Kategorie: Reise
Ein Abenteuer in der Wärme – oder doch nicht?
Was haben wir in letzter Zeit nicht alles zu Südafrika gehört: Von der Höhle der Haie und riesigen Hammerhai-Schulen an den Protea Banks, Siebenkiemer-Haie an der „False Bay“ und neuerdings sogar Buckelwal-Wanderungen vor Langebaan - teilweise kaum zu glaubende Geschichten!
Das wollten wir persönlich überprüfen…
Wir – das sind Jan „JFibu“ Finsterbusch und Christoph „Schaffel“ Schaffelhuber, hier in Taucher.Net bekannt als die Moderatoren des Tauchgebiete-Forums und Autoren des kleinen Tauchreise-ABCs. Unser Afrika Abenteuer ist in vier Etappen geplant. Erst ein paar Tage an der „False Bay“ in Simonstown nahe dem „Kap der guten Hoffnung“ um Siebenkiemerhaie und Robben unterwasser zu erleben. Danach wollen wir Station an den „Protea Banks“ einlegen, einer uns bereits vertrauten Destination. Hier hoffen wir auf Sandtigerhaie in der „Höhle der Haie“ und Hammerhai-Schulen. Dazwischen wollen wir zur Entsättigung einen Abstecher in den Hluhluwe-iMfolozi Park machen um die bekannten „Big Five“ an Land zu erleben. Der krönende Abschluss soll dann ein bisher weitestgehend unbekanntes Phänomen an Südafrikas Westküste sein: die Buckelwal Wanderung vor Langebaan.
Simonstown
Das ruhige Dorf Simonstown liegt in der „False Bay“. Diese hat ihren Namen „Falsche Bucht“ erhalten, weil Seeleute sie öfter mit der Tafelbucht vor dem eigentlichen Kapstadt verwechselt haben. Die strategische Bedeutung der Bucht wurde dabei schon früh erkannt, schon im 17. Jahrhundert wurde sie als Ankerplatz genutzt. Noch heute hat die südafrikanische Marine einen Stützpunkt in der Ortschaft. Nach einem problemlosen Nachtflug und der Übernahme des Mietwagens genießen wir die Landschaft rund um den Tafelberg und fahren gemütlich zu der von der Tauchbasis empfohlenen Unterkunft. Bereits während der Fahrt wird bewusst, dass wir uns das temperaturmäßig anders vorgestellt hatten. Zwar haben wir strahlenden Sonnenschein, aber ein frischer und relativ starker Wind bildet weiße Krönchen in der False Bay.
Das „Moonglow Guesthouse“ bietet dafür alles was wir erwartet hatten. Eine gemütliche Unterkunft mit liebevoller Einrichtung und einem überragendem Ausblick über die False Bay. Obendrein ist die Tauchbasis nur fünf Autominuten vom Guesthouse entfernt: sie ist unser nächstes Ziel. Während der kurzen Fahrt dorthin kommen uns mit Blick auf die Bucht immer mehr Zweifel ob morgen das Tauchen möglich sein wird. Diese Bedenken nimmt uns Mike Nortje von den „Pisces Divers“ schnell. Die Vorhersage ist positiv und der Wind wird nachlassen. Tauchen in der Bay wird möglich sein, die vor der Küste schwimmenden pelagischen Haie werden witterungsbedingt jedoch nicht anzutreffen sein. So findet am nächsten Morgen der erste Tauchgang mit Seehunden statt. Während die agilen und neugierigen Tiere für Begeisterung sorgen und in allen möglichen Positionen um die Taucher herumalbern, bringt den Fotografen die Sichtweite an den Rand des Wahnsinns. Alles was mehr als einen Meter entfernt ist verliert aufgrund der Schwebeteilchen seine Kontur.
