Büffelkopf-Papageifische

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26.04.2016 15:37
Kategorie: Biologie

Der Lebenszyklus des Büffelkopf-Papageifisches

Der Büffelkopf-Papageifisch (Bolbometepon muricatum) zählt zu den Lieblingsfischen von Tauchern. Eine Schule von manchmal mehr als 50 dieser großen Fische vorbeiziehen zu sehen, ist atemberaubend. Bis vor kurzem war nur wenig über den Reproduktionszyklus dieser prähistorisch anmutenden “Unterwasser-Büffel” bekannt. Doch dann wurde in Palau eine Zusammenkunft, “Aggregation” genannt, von mehreren tausend Fischen entdeckt, die sich regelmäßig während bestimmter Mondphasen über das ganze Jahr hinweg sammeln, um abzulaichen.

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Bericht von Richard Barnden
Deutsche Fassung: Judith + Christoph Hoppe

Büffelkopf-Papageifisch, Büffelköpfe und Große Papageifische sind nur ein paar der Namen unter denen “Bolbometepon muricatum”, einer der größten Papageifischarten, bekannt ist. Die Riffgiganten können bis zu 1,5 Meter groß werden und nahezu 50 kg wiegen. Man findet sie an den Riffen des Indischen und Pazifischen Ozeans, vom Roten Meer im Westen bis hin zu Samoa im Osten und sogar hoch bis zu den Yaeyama Inseln von Japan im Norden und am Great Barrier Riff in Australien im Süden.

Typisch für diese Fische sind ihre schnabel-ähnlich aussehenden Zahnplatten, die ihre fleischigen Lippen nur teilweise bedecken. Männchen und Weibchen ähneln sich stark: Der Körper hat eine dunkelgrüne Farbe und auf ihrer Stirn ist ein weißlicher, manchmal sogar rötlicher Höcker. Jungtiere haben zunächst eine gelb-braune Färbung mit kleinen Tupfern, die vertikal über ihren Körpern verlaufen. Erst wenn sie zu erwachsenen Tieren heranreifen, bildet sich der Höcker auf der Stirn, dem sie ihren Namen verdanken.

Büffelkopf-Papageifische sind in erster Linie Korallenfresser. Im hinteren Teil ihrer Kehle befinden sich Rachenzähne, die es ihnen ermöglichen, Hartkorallen fein zu zermahlen. Nicht verdauliche Substanzen werden wieder ausgeschieden und erzeugen das für das Korallenleben so wichtige Sediment, also Salze und Ester der Kohlensäure, die wichtige Bestandteile von Mineralien sind. Dieser Korallensand trägt zur Robustheit der Korallenriffe bei und schuf einige der schönsten Strände auf unserem Planeten. Jeder Fisch kann bis zu vier Tonnen Riff-Carbonat pro Jahr erzeugen.

Bisher war über die Fortpflanzungszyklen der Büffelkopfpapageifische nur wenig bekannt, erst vor vier Jahren konnten wir eine Aggregation von über 1.000 Fischen in Palau beobachten. Bis heute ist das die größte, uns bekannte Aggregation. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es noch größere Ansammlungen gibt, die bislang nur noch nicht entdeckt wurden.

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Zusammen mit dem Meeresbiologen Paul Collins, der auch in Palau lebt, erforschen wir seit mehr als vier Jahren Doppelfleckschnapper (Lutjanus bohar) und weitere Fischarten auf ihr Laichverhalten hin. Inzwischen sind wir regelrecht süchtig nach Tauchgängen am frühen Morgen zu diesen “Massen-Fortpflanzungsarien” geworden, die von den unterschiedlichen Mondphasen gesteuert werden. Mit der Gründung der Unique Dive Expeditions unter dem Dach von Sam’s Tours machten wir unsere Obsession zum Beruf, hielten Augen und Ohren nach möglichen anderen Zusammenkünften offen und hörten eines Tages vom  Laichen der Büffelkopf-Papageifische.

Um herauszufinden, wie diese Aggregationen ablaufen, mussten wir viel lernen, unweigerlich waren wir immer zur falschen Zeit im Wasser. Es war frustrierend, immer wieder festzustellen, dass am Ende des Tauchgangs die eigentliche Magie des Ganzen erst begann. Aber mit Geduld und Hartnäckigkeit erkannten  wir mit der Zeit das Muster.

