Auch das noch: Taucher-Spätschäden nach überstandener Covid-19 Krankheit?

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21.04.2020 12:29
Kategorie: Medizin

Trotz Corona - Es darf gehofft werden

Als Andreas B. von einem dreiwöchigen Tauchurlaub in der Baja California aus Mexiko nach Hamburg zurück kam, ahnte er nicht, dass ihm recht bald ein einwöchiger Albtraumtauchgang mit Reinsauerstoff bevorstehen würde: Covid-19 positiv, schwere Symptome und fünf Tage Intensivstation brachten den sportlichen, voll durchtrainierten selbstständigen Unternehmer und Tauchlehrer, der an der Stadtgrenze Hamburgs in Schleswig-Holstein beheimatet ist, an Grenzen, die er bis dahin für sich für nicht denkbar gehalten hätte.


Ich lernte Andreas auf der Boot auf unserem Taucher.Net-Stand kennen. Er kannte Gott und die Welt und am Stand von Michael und Anja von den East Coast Divers, Porto Colom trafen wir uns erstmals. Es passte auf Anhieb und bei ein paar Bierchen entstand eine Freundschaft, die um Haares Breite nur von kurzer Dauer geblieben wäre.

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Wo genau sich der durchtrainierte Hüne das Virus eingefangen hatte war nicht mehr eindeutig zuzuordnen. Nur wie schnell SARS-CoV-2 den Freund und Menschen völlig niederstreckte, macht betroffen.

Andreas B. hat die Pandemie zwar schon ernst genommen, aber sich selbst nicht unbedingt als gefährdet angesehen. Jedes Jahr absolvierte der 52jährige selbständige Unternehmer einen umfassenden Gesundheits-Check inklusiver der damit verbundenen tauchsportärztlichen Untersuchung ohne jeglichen Befund. Er war gerade zwei Wochen aus dem Tauchurlaub zurück. In seiner Firma hüstelten und näselten einige Kollegen ein wenig herum, weshalb er sie zum Auskurieren und zur Beobachtung heimschickte. Was danach folgte, passierte so schnell, dass man es kaum fassen kann. Andreas fasst es so zusammen: „Ich fühlte mich einige Tage später matt, müde und bekam leichte Kopfschmerzen. Nichts Wildes dachte ich und so zog es sich über vier Tage hin. Ich kontaktierte schließlich die Corona Notrufnummer 116117 und am nächsten Tag wurden wir unter Quarantäne gestellt und ein Test gemacht. Ich fühlte mich richtig krank, aber als dann noch ein erster Schüttelfrost-Anfall und erhöhte Temperatur hinzukamen, begann ich mir Sorgen zu machen. Ich wählte erneut die Corona Notrufnummer 116117 . Ich wurde allerdings erst einmal beruhigt, denn das Testergebnis lag dort auch nach zwei Tagen noch nicht vor.  Ich solle mal abwarten und weiter beobachten und mich dann gegebenenfalls noch einmal melden, hieß es. Das beruhigte nicht wirklich und in der folgenden Nacht wurde es dann sehr unangenehm! Ich bekam Fieber mit Spitzen von über 40 Grad, schwere Schüttelfrost-Anfälle und Schmerzen, die ich bisher nicht kannte.

Meine Augen fühlten sich an, als wollten sie aus den Augenhöhlen herausspringen; wenn meine Frau mich am Kopf oder den Haaren berührte, spürte ich stechende Schmerzen; die Glieder waren matt und durchzogen von Schmerz und es begann eine bisher nie gekannte Angst in mir aufzusteigen, die die Situation zusätzlich erschwerte. Meine Frau nahm nun das Heft des Handelns in die Hand, denn ich war hierzu schon nicht mehr in der Lage.

Wieder Anruf beim Corona-Notruf und die Frage, wann endlich jemand vorbeikomme würde und wie das Testergebnis sei. Das würde noch dauern, man bat weiter um Geduld... Die Geduld meiner Frau war allerdings schon über die bekannten Grenzen hinaus strapaziert und sie rief, als sich mein Zustand weiter verschlechterte, nochmals an und schilderte mit Nachdruck meinen schlimmen Zustand. Als sich endlich ein Arzt meldete, ging alles sehr schnell: Testergebnis positiv, Nachricht ans Gesundheitsamt und Benachrichtigung der Feuerwehr-Einsatzstelle. Es dauerte nicht lange, da war ein RTW und ein Notarztwagen mit zwei erfahrenem Teams sowie ein weiteres Fahrzeug der Coronaüberwachung des Gesundheitsamtes vor Ort. Ich befand mich 20 Minuten später in der Notaufnahme im Krankenhaus Elmshorn und wurde zunächst auf einer Normalstation für leichtere Corona-Patienten untergebracht.

