Kapverden: Sal – die vergessene (Taucher)Insel

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31.01.2022 21:49
Kategorie: Reise

Ein paar Tage Sonne und viele Fragezeichen

Dieser Besuch ist eine Rückkehr: Bereits vor 14 Jahren haben wir die Insel das erste Mal besucht und nach einer langen Zeit des Vergessens kehren wir nun zurück.

Was sollte man über die „Kap Verden“ oder genauer Sal wissen? Mitten im Atlantik ist das Reiseziel mit allen Vor- und Nachteilen dieses rauen Ozeans versehen. Im Gegensatz zu anderen Atlantikinsel sind die Kap Verden ein Ganzjahresziel. Die Wahrscheinlichkeit auf Regen ist das ganze Jahr über gering. Das Wasser ist zum Beispiel im Jahresdurchschnitt mit 22 Grad doch deutlich wärmer als auf den Azoren. Beste Bedingungen für ein Traumurlaubsgebiet?

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Bericht von Jan Finsterbusch

Nach unserer Ankunft nach Mitternacht reiben wir uns erstmals verwundert die Augen. Nein es nicht die Müdigkeit die dafür sorgt. Vielmehr der Versuch die Erinnerung in Einklang mit dem aktuellen Bild zu bringen. Das ehemals verschlafene Fischerdorf „Santa Maria“ mit einigen Hotels und vereinzelten All-inclusive-Großhotels scheint sich grundlegend gewandelt zu haben. So werden die Zufahrtsstraßen inzwischen von Hotels aller Größen- und Preisklassen gesäumt. Entsprechend hält der Bus unseres Reiseveranstalters mindestens sechs Mal, bevor er uns an einer kleinen Appartementanlage endlich als letzte Gäste in die Freiheit und die verdiente Nachtruhe entlässt.

Der erste Eindruck bestätigt sich auch am nächsten Morgen, bei der Suche nach einem Frühstücksrestaurant. Das Angebot ist vielfältig und reicht von einem einfachen Frühstück im Strandrestaurant bis hin zum Cafe mit ökologischem Einschlag.

Am Nachmittag werden wir in der Tauchbasis vorstellig und checken für einen ersten Tauchgang ein.
Bestimmte Dinge ändern sich eben doch nicht: Wie vor 14 Jahren geht es mit dem Jeep zum Pier um dort in das Schlauchboot umzusteigen.

Igelfische in Massen

Die Anfahrt zu den Tauchplätzen innerhalb der Bucht ist kurz und gleich der erste Tauchgang ist ein „alter“ Bekannter: das Wrack der „Santa Antao“. Nein nichts worüber ein Altmetalljunkie sich freuen kann. Nicht tief, keine nennenswerten Penetrationsmöglichkeiten und auch von der Schiffsstruktur sind nur wenige Teile so erhalten. Der größte Teil des Tauchplatzes besteht aus einer Trümmerfläche auf der sich sowohl einiges an größerem Fisch als auch „Kleinzeug“ finden lässt. In den zerklüfteten Trümmern finden sich immer wieder Stachelrochen. Auch ein schlafender Ammenhai sowie ein Anglerfisch wird vom aufmerksamen Guide gefunden. Woran wir uns allerdings nicht erinnern können, ist hier das letzte Mal Igelfische gesehen zu haben. Nein nicht falsch verstehen, ein Igelfisch ist nichts Besonderes auch zwei nicht aber gefühlt Hunderte? Die possierlichen Kameraden bilden hier richtige Schwärme, an so etwas sollte man sich ja eigentlich erinnern?

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Einen Nachteil hat der Tauchplatz allerdings. Immer wenn die Strömung viele andere Tauchplätze „verhindert“, treffen sich in der geschützten Ecke die Taucher aller Basen und Erfahrungsstufen. Entsprechend entwickelt sich die Sicht und dies nicht zum Positiven…

Das Meer zeigt sich erstaunlich vielfältig

Auch in den kommenden Tagen sehen wir uns immer wieder an altbekannten Plätzen. Immer wieder schön und in Erinnerung bleiben die „Drei Grotten“. Auch dieser Platz ist nichts für Höhlentaucher, aber machen wir uns nichts vor, für den Normaltaucher und Fotografen ist das Lichtspiel am Eingangsbereich doch das Allerschönste. Umso mehr, wenn der Eingangsbereich von großen Schwärmen von Soldatenfischen umsäumt ist.

Am flachen nahe der Küste gelegenen Tauchplatz „Lost Ancor“ lassen sich immer wieder juvenile Meeresschildkröten beobachten. Die Tauchplätze gehen gerade an den küstennahen Plätzen ineinander über, so dass man bei etwas Strömung drei davon auf einmal sieht.

Überhaupt zeigt sich das Meer trotz der fehlenden bunten Korallenfelder wie man sie aus Ägypten oder Asien vielleicht kennt erstaunlich vielfältig. Unter den unzähligen Überhängen und Spalten tummeln sich wahre Kolonien von Langusten. Bei fast jedem Tauchgang begegnen wir kleinen Muränen aber auch ihre größeren Geschwister lassen sich ab und an sehen.

Sundowner am Strand

Am Abend hat man – sofern nicht all-inclusive Gast – die Auswahl zwischen den unterschiedlich geprägten Restaurants im Ort. Tipp hierzu, nicht nur die Lokale in der ersten und der inzwischen schön zur Fußgängerzone ausgebauten zweiten Reihe besuchen. In den Reihen dahinter befinden sich eine Vielzahl von Lokalen, die zum Teil kreolische Küche anbieten aber auch asiatische Küche ist keine Seltenheit. Auch zahlreiche Bars und Strandbars bieten einen Snack an. Am Strand sitzen und den Sonnenuntergang mit einem Cocktail in der Hand genießen hat rund um die Welt seinen eigenen Charme.