Der Zyklus des Mondes

Anders als bei unseren anderen Expeditionen findet die Zusammenkunft der Büffelköpfe während der Neumondphase statt. Zu unserer Verblüffung aggregieren die Tiere nicht etwa weit draußen am Außenriff, sondern an einem sandig abfallenden Riffhang innerhalb der Rock Islands.

Dafür gibt es sicherlich Gründe, die wir noch zu ermitteln hoffen, vielleicht liegt es an einer für die Tiere und den Fortpflanzungsakt günstigen Strömung, oder daran, dass der Laich nicht sofort ungehindert ins tiefe Blauwasser abgetrieben wird und den Jungtieren die Rückkehr ans Riff erschwert, wenn nicht sogar gänzlich unmöglich macht? Wählen die Büffelkopf-Papageifische diesen Platz aus, weil ab hier die ausgehende Strömung gut ist? Oder weil die Keimzellen hier noch gut genug davor geschützt werden, zu weit ins Blauwasser abgetrieben zu werden und dann nicht mehr zurückkehren können?

Wir versuchen durch ausgiebige und umfassende Forschung Antworten auf diese und viele andere Fragen der Büffelkopfaggregation zu finden.

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Der Tauchgang

Mit dem Sonnenaufgang ergießen sich hunderte dieser Tiere, die im flachen Teil der Lagune geschlafen haben, wie ein Wasserfall über den welligen Meeresboden in den Kanal.

Zunächst finden sich die Fische in einer losen Formation zusammen, die sich langsam und rhythmisch immer weiter verdichtet, bis eine beeindruckend große Masse entstanden ist. Diese mäandert am Riff entlang, man hört ohne Unterlass Kaugeräusche – es scheint als würden sich einige Gesellen kurz vor dem Geschlechtsakt noch einmal stärken…

Nach einer gewissen Zeit  zeigen dann die männlichen Alpha-Tiere ihre Dominanz, indem sie vertikal nach oben schwimmen und dabei ihre Flossen aufstellen. Gleichzeitig verfärbt sich die höckerige Stirn weiß. Manchmal hört man, wie die Männchen ihre Köpfe wie Büffel gegeneinander schlagen, was allgemein als Zeichen für den Beginn des Geschlechtsaktes verstanden werden kann.

Nun schwimmt die große Schule mit manchmal mehr als 1.000 Individuen weg vom Riff ins Blauwasser. Die Köpfe sowohl der Männchen als auch der Weibchen – glauben wir zumindest – sind nun hellweiß, Bänder und Streifen auf ihren Flanken werden sichtbar, das Tanzritual beginnt.

Zunächst bleiben die Tiere noch im tieferen Wasser, alles scheint darauf zu warten, dass ein Pärchen sich in Bewegung setzt, den Anfang macht. Von oben betrachtet sieht man als Taucher lediglich weiße Flecken und “Wolken”, die von links nach rechts und dann wieder zurück springen. Zwar zählt die Büffelkopf-Aggregation zu unseren leichtesten Expeditionen, dennoch muss man bereit sein, mit der Schule das Riff auf- und abzutauchen, um mit den Fischen mitzuhalten zu können, um eine perfekte Position für ein Foto zu finden.

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Auf einen Schlag beginnt dann die Vorstellung, ein Feuerwerk sexueller Aktivität: Die Weibchen schießen hoch zur Oberfläche, dicht verfolgt von zehn, manchmal fünfzehn Männchen. Eine Theorie zu diesem seltsamen Verhalten ist, dass die Weibchen so versuchen, das schnellste und stärkste Männchen zu finden, um dessen Gene den Jungtieren mitzugeben.

Die Vorstellung kann bis zu einer Stunde dauern, diese Verfolgungsjagden finden direkt vor dem Auge des tauchenden Betrachters statt, manchmal nur zwei Meter entfernt. Dazu gehört natürlich Glück, die meiste Zeit ist man ohnehin so von dem Spektakel überwältigt, dass man gar nicht weiß, wohin man die Kamera richten oder in welche Richtung man tauchen soll.