Gleich im Anschluss geht es zu „Pyramid Rock“, einem Kelpwald-Tauchplatz, an dem in den letzten Jahren regelmäßig Siebenkiemerhaie anzutreffen waren. Leider wurden seit einiger Zeit keine mehr gesichtet. Warum das so ist? Die Theorien gehen auseinander: Die einen sprechen von Orcas, welche die Siebenkiemer vertrieben haben, die anderen davon, dass die Fischer sie stark dezimiert haben und sie sich dann neue Reviere gesucht haben. Mike jedenfalls ist fest überzeugt, dass seine Lieblinge wiederkommen und er den Tauchern dieses Highlight wieder anbieten kann.
Neben dem Tauchen bietet die Region für ein paar Tage interessante Beschäftigungsmöglichkeiten: Ein Besuch am „Kap der guten Hoffnung“ ist dabei Pflicht! Auf dem Weg zum Kap entfaltet sich eine raue und atemberaubend schöne Landschaft. Am großen Parkplatz in der Nähe des Kaps kann man zuschauen, wie Paviane die Touristenströme gezielt nach Fressbarem plündern. Was manchmal durchaus lustig aussieht, ist eigentlich traurig. In der Vergangenheit wurden die Affen vermehrt von Touristen gefüttert, und so haben die beheimateten Affenfamilien ihre Scheu vor Menschen komplett verloren.
Nahe Simonstown befindet sich ein weiteres lohnendes Kurzausflugsziel: die Brillenpinguine am „Boulders Beach“. Hier nistet eine Kolonie von ca. 2500 Tieren. Zum Schutz der Vögel bewegt man sich auf Stegen zwischen den Pinguinen; gute Fotomotive gibt es reichlich.
Nach diesem kurzen „Landausflug“ nun zurück zum Tauchen. Am nächsten Morgen steht ein Wracktauchgang unweit des „Kaps der guten Hoffnung“ auf dem Plan. Nahe der „Smitswinkel Bay“ liegen insgesamt fünf Wracks in einer Tiefe von ca. 30 Metern. Beim Abtauchen sinkt die Temperatur bis ca. 11 Grad ab. Was für ein Schock für uns ausgewiesene Warmwassertaucher! Zudem bewegt sich die Sichtweite bei ca. zwei Metern. Nach 30 Minuten beenden wir den Tauchgang ziemlich steifgefroren. Bei guter Sicht kann das schön bewachsene Wrack ein Erlebnis sein, aber so haben wir genug „gesehen“ oder besser erahnt. Beim zweiten Tauchgang an diesem Tag spielen wir lieber nochmal mit den Seehunden.
Am nächsten Morgen bleibt aufgrund der Flugzeiten nur noch ein Tauchgang. „Whittle Rock“ befindet sich in der Mitte der False Bay und diente vielen Schiffen als Ankerplatz und letzter Halt. Dementsprechend lassen sich am Tauchplatz auch viele zum Teil richtig historische Anker finden. Die Sicht ist für die gesunkene Erwartungshaltung mit vier bis fünf Metern als durchaus positiv zu bewerten. Das Riff selbst ist erstaunlich bunt bewachsen und die Temperatur ist entweder gestiegen oder man gewöhnt sich langsam daran. Ein versöhnlicher letzter Tauchgang ist dies in jedem Fall. Ob dies an den zahllosen Langusten oder dem Scharfzahnmarderhai (englisch: Gully Shark), der uns kurz besucht liegt, spielt eigentlich keine Rolle.
Fazit:
Wer kaltes Wasser nicht scheut und Seehunde mag, der findet um Kapstadt mit Sicherheit viele spannende Tauchplätze. Wenn die Siebenkiemer wieder da sind, werden wir uns diesem Kaltwasserabenteuer bestimmt nochmal stellen. Jetzt freuen wir uns auf das 21 Grad „warme“ Wasser an den Protea Banks und sind gespannt auf die nächste Etappe unserer Afrika Reise.
Protea Banks und die Höhle der Haie
Wenn man mit Nichttauchern spricht und erzählt, dass man mit Haien taucht, kommt immer wieder dieselbe Frage: Ist das nicht gefährlich? Erklärt man diesen Leuten dann, dass man in 30 Metern Tiefe taucht und dort in eine Höhle hineinschwimmt, in der sich circa 30 grimmig dreinschauende Haie mit gehässigem Grinsen herumtreiben, dann fragen die Leute nur, ob man noch alle Tassen im Schrank hat, jedoch dieses Abenteuer ist auf der nächsten Station unserer Reise, den Protea Banks, geplant.