Da sich mein Zustand aber zunehmend verschlechterte wurde ich am zweiten Krankenhaustag in ein Zimmer der Intensivstation mit Sauerstoffversorgung und medikamentöser Begleitung unter anderem mit Antibiotikagabe verlegt,“ berichtet Andreas über das Erlebte. Er will hiermit vor allem auch wachrütteln und alle Taucher vor zu leichtfertigem Umgang mit dem Virus warnen. Fünf Tage kämpfte mein Freund gegen die unglaublichen Auswirkungen, die SARS-CoV-2 in seinem Körper ausgelöst hatte. „Ich muss echt zugeben, dass ich das alles nicht so richtig ernst genommen hatte und wohl auch ein wenig leichtfertig unterwegs gewesen bin“, berichtet Andreas weiter.

Was genau in den fünf Tagen Intensivmedizin und zwei weiteren Tagen auf der normalen Station und den sich abzeichnenden Besserungen seines Zustands stattfand, weiß er nur noch bruchstückhaft:
Wenn man da liegt - mit der Sauerstoffmaske - und sich nicht bewegen kann, den Schmerz überall im Körper spürt, kaum einen klaren Gedanken fassen kann und sich dabei ertappt, dass man, weiß Gott wie lange, die Frage im Kopf bewegt hat, ob der Farbton der Wand, die man Stunde um Stunde anstarrt, Grau oder eher Beige ist... wenn man diesen Zustand erreicht hat, denkt man auch schon mal an Abschied, ans Ende... Nur: Da ist niemand, der einem zuhören kann oder will! In diesem Stadium ist man allein...

Einmal am Tag kam ein Arzt, der nur kurz nach dem Rechten sah und flugs wieder raus war. Schwestern kamen nur gelegentlich rein, vermutlich auch um den Patientenkontakt auf das notwendige Mindestmaß zu reduzieren. Als es mir nach fünf Tagen besser ging, ich reden und auch schon mal wieder aufsitzen konnte, erklärten mir die Schwestern, dass sie auch aus Gründen der Ressourcenschonung die Patientenkontakte so niedrig wie möglich halten um mit den spärlich vorhandenen Schutzmittel-Beständen wie Handschuhe, Haube, Fuß-Überzieher, Kittel und Maske sorgsam umzugehen. Und was mir auch erst hinterher klar wurde ist der Umstand, dass ich nur einen minder schweren Fall darstellte und dass die wirklich harten Fälle in der Intensivmedizin an Beatmungsgeräten hingen und wirklich der größeren Aufmerksamkeit und Betreuung durch die Pflegerinnen und Ärzte bedurften.

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Als ich wieder bei Sinnen war und mich besser fühlte, kommuniziert ich mit den Pflegerinnen per Handy und Sichtkontakt durch die Scheibe. Das war immerhin schon mal eine Form der Zuwendung und Betreuung, die individuell und mit einem Dialog stattfand. Die Not macht erfinderisch und auch das gehört inzwischen zum ohnehin stressigen Alltag der Ärzte und Schwestern vor Ort in den Kliniken, um dem Mangel mit intelligenten, eigenen Lösungen zu begegnen.

Andreas erholte sich schnell, wurde schließlich nach 14 Tagen Krankenhaus entlassen. Den Tiefpunkt hatte er allerdings noch vor sich, denn die Abschlussuntersuchung im Krankenhaus zeigte bei ihm auf dem CT sichtbare Lungenschädigungen, die bisher eigentlich ohne dass der Patient intubiert und künstlich beatmet wurde, so nicht wahrgenommen worden waren. Der bekannte Tauch- und Notfallmediziner Dr. Frank Hartig vom Uniklinikum Innsbruck hatte kürzlich auf dieses noch nicht genau entschlüsselte Phänomen hingewiesen.  (Link: Stellungnahme Dr. Hartig)

Wie es weitergeht? „Ich weiß es nicht, ich sitze jetzt bei dem schönen Wetter in der Sonne auf der Terrasse und atme die frische Luft mit Genuss ein. Noch zwei Tage, dann sind meine 14 Tage Heimquarantäne beendet und ich gelte als geheilt. Ich fühle mich gesund, nur dieser Befund macht mir gerade nach den letzten Veröffentlichungen natürlich zu Schaffen. Und wie leistungsfähig ich zurzeit bin oder in absehbarer Zeit wieder sein werde, weiß ich auch nicht. Noch scheinen sich die Mediziner ja in dieser Sache auch noch nicht ganz sicher zu sein, ob es sich dabei um bleibende Schädigungen handelt oder ob sie sich mit der Zeit regenerieren. Da muss man es wohl mit dem Motto halten: Es darf gehofft werden...“, sagt Andreas und meint damit auch, dass für ihn ein Leben ohne Tauchen eigentlich nicht vorstellbar ist... (hap)


Links zur Artikelserie:
Einleitungstext: Das Taucher-Elend mit Corona
Ausführungen Dr. Frank Hartig
Diskussion Medizin Forum Taucher.Net

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