Wenn die Aktivität der Fische dann nachlässt und die Schule sich zurück in ihren regulären Lebensraum bewegt, verwandelt sich auch der Tauchplatz wieder in seinen Normalzustand. Das Wasser ist jetzt allerdings eine trübe, wolkige Masse aus Keimzellen, bereit, während sie mit der auslaufenden Strömung hinaus in den Abyss treiben, den ersten Teil des Lebenszyklus zu beginnen

Die frisch geschlüpften Büffelkopf-Larven treiben mit der ausgehenden Strömung in den offenen Ozean, nach fünf bis sechs Tagen beginnen sie, sich von Algen oder Ruderfußkrebsen zu ernähren. Sie bleiben bis zu drei oder mehr Monate auf offener See und die Glücklichen, die dieses Stadium überleben, treiben dann in die Lagune zurück, um im flachen Bereich Schutz zu finden. Hier bevorzugen sie die Wurzelsysteme der Mangrovenwälder und Seegraswiesen, wo sie sich primär von Seegras und Ruderfußkrebsen ernähren. Für zwei bis drei Jahre verweilen sie in diesen geschützten Gebieten, bevor sie sich den erwachsenen Tieren am Außenriff anschließen, wo sie bis zur Geschlechtsreife heranwachsen und sich selber fortpflanzen.

Da sie langsam heranreifen, beginnen Büffelkopf-Papageifische erst relativ spät, ab einer Länge von circa 50 Zentimetern, mit der Reproduktion. In Anbetracht der Tatsache, dass sie bis zu 40 Jahre leben und fast 1,50 m groß werden können, sorgen sie bemerkenswert langsam für Nachschub ihrer Art.

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Zwar werden sie gelegentlich von großen Haien gejagt, die größte Bedrohung für die Büffelkopf-Papageifische ist jedoch der Mensch. Sie kehren fast jede Nacht zum selben Platz zurück, um in großen Schwärmen zu schlafen. Fischer, die mit Speeren unterwegs sind, können sie deshalb leicht aufspüren und seit der Erfindung von Tauchlampen ist es für diese Fischart noch gefährlicher geworden.

Büffelkopf-Papageifische sind von der Internationalen World Conservation Union (IUCN) als “bedroht” eingestuft worden und stehen auf der “Roten Liste der gefährdeten Arten”. Des Weiteren sind sie Bestandteil des “Management Unit Species” [MUS] Plans für das Ökosystem Korallenriff des westlichen Pazifiks, das sich mit Fischmanagement beschäftigt (siehe auch Species of Concern(pdf)).

1994 schlug Palau einen neuen Weg ein und schützte die Büffelkopf-Papageifische durch ein Exportverbot, im Jahr 2005 wurde die Gesetzgebung weiter verschärft. Seitdem darf diese Art in den Gewässern von Palau überhaupt nicht mehr gefischt werden.

Dieser kleine, pazifische Inselstaat und seine willensstarke Bevölkerung hat den enormen wirtschaftlichen Wert des Tauchtourismus erkannt, was dazu führt, dass dem Naturschutz mehr und mehr Beachtung geschenkt wird. Diese Maßnahmen sind ausschlaggebend für das weitere Vorkommen der Büffelkopf-Papageifische und anderer gefährdeter Arten in unseren Gewässern.

Ich schätze mich sehr glücklich, dass ich in Palau leben und arbeiten darf. Einem Land, das die Bedeutung seiner Ressourcen erkannt hat und sie für zukünftige Generationen schützt. Hätte Palau nicht den Fang der Büffelkopf-Papageifische (Bolbopetepon muricatum) gebannt, wäre es sehr schwierig gewesen, die Geheimnisse und Hintergründe ihrer Reproduktionszyklen zu erforschen und Antworten auf die Fragen zu finden, nach denen wir schon so lange gesucht haben.

Lesetipp: Schwarzwassertauchen in Palau

 

Kontakt & weitere Informationen:

Sam's Tours Palau: taucher.net/tauchbasis-sam_s_tours_palau

Mail: uniquediving@samstours.com
Web: www.samstours.com/palau-diving/unique-dive-expeditions