Nach unserer Kaltwasserepisode in Kapstadt werden wir am Flughafen in Durban von 33 Grad heißem Sommerwetter begrüßt. Nein, wir beschweren uns nicht darüber! Angekommen in „Shelly Beach“, begrüßt uns mit Roland Mauz ein alter Bekannter, der neben der Tauchbasis „African Dive Adventures“ auch die Tauchervilla vermietet. Das Programm für die nächsten Tage braucht nicht groß abgestimmt zu werden. Tauchen, tauchen, tauchen!
Wie an vielen Plätzen in Südafrika wird vom Strand aus gestartet. Gäste und Crew packen mit an und richten das am Strand liegende Schlauchboot erstmal Richtung Meer aus. Danach wird es ins Wasser geschoben und solange stabilisiert bis der Skipper das Signal zum Einsteigen gibt. Anschließend muss er die Wellen „lesen“ um einen sicheren Start durch die Dünung zu erwischen. Protea Banks heißt für Taucher „Tiefe, Strömung, Wellen“ und eine unglaubliche Vielfalt an Haien, die je nach Jahreszeit variieren. Im November und Dezember lassen sich vor allem Sandtigerhaie, Düsterhaie (Duskys) und Hammerhaie beobachten. Schwarzspitzenhaie sind das ganze Jahr zu sehen und auch die Chance auf Tigerhaie ist immer vorhanden, steht allerdings im Frühjahr besonders gut.
Der erste Tauchgang führt uns auf die südliche Seite der Protea Banks, welche circa sieben Kilometer vor der Küste liegt. An rauen Tagen kann sich die Ausfahrt durchaus eine Weile hinziehen. Zu dieser Jahreszeit treffen sich an der Südspitze riesige Hammerhaischulen; so haben wir auch immer wieder Begegnungen mit den Hammerköpfen. Während man an anderen Tauchplätzen für eine Sichtung durchaus tief tauchen muss, kann man sie hier beim Austauchen erleben, allerdings kommen nur einzelne Tiere näher. Die großen Schulen sind am Rand der Sichtgrenze immer mal wieder kurz zu sehen bzw. zu erahnen, beim Versuch ihnen näher zu kommen verschwinden sie leider relativ schnell.
Dafür verwöhnt uns eine kleine Delphinschule während des Sicherheitsstopps, was hier jedoch eher eine Seltenheit darstellt. Aufgrund der an diesem Tag hervorragenden Bedingungen sind wir im Buddyteam unterwegs und ein Stück von der Gruppe entfernt, so haben wir die Tiere ganz für uns. Normalerweise laufen die Tauchgänge hier immer in festen Gruppen ab, gerade bei Wind und Welle ist es wichtig, dass der Skipper die Gruppe – anhand der Boje des Guides – immer im Auge hat. Tauchgang zwei geht zur Höhle der Haie. Diese befindet sich auf der Nordseite der Banks und liegt wie fast alle Tauchplätze hier in 30plus Metern Tiefe. Zu dieser Jahreszeit erwarten uns laut Roland Sandtigerhaie. Unsere Erwartungen werden nicht nur erfüllt, sondern gar übertroffen. Rund 30 stattliche Exemplare grinsen uns an! Ihre unförmig aus dem Maul stehenden Zähne hinterlassen einen bedrohlichen Eindruck, obwohl diese sanften bis circa drei Meter großen Haie für Menschen in der Regel nur zur Bedrohung werden, wenn man beim Harpunieren tote Fische am Körper trägt. Wer ein Andenken an Afrika sucht, der kann am Grund der Höhle viele Zähne der Sandtiger finden. Sicherlich ein Weg die Erinnerung an diesen außergewöhnlichen Platz zu konservieren.
