfreulicherweise wurden diese Netze nur auf einem kleinen Areal aufgespannt.

Gallery 5 here


Gesunde Riffe erholen sich

Was sowohl in Dauin als auch in Apo klar ist: gesunde Riffe erholen sich schneller! Eine große Rolle spielen dabei algenfressende Fische. Fadenalgen und Korallen konkurrieren am Riff um Platz; je mehr algenfressende Fische wie Doktorfische es gibt, um so mehr neigt sich das Gleichgeweicht auf die Seite der Korallen. Diese Dynamik ist besonders dann wichtig, wenn sich ein Korallenriff gerade von Sturmschaden erholt. Überfischte Riffe tun sich dann natürlich schwerer. Interessanterweise sind die auch algenfressenden Papageienfische nicht an dieser Dynamik beteiligt, denn sie sind darauf spezialisiert Algen zu fressen die in toten Korallenstücken und in der Gesteinsmatrix wachsen, aber nicht die Fadenalgen, die mit den Korallen konkurrieren.

Gallery 8 here

Es ist realistisch anzunehmen, dass mit dem menschgemachten Klimawandel Tropenstürme häufiger und intensiver werden (1). Die zunehmende Energie in der Atmosphäre durch deren steigende Temperatur wird sich durch Taifune entladen. Jeder dieser Stürme wird Korallenriffe beschädigen. Dann wird es noch wichtiger sein, dass andere Schäden wie Wasserverschmutzung und Überfischung von diesen Riffen ferngehalten werden, um ihnen eine Chance zu geben sich so schnell wie möglich zu erholen.

(1) Emanuel, K. A. (2013). Downscaling CMIP5 climate models shows increased tropical cyclone activity over the 21st century. Proceedings of the National Academy of Sciences, 110(30), 12219-12224.

Gallery 6 here

Über den Autor

Der Biologe und Tauchlehrer Dr. Klaus M. Stiefel lebt und taucht auf der Insel Negros auf den Philippinen. In seinem Buch „Gehirn Extrem“ (Hübner Verlag https://huebner-books.de/shop/gehirn-extrem) befasst er sich unter anderem mit den Vorgängen im menschlichen Gehirn bei der Stickstoffnarkose und beim Apnoetauchen. Klaus ist unter „Pacificklaus“ @pacificklaus8189 mit Unterwasserfotos und -videos auf diversen Sozialen Medien vertreten.

Gallery 7 here


Videokanal Klaus: https://www.youtube.com/@pacificklaus8189

Weitere Infos zu Odette (Rai): Supertyphoon Odette bringt unglaubliche Zerstörung