Auch das Wrack der „Kwarcit“ besuchen wir. Das russische Fischfangboot wurde bei Transport senegalesischer Flüchtlinge aufgegriffen und Anfang 2006 für Taucher versenkt. Das Schiff liegt auf knapp 30 Meter Tiefe aufrecht am Grund. Die Meerestiere haben das Wrack komplett für sich eingenommen. Neben Schwarmfisch und einer Vielzahl von kleineren Lebewesen haben auch Hartkorallen das Schiff für sich als Lebensraum erobert. Ebenfalls hervorzuheben ist der vorgelagerte Tauchplatz „Tchuclassa“. Das Felsmassiv liegt zirka vier Kilometer vor der Küste und ist einer der exponiertesten der angefahren Tauchplätze. Hier ist theoretisch sogar Großfisch möglich.

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Die Höhlen auf der anderen Seite (Buracona und Palmeira IV) sind uns diesmal aufgrund des Wetters nicht vergönnt. Auch dies ist Atlantik tauchen!

Wer sich jetzt fragt, warum die Fragezeichen im Titel dieses Artikels stehen? Atlantiktauchen? Da denken wir als zunächst an Destinationen wie die Azoren. Sicher die Blauhaie vor Pico oder die Mobulas vor Santa Maria (Azoren) sind hier auf den ersten Blick kein fairer Vergleich! Es geht hier auch nicht darum festzustellen, was schlecht ist, sondern darum was noch besser sein könnte.

Was ist mit Haien?

Man befindet sich auf einer Inselgruppe mitten im Atlantik. Der Ozean fällt ringsherum ab und die großen pelagischen Fische sind mit Sicherheit anzutreffen. Die Berichte über eine verlorene Langleine, die mit dutzenden Haien angeschwemmt wurde sind mit Sicherheit nichts Schönes aber ein Beweis, dass auch die Räuber der Meere in dieser Region unterwegs sind. Wale und Mobulas sollten im umgebenden Meer leben. Was ist mit Haien? Von den Ausbreitungsgebieten müssten hier eine Vielzahl von Haien zu finden sein. Wir reden von Blauhaien, Makos, Walhaien, Hammerhaien und vielem mehr, nicht auszuschließen, dass Tiger oder sogar große Weiße hier heimisch sind. Allerdings zu sehen bekommen wir sie nicht!

Das heißt, das stimmt so nicht ganz. In einer flachen Bucht nördlich des Örtchens „Santa Maria“ die auch noch den Namen „Shark Bay“ trägt, kann man mit Babyzitronenhaien ins Wasser. Leider scheint lt. den Berichten der Tauchguides und den Rezessionen auf Google und Tripadvisor das Wasser so flach zu sein, dass nicht einmal an schnorcheln zu denken ist. Aber dennoch ist hier ein Beweis, dass die Prädatoren um die Insel vorhanden sind.

Warum sieht man sie dann nicht beim Tauchen? Vor 14 Jahren stellte sich uns die Frage nicht. Mit anderer Erfahrung darf und muss man diese Frage allerdings stellen. Die Antwort scheint eine ebenso einfache wie unangenehme: Das Tauchgebiet ist für solche Trips nicht ausreichend entwickelt.

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Sicher das Tauchen im Atlantik ist nicht immer das einfachste. Der stetige Wind auf Sal und die dadurch bedingten Wellen erschweren vieles. Die Lage im Atlantik sorgt für logistische Probleme und dennoch, auch andere Destinationen haben damit zu kämpfen. Südafrika z.B. ist ebenso kein leichtes Tauchgebiet. Auch auf den Azoren geht es hin und wieder – oder besser die meiste Zeit des Jahres - hoch her und selbst im Sommer ist nicht jede Aktivität an jeden Tag möglich. Die Erschließung solcher Tauchgebiete würde das Abenteuer Kap Verden für viele erfahrene Taucher nochmal aufwerten. Wir erinnern uns gut an unseren ersten Tauchgang an „Ambrosia“ Santa Maria (Azoren). Was wollen wir mit einem Seil mitten im Nirgendwo? Naja auf Mobulas oder Größeres warten und das funktioniert ja!

Leider beschränkt man sich auf Sal darauf, die Tauchplätze in oder nahe der Heimatbucht anzufahren. Dies hat dann nicht nur zur Folge, dass man nur wenig Großfisch sieht, sondern auch dass sich die Tauchgruppen der verschiedenen Basen immer wieder unter Wasser treffen.

Nein, nicht falsch verstehen. Wir bereuen keine Minute unseres viel zu kurzen Ausflugs. Deswegen genug gejammert und über Möglichkeiten geredet. Die Kap Verden sind ein wirklich vielfältiges Tauchgebiet und definitiv eine Alternative zu etablierten Gebieten. Dafür sorgt die Unterwasserwelt von ganz allein: Grotten, Höhlen, Fischschwärme, Rochen, Feilenfische und all die Kleinkrabben, Flabellinas die wir bisher vergessen haben zu erwähnen, weil der Fotograf gerade mal wieder das falsche Objektiv montiert hat. Und wenn man das alles jetzt verdrängt, dann bleiben noch die gestapelten Igelfische die man so nur selten sieht und zu den Erlebnissen gehören die man als Taucher für immer im Gedächtnis behält.

Kap Verde auf Taucher.Net