Schreibe eine Bewertung

Bewertungen(5)

Wie doch die Zeit vergeht - aber El Hierro ist im ...

Wie doch die Zeit vergeht - aber El Hierro ist immer wieder eine Reise wert....


Zwei Wochen auf El Hierro, Kanaren, im November 2003

Kälte und Düsterheit des beginnenden Winters ein Schnippchen zu schlagen und den „Jahrhundertsommer“ ein wenig verlängern – dieser Wunsch und Berichte von Taucherfreunden brachten uns auf die Idee, im November zwei Wochen auf der kleinen Kanareninsel El Hierro zu verbringen. Wir, das sind Matthias und ich; er CMAS-***-Taucher mit damals über 500 Tauchgängen und ich CMAS-*-Taucherin mit etwa 130 TGs in verschiedenen Gewässern. Ich war vorher noch nie im Atlantik getaucht, hatte aber schon einmal einen Urlaub auf den Kanaren verbracht und sehr genossen. Von der Tauchbasis Fan Diving von Jutta Bläser und Günter Baumgärtel in La Restinga hatten wir durch andere Taucher gehört, darunter meine Kusine Andrea, die ihre Begeisterung noch mit beeindruckenden Unterwasserfotos illustrierte. Was bei der Planung ganz ungemein hilfreich war, war der perfekte Service von Jutta bereits nach den ersten Kontakten via Internet: Ja, es gebe ab Anfang November Platz für uns an der Basis, und sie könne bei Bedarf ein Appartement vermitteln und hole uns gerne am Fährhafen ab. Wir mußten also nur noch den Flug nach Teneriffa-Süd buchen, dort auf die Fähre umsteigen und die Ankunftszeit mitteilen.
Man kann auch mit einem kleineren Flugzeug von Teneriffa weiterreisen, aber umsteigen heißt es auf jeden Fall, denn El Hierro hat keine Landemöglichkeit für große Flieger. Da das Flugzeug in Frankfurt verspätet startete, kamen wir erst gegen 19.00 Uhr auf Teneriffa an, was sehr knapp wurde. Die Fähre sollte um 19.30 Uhr in Puerto de los Cristianos ablegen. Glücklicherweise schafften wir es gerade noch so mit Hilfe eines fixen Taxis, und weil die Fähre ebenfalls Verspätung hatte. Von der Fahrt bekamen wir leider nicht viel mit, denn es war dunkel geworden. Gegen 24.00 Uhr legten wir dann endlich in Puerto de la Estaca, dem Hafen der Inselhauptstadt Valverde, an. Und da stand tatsächlich eine von oben vom Schiff klein wirkende blonde Frau neben einem Pickup – das könnte die Jutta sein. Sie war es auch, und nach kurzer Begrüßung packten wir das schwere Tauchgepäck (nein, wir hatten kein Blei dabei) auf’s Auto. Während der Fahrt von bestimmt einer halben bis dreiviertel Stunde waren wir nicht sehr gesprächig, denn nach der Reise von insgesamt etwa 14 Stunden fielen uns bald die Augen zu. Also in La Restinga noch das Appartement bezogen und alles weitere „morgen an der Basis“. Auf dem Rückweg nahmen wir wieder die Fähre, die Richtung Teneriffa etwa um Mitternacht ablegt und sich etwa sieben Stunden Zeit läßt; wir haben in diesen Stunden in einer gegen geringen Aufpreis erhältlichen Kabine gut geschlafen.

La Restinga ist ein kleiner und damit übersichtlicher Ort, dessen zwei Supermärkte leicht zu finden sind. Urlauber sind auf Selbstversorgung angewiesen, denn es gibt keine Hotels oder Pensionen dort. Nach einem geschwind eingekauften Frühstück packten wir die Tauchsachen und liefen die wenigen hundert Meter am Hafen entlang zur Basis. Dort lernten wir auch Günter kennen, der fast jeden Tag zweimal mit seinem Boot zu den nahegelegenen Tauchplätzen fährt und dabei maximal sechs bis sieben Taucher mitnimmt. Nach den üblichen Eincheckformalitäten verstauten wir die Tauchausrüstung im gepflegten und großzügigen Trockenraum, erfuhren allgemein Wissenswertes über den Ort und die Insel und verabredeten den ersten Tauchgang für den Folgetag. Den Rest des ersten Urlaubstages unternahmen wir eine kleine Wanderung entlang der Küste, an deren Farben wir uns garnicht sattsehen konnten. Großenteils ist die Küste felsig und rauh, daher sind die Tauchplätze des Mar de las Calmas nur mit dem Boot erreichbar. Das Wasser glänzte rein sattblau ohne jede Beimischung von grün oder türkis, und Felsen und Sand zeigten Farben zwischen pechschwarz und rotbraun entsprechend des vulkanischen Ursprungs der Insel - ein faszinierendes Farbspiel. Überall glitzerten winzige grüne Olivinkriställchen zwischen Sand und Steinen.

Obwohl La Restinga so klein ist, gibt es doch eine ganze Reihe von Gasthäusern, die vor allem Fischgerichte in vielen Variationen anbieten. Wir besuchten sie im Laufe unserer zwei Wochen mehrfach, und immer war das Essen ein Genuß.
Unser Appartement bei Mar de las Casas lag im dritten Stock und bot vom Balkon aus einen schönen Blick auf den Fischerhafen; nach rechts (Westen) bewunderten wir immer wieder farbenfrohe Sonnenuntergänge über der dunklen Küste und dem tiefblauen Wasser. Es war einfach und zweckmäßig eingerichtet mit einer Küchenzeile in der Eßecke des Wohnzimmers, einem Schlafzimmer und einem Bad mit Dusche und Toilette. Trotz der Lage direkt am Hafen war es sehr ruhig.