Unsre Zeit vergeht auch hier wie im Flug. Nach unserem ersten Tauchtag hat sich die Temperatur wieder deutlich geändert: 16 Grad und Regen… also ist mal wieder eher Frieren als Afrika-Feeling angesagt. Aber das tut dem Erlebnis Protea Banks keinen Abbruch. Ein besonderes Highlight haben wir uns für unseren letzten Tag aufgehoben. Einen gebaiteten Tauchgang. Wie an anderen Plätzen auch wird eine Duftspur im Wasser gelegt um die Haie der Umgebung anzulocken. Innerhalb kurzer Zeit umgeben uns ein gutes Dutzend Schwarzspitzen-Hochseehaie, die ein beeindruckendes Ballett aufführen. Immer wieder kreisen sie allein oder paarweise um die Trommel. Die Taucher scheinen sie nur am Rande wahrzunehmen. Der Tauchguide nutzt sogar die Chance um einem Hai die an seinem Maul verhakte Angelschnur, die er 5 Meter hinter sich herschleppt, zu entfernen. Nur ein kleiner Beitrag, aber die Lebenserwartung des Tieres dürfte damit deutlich gestiegen sein. Überhaupt sieht man vielen Tieren an, dass in der Gegend viel gefischt wird und mehr als nur ein Tier haben Haken im Maul oder große Narben und Verstümmelungen.
Während des Tauchgangs kreuzt zudem auch ein großer Bullenhai das Bait und verschwindet so plötzlich, wie er da war, wieder ins Nichts. Auch Hammerhaie, die sich nicht anködern lassen, schauen immer mal wieder kurz vorbei, bleiben aber auf Distanz.
Fazit: Die Protea Banks sind für Taucher inzwischen mehr als nur ein Geheimtipp. Wer große Haie in ihrer natürlichen Umgebung sehen will, der ist hier am richtigen Platz. Ein Anfängertauchgebiet sind die Banks nicht: Die Tiefe und die möglichen Strömungen stellen durchaus eine Herausforderung für Taucher dar!
Hluhluwe iMfolozi
Darf man in einem Tauchmagazin eine Location mit reinen Landaktivitäten vorstellen? Nachdem diese ein Teil unserer Reise ist und in einem Land wie Südafrika, das über und unter Wasser Natur pur bietet, möchten wir sie nicht auslassen.
Wer sich nun frägt wie man Hluhluwe iMfolozi ausspricht, den müssen wir leider enttäuschen. Dies bekommen wir schon auf der Hinfahrt zu spüren. Unser Google Navi führt uns direkt zu einem Personaleingang des Parks. Der ist erstaunlicherweise verschlossen! Sollte Google, nachdem es so gut wie alles von uns weiß, nicht auch die offiziellen Zugangswege kennen? Ohne Netzempfang versuchen wir die Navigation auf die altherkömmliche Weise: Fragen! Dabei erweist sich Hluhluwe iMfolozi als Zungenbrecher der uns von den entgegenkommenden Fahrzeugführern nur ein mitleidiges Lächeln, aber keine Erkenntnis betreffend des Weges einbringt.
Irgendwie finden wir doch den Eingang und beziehen unser Chalet im Park. Die Zimmer sind etwas altbacken, haben aber durchaus Charme. Der Park wurde 1895 gegründet und ist damit einer der ältesten Nationalparks Afrikas – und mit 96.000 Hektar wohl auch einer der größten! Besondere Bekanntheit erlangte er durch die Nachzucht des Breitmaulnashorns ab den 50er und 60er Jahren. Heute nennt sich der Park stolz „Home of the Rhino“. So ziemlich alle Breitmaulnashörner in Zoos oder Parks weltweit stammen aus der hiesigen Nachzucht. Bei unserer geführten frühmorgendlichen Tour (Start fünf Uhr morgens) sehen wir dutzende Nashörner. Spätestens am zweiten Tag wird für Nashörner nicht mehr angehalten – es sei denn sie stehen auf der Straße - was vorkommen kann. Doch auch ohne die Nashörner bietet uns der Park an jeder Ecke eine Besonderheit. Grundsätzlich empfiehlt es sich zum Start an einer geführten Tour teilzunehmen. Mit typischen Safari-Autos wird man durch den Park zu den Highlights gefahren, die einheimischen Guides stehen dabei miteinander in Verbindung und teilen sich mit wo welche Tiere gerade zu sehen sind. Diesen Vorteil hat man nicht, wenn man selbst fährt und dennoch genießen wir das autarke Fahren durch den riesigen Park. Wir spüren Giraffen und Elefanten auf und beobachten die Affen eine Stunde beim Spielen.
