Kategorie: Reise
Das vergessene Land
Kenia ist ein Land, das uns einerseits wohlvertraut, andererseits aber auch fremd erscheint. Ein Urlaubsziel, fast schon in Vergessenheit geraten, und gleichzeitig aktueller denn je. Es ist kein reines Tauchreiseziel – obwohl man dort tauchen kann – und auch nichts für diejenigen, die ihre 14 Tage Urlaub gerne ausschließlich am Pool verbringen. Kenia ist mehr. Ein Destillat dessen, was „Reisen“ bedeuten kann.
Bericht von Linus Geschke
Eine Reise dorthin ist wie ein Film. Echtes 4D-Kino, das einen in die Zeit von „Daktari“ entführt, und dann wieder zurück in eine Gegenwart bringt, in der diese alten Bilder immer noch ihre Gültigkeit haben. Nichts dort ist vergangen, vieles nur vergessen. Die Elefanten, die Löwen, die Afrikanischen Büffel – es gibt sie noch, in rauen Mengen. Anders als die Touristen, deren Anzahl in den letzten zehn Jahren kontinuierlich abgenommen hat. Was übrigens nicht an den Löwen liegt, sondern an dem, was viele Menschen mit dem Kontinent Afrika verbinden: Armut, Krankheiten, unsichere politische Verhältnisse. All dies stimmt auch, aber Afrika ist groß, und nicht alles ist überall. Ägypten ist nicht wie Südafrika, die Elfenbeinküste nicht wie Mozambique. Und nichts ist wie Kenia. Um das zu verstehen, genügen drei Einblicke. Es gibt hunderte Dinge, die man in Kenia tun könnte – diese drei sollten unbedingt dabei sein.
In den Tsavo East-Nationalpark fahren und dort im Satao Camp absteigen!
Der Landcruiser ächzt. Durchgerüttelt von der Piste aus festgefahrener roter Erde, wie es sie nur hier und in Teilen Australiens gibt. Weites Land, kaum landschaftliche Reize. Eine spärliche Vegetation ohne Hügel und Berge. Menschenleer und trocken. Bis auf das Steppengras, die Büsche und ein paar Bäume gibt es nichts, wo man sich verstecken könnte – und genau darin liegt der Reiz einer Safari hier. Wenn Elefanten vorbeiziehen, sieht man sie. Man sieht auf dem Boden ruhende Löwen, umherstreifende Hyänen, fressende Giraffen und Rudel von Zebras. Man sieht Geparden und Büffel, Paviane und Impalas, Strauße und Antilopen. Nur Nashörner sieht man hier nicht: Die kommen erst weiter westlich vor.
Drei Tage sollte man sich im Satao Camp gönnen. Nicht, weil die Safaris von dort aus anders sind als die von anderen Camps, sondern weil dieses Camp anders ist. Offener, freier. Kein Zaun trennt einen hier von der Wildnis, keine Absperrung. Dafür gibt es ein großes Wasserloch, gut 50 Meter vom Camp entfernt, wo alles vorbeikommt, was im Umkreis lebt. Man sitzt auf der Veranda vor seinem Zelt, hält einen Gin Tonic in der Hand, und sieht 60 Elefanten auf einmal, dazu Zebras, Afrikanische Büffel und Warzenschweine. Nachts kommen auch die Löwen. Man hört ihr Röhren bis ins Zelt und fragt sich, ob das alles echt sein kann – ob es so etwas wirklich noch gibt in einer Welt, deren Schlagzeilen von Krieg und Brexit, von Tod und Terror bestimmt werden.
Jeden Vormittag und jeden Nachmittag wartet der Landcruiser. Neue Touren, neue Eindrücke. Wer bei dem Wort „Safari“ zuerst an eine Tauchsafari denkt, kann hier seinen Horizont erweitern und Bilder auf die Speicherchips der Kamera und ins Hirn bannen, die er nie mehr vergisst. Und dabei kommt die Frage auf, warum man so etwas nicht schon früher gemacht hat. Dass die geräumigen Zelte des Camps (fester Boden, ein richtiges Bett, ein gemauertes Bad) perfekt ausgestattet sind und das Essen fantastisch ist – geschenkt! Darauf kommt es hier nicht an, das registriert man eher nebenbei. Entscheidend ist, dass der Mensch hier wieder zurück zu seinen Wurzeln findet und in Einklang mit der Natur etwas bekommt, wie er es auf der Welt wahrscheinlich kein zweites Mal erleben kann. Alles andere ist Beiwerk.
Im Temple Point Resort wohnen!
Machen wir es kurz: Kenias Küste ist lang, die Gegend rund um den Ort Watamu davon die landschaftlich reizvollste. Außerdem liegt vor der Küste der älteste Marine-Schutzpark Kenias, was die Sache für uns Taucher interessant macht, und das Temple Point Resort ist das schönste Hotel der Region mit einem exzellenten Preis-/Leistungsverhältnis, weshalb die Entscheidung dafür zunächst eine rein rationelle ist.
Die allerdings – so viel ist schon bei der Ankunft klar – durch Herz und Gefühl gestützt wird. Umgeben von einem tropischen Garten, durch den Affen streifen, liegen die einzelnen Gebäude auf einem weiträumigen Gelände. Palmbedeckte Dächer, ebenso große wie gemütlich eingerichtete Zimmer und eine traumhafte Lage auf einer Halbinsel, die vom Indischen Ozean und dem Mida Creek umschlossen ist: Ein Meeresarm, der kilometerweit ins Landesinnere reicht. Man kann Tennis spielen, sich im riesigen Pool vergnügen oder sich einem der Ausflüge anschließen, die das Hotel anbietet (besonders empfehlenswert: Die versunkene Dschungelstadt Gede, die Schlangenfarm in Watamu und der „Local Ocean Trust“, in dem verletzte oder in Fischernetzen gefangene Schildkröten gepflegt und wieder ins Meer ausgesetzt werden). Das Essen ist zwar kein Highlight, aber okay, die Freundlichkeit der Angestellten dafür überragend. Insgesamt betrachtet eine Ruheoase, in der man sich von dem erholen kann, was man außerhalb erlebt – und die durch ihre landestypische Architektur kein Fremdkörper in diesem Land ist.
Besitzer des Temple Point Resorts ist ein Deutscher, Hans Langer, der auch häufig selbst vor Ort ist. Wer die Gelegenheit zu einem Gespräch mit dem Kenia-Kenner hat, sollte diese unbedingt wahrnehmen: Langers Anekdoten sind ebenso unterhaltsam wie aufschlussreich und vertiefen den Einblick in ein Land, welches so viel mehr ist als nur eine weitere Urlaubsregion.
Tauchen im Watamu Marine Nationalpark!
Bereits 1968 gegründet, erstreckt sich der Marine Nationalpark von Malindi aus bis an die Mündung des Mida-Creek. Über 200 verschiedene Fischarten soll es dort geben, viele Muränen, Schildkröten und Doktorfische. Napoleons sieht man regelmäßig, ebenso große Fischschwärme, und zwischen November und Februar kommen auch Walhaie und Mantarochen vorbei – wenn auch nicht mit jener Selbstverständlichkeit, mit der man sie beispielsweise in Mozambique vor die Maske bekommt.
Die Riffe selbst sind in einem mittelprächtigen Zustand: Neben traumhafte bewachsenen Stellen, gibt es auch immer wieder Bereiche, die von der Korallenbleiche betroffen sind. Wie im ganzen Indischen Ozean, so sind auch hier überall die Folgen von El Nino zu sehen. Bestes Mittel dagegen: Weitertauchen – zwanzig Meter entfernt ändert sich das Bild schon wieder.
Was bleibt, ist der große Fischreichtum und die Gewissheit, dass Meeresschutzgebiete das sind, was die Ozeane weltweit am dringendsten brauchen. Vor allem dann, wenn sie wie in diesem Fall auch konsequent geschützt werden. Ein 14 Mann starkes Team des „Kenya Wildlife Service“ ist Tag und Nacht vor Ort, unerlaubte Fischerei so gut wie ausgestorben, was an den harten Strafen liegt: Wer in Kenia illegal geschützte Tiere erlegt, kann mit einer bis zu lebenslänglichen Gefängnisstrafe rechnen. Sicherlich ist auch in diesem von Korruption geprägten Land diesbezüglich nicht alles perfekt, aber sicher besser, als in sonstigen Bereichen Afrikas – Tansania zum Beispiel kann als Negativbeispiel, was illegale Großwildjagden angeht, gelten.
Kenia ist kein Land, in das man nur um zu Tauchen reisen sollte, dafür ist das, was es über Wasser zu sehen gibt, viel zu einzigartig. Es ist ein Land, reich an natürlichen Schätzen und arm, was den Wohlstand der Bevölkerung angeht. Ein Land, in dem der Tourismus das leistet, was er im besten Fall leisten kann – er trägt zum Fortbestand bei, als Einkommenssicherung, was die Bevölkerung und das Tierleben angeht. Nur mit den Einnahmen aus dem Tourismus ist der Schutz der Tiere gewährleistet. So gesehen, ist jede Reise dorthin auch immer eine Beruhigung für das eigene Gewissen – die großartigen Eindrücke und Bilder, die man nie vergisst, gibt es quasi kostenlos oben drauf.
Reiseinformationen:
Anreise:
Mombasa wird von der Condor direkt angeflogen, zahlreiche Linienfluggesellschaften bieten Umsteigeverbindungen an. Zur Einreise brauchen Bundesbürger einen noch drei Monate gültigen Reisepass sowie ein Touristenvisum, welches man nach der Landung erhält. Der Transfer vom Flughafen zum Hotel dauert rund zweieinhalb Stunden. Die beste Reisezeit ist von Juli bis September und von Mitte November bis Anfang März.
Unterkunft:
Das Temple Point Resort (taucher.net/temple_point_resort) ist ein durch und durch empfehlenswertes Hotel der 4-Sterne-Kategorie mit einem ausgezeichneten Preis-/Leistungsverhältnis. 2 Wochen inklusive Flüge, Transfers und Halbpension sind je nach Saison im Doppelzimmer bereits ab € 1400 erhältlich.
Internet: www.templepointresort.com/de
Tauchbasis:
Wir waren mit der Tauchschule „Aqua Ventures“ (taucher.net/aqua_ventures_watamu) unterwegs, die rund fünf Kilometer vom Hotel entfernt liegt und ihre Gäste dort abholt. Sämtliche Tauchplätze liegen zwischen fünf und 20 Minuten Fahrtzeit entfernt. Große, bequeme Boote, professioneller Service. Zwischen Anfang Mai und Ende Juni ist die Basis geschlossen.
Internet: diveinkenya.com
Buchung und mehr Information:
Die komplette Reise wurde vom Reisecenter Federsee organisiert (taucher.net/reisecenter_federsee), inklusive aller Ausflüge und Safaris. Hier gebuchte Komplettangebote sind in der Regel deutlich günstiger als das individuelle Buchen vor Ort.
Internet: www.rcf-tauchreisen.de/.../kenia.html