Dann ist da noch unser persönliches Highlight. An einem Parkplatz stehen ein halbes Dutzend Autos und dennoch ist nichts zu sehen. Schaffel steigt aus, um zu erkunden, was die denn da sehen… und springt mit erstaunlicher Geschwindigkeit und ungeahnter Gewandtheit wieder ins Auto zurück. „Ein Löwe, ein Löwe!“ Und tatsächlich sehen wir eine ausgewachsene Löwin, die sich leider recht schnell aus dem Staub macht.
Damit geht diese kleine Dekompressionsepisode auch schon zu Ende. Am nächsten Morgen suchen wir nochmal nach unserer Löwin, die sich in der Tat an derselben Stelle aufhält. Offenbar hat sie am Vorabend etwas geschlagen. Die nachfolgende Fahrt zum 250 km entfernten Flughafen Durban fällt deswegen etwas zügiger aus, was uns auch noch ein Strafmandat einbringt, ohne Quittung natürlich…
Langebaan und die Buckelwale
Langebaan ist ein kleines Örtchen an der Westküste Südafrikas (Atlantikseite). Die Frage was die Buckelwale ausgerechnet in die Umgebung dieses verschlafenen Örtchens zieht, blieb lange ungeklärt. Fakt ist nur: Sie sind jedes Jahr da.
Zurück in Kapstadt – holt uns Rainer Schimpf am Flughafen ab. Rainer ist mit seinem Unternehmen „Expert-Tours.de“ an der Ostküste in Port Elizabeth schon lange für Wal- und Haibeobachtungen bekannt. Erstmalig hat er dieses Jahr die Genehmigung bekommen die Buckelwalwanderung (Whale Migration oder Super Pod) an der Westküste zu beobachten. Auch für ihn Neuland, mit ungewissem Erfolg.
Während eines gemütlichen Abendessens erhalten wir von Rainer ein ausführliches Briefing zu den Walen. Unsere Genehmigung umfasst nicht nur die Annäherung mit dem Boot, sondern auch das Schnorcheln und sogar das Tauchen mit den Tieren. Beste Voraussetzungen also!
Am nächsten Morgen fahren wir mit Rainers Hartkiel-Schlauchboot in die Richtung der letzten ihm bekannten Koordinaten. Auf dem Weg dahin begegnen uns einzelne Wale, für die aber nicht groß angehalten wird. Ziel ist eine richtige Ansammlung. Wir legen bei der Suche auch mal 150 km am Tag zurück um die sanften Riesen zu finden, aber nicht am ersten Tag. Bereits nach 1 ½ Stunden haben wir eine größere Ansammlung gefunden. Beeindruckend, wie sich rund 20 Tiere rund um uns Boot tummeln, fressen oder neugierig ins Boot schauen. Dieses „Schauen“ wird Spyhopping genannt. Dabei taucht der Wal mit dem Kopf soweit aus dem Wasser auf, dass er in das kleine Schlauchboot blicken kann. So viele Wale rund um das Boot und sie scheinen uns nicht als Bedrohung wahrzunehmen – der Wahnsinn! Zeit sich für die ersten Schnorchelversuche fertig zu machen. Jetzt wendet sich das Blatt. Kaum sind wir im Wasser, tauchen die Wale ab. Und dann tauchen sie nur einen Meter vom Schnorchler entfernt wieder auf. Haben sie uns gesehen und den Zusammenstoß bewusst vermieden? Oder haben wir einfach Glück gehabt? Ganz wohl ist einem nicht, wenn so ein 30 Tonnen schweres Tier direkt neben einem auftaucht.
Man sieht sie wegen der extrem schlechten Sichtverhältnisse erst im letzten Augenblick auftauchen. Und unter Wasser? Sind sie einfach weg! Wie in Luft -oder wohl eher Wasser - aufgelöst. Sicher, die Sichtweiten von zum Teil unter einem Meter und die schwarzen Rücken der Wale machen sie annähernd unsichtbar, aber dass wir sie im Wasser gar nicht mehr sehen können, hat uns schon überrascht. Auch bei späteren Versuchen haben wir immer wieder dasselbe Ergebnis: Kaum sind wir im Wasser, sind die Wale weg.
Wir erleben jeden Tag neue Überraschungen, zum Beispiel springende Buckelwale, Südliche Glattwale, die sich auch zwischen den Buckelwalgruppen tummeln, und den einen oder anderen Mola-Mola (Mondfisch). Was das Tauchen angeht, führen die zum Teil einstelligen Wassertemperaturen und die Sichtweiten recht schnell dazu, dass wir einen Versuch mit Gerät verwerfen. Zudem sind die Wale zu sehr in Bewegung, wir könnten nicht wirklich mithalten. Das ist an der Oberfläche ohne Gerät schon ausgeschlossen und unter Wasser und mit kompletter Ausrüstung absolut unmöglich. Obwohl Rainer immer wieder versucht uns mit dem Schlauchboot perfekt in der Zugrichtung der Wale zu positionieren, gelingt es uns nicht, mehr als Beweisfotos zu produzieren. Und wenn wir jetzt gerade beim Meckern sind, die Wale stinken! Wir wissen nicht, ob man das Mundgeruch nennen kann, aber wer schon einmal in Walblas geduscht hat weiß was wir meinen.
Dennoch möchten wir die Tage in Langebaan nicht missen. Keine Tauchgänge fürs Logbuch, aber beeindruckende Eindrücke überwasser und beim Schnorcheln, die ihresgleichen suchen. Während unserer acht Tage in Langebaan bewegen sich die Wale jeden Tag ein Stück mehr Richtung Süden, dem eigentlichen Ziel ihrer Wanderung. Buckelwale verbringen die Wintermonate in den tropischen Meeren, um sich dort zu paaren und ihre Kälber zur Welt zu bringen. Die Sommermonate verbringen sie in polaren Ozeanen. Dies erklärt die Reise der Wale zwar, aber immer noch nicht, warum sie vor dem Örtchen Langebaan für eine relativ lange Zeit anzutreffen sind. Die neuesten Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die Wale sich hier in der erweiterten Kapregion nochmal sattfressen, bevor sie die lange Reise durch das offene Meer antreten. Ein weiteres Rätsel bleibt: Während wir auf den Protea Banks die Buckelwale jeden Tag singen hörten, gibt die Population hier um Langebaan keinen Ton von sich. Liegt es daran, dass wir den Kopf nur selten unterwasser stecken oder daran, dass sie wirklich nicht „singen“. Ein Phänomen, das wir in den kommenden Jahren bestimmt nochmal genauer nachprüfen werden. Für dieses Jahr ist unsere Zeit vorüber, und auch unsere buckeligen und „duftenden“ Freunde bewegen sich weiter nach Süden aus unserer Reichweite und dem Südpolarmeer entgegen. Und alle hoffen, dass sie dort nicht „aus wissenschaftlichen Gründen“ an Bord eines japanischen Walfängers landen.
Als Fazit der Reise eine Antwort auf die Frage in der Überschrift: Wir lernen Afrika eher von der kalten Seite kennen. Dies liegt zum einen an den sehr niedrigen Wassertemperaturen, zum anderen an Wind oder Regen. Und dennoch: Südafrika ist in puncto Natur und Landschaft eines der Länder, die man gesehen haben sollte. Trotz viel Pech mit dem Wetter und deutlich weniger Tauchgängen als erwartet und geplant, betrachten wir diesen Bericht als eine Liebeserklärung an die beeindruckende Kraft der Natur, die man nur an wenigen Orten dieser Erde so pur und kraftvoll erleben kann wie hier im südlichsten Land Afrikas.
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