Getaucht wurde mit 12-Liter-Stahlflaschen. Per Boot erreichten wir die Tauchplätze etwa in fünf bis fünfzehn Minuten. Die Anzüge zogen wir uns bereits an der Basis an, den Rest der Ausrüstung luden wir auf das Auto, das Jutta in den Hafen zum Boot fuhr. Etwa fünf Minuten hatten wir von der Basis zum Anlegeplatz zu gehen. Günter tauchte selbst jedesmal mit, wobei er Anfänger oder Unsichere unter die Fittiche nahm, uns andere nach klarer Einteilung der Buddies (teils ja schon vorgegeben) aber unabhängig tauchen ließ; allerdings war es durchaus ratsam, sich an ihm zu orientieren, denn er kennt ganz offensichtlich die Region wie die berühmte Westentasche und konnte uns Ortsfremde immer wieder auf sonst vielleicht übersehenes aufmerksam machen. Vor dem Tauchgang erhielten wir ein Briefing mit allen wesentlichen Informationen.

Die Tauchplätze vollständig zu beschreiben ist mir nach zwei Wochen Tauchurlaub mit insgesamt 15 bzw. 17 Tauchgängen (ich fiel zwischendurch aus wegen einer Gehörgangsentzündung) nicht möglich. Bei allen waren wir fasziniert vom tiefen Blau des Wassers mit großen Sichtweiten über schwarzen Sand bzw. Fels. Zum Beispiel bei El bajón und bei Baja ribera bildeten die Lavafelsblöcke bis senkrechte Steilwände, an anderen Plätzen fiel zerklüfteter oder sandiger Boden sanft ab.
Weißlich-gelbe, violette und leuchtend rote Schwämme, helle Seeanemonen und in oberen Bereichen blättrige bräunliche Algen und farnartige Seefedern überzogen die Felsen, Purpur- und andere Seesterne wanderten darauf herum, immer wieder stießen wir auf rotweiße Feuerwürmer und große Nacktschnecken; in den Felsritzen und –spalten saßen Masken-, Mittelmeer-, Bacallado- und einmal auch schimmernde Goldschwanzmuränen und Langusten teils in imposanter Größe, in kleineren Ritzen zierliche Gespenstergarnelen. Unter Überhängen standen häufig Igelfische.
Aus weiten schwarzen Sandflächen (zum Beispiel bei El desierto) lugten Sandaale heraus, langsam die Köpfe einziehend, wenn wir über sie hinwegglitten, zwischen ihnen tauchten über dem Boden schwimmende Mittelmeerschermesserfische bei Annäherung blitzschnell in den Sand.
Immer wieder konnten wir Putzergarnelen oder –fische bei der Arbeit an Zackenbarschen oder Muränen beobachten. Bis 150 cm lange und teils garnicht scheue Atlantische Zackenbarsche waren immer wieder anzutreffen, gelegentlich kreuzte einer in strahlendem Gelb („El capitán“) unseren Weg (bei Playa hierradura). Trompetenfische in unterschiedlichen Farben machten Jagd im Sichtschutz der Zackenbarsche oder anderer größerer Fische.
Auf den Felsen bemerkten wir erst mit zunehmender Übung zahlreiche fast perfekt getarnte Madeira-, Afrikanische und Braune Drachenköpfe. In großen Schwärmen tummelten sich verschiedene Riffbarsche, Makrelen und Brassen, einzeln oder zu zweit kleine Kofferfische und bis 50 cm lange Schriftfeilenfische, in kleineren Gruppen graue (weibliche) und rote (männliche) Europäische Papageienfische um die Felsformationen. Ähnlich wie die Drachenköpfe lauerten Grüne und Atlantische Eidechsenfische bewegungslos auf Beute.
Etwas weiter weg von Fels oder Grund sahen wir immer wieder Pilotbarsche, Ozeandrücker, Barrakudas und Wahoos, einige Male auch kleine farblose Quallen und Salpen im Freiwasser.
Einmal begegnete unserem Boot eine Schule Delphine, die uns, als wir uns ihnen schnorchelnd näherten, jedoch auswichen.
Höhepunkte stellten die gelegentlichen Begegnungen mit Adlerrochen dar, die unnachahmlich elegant durch’s Wasser segelten oder versteckt auf sandigem Boden ruhten.
Ausgerechnet das Hafenbecken kann wunderbare Nachttauchgänge bieten, was aber laut Günter sehr wetter- und strömungsabhängig ist. Wir hatten keine optimalen Bedingungen bei Ebbe und mäßiger Sicht, konnten aber dennoch zahlreiche aktive Gepunktete Seehasen und Seegurken beobachten und zum Schlafen „eingeschleimte“ Papageienfische sehen.

Mantas kommen nach Günters Erzählungen je nach Jahreszeit vorbei, wir hatten Pech und haben keine gesehen.

Die Wassertemperaturen lagen bei etwa 23°C, mit meinem 6,5-mm-Naßanzug mit Überzieher habe ich bis etwa 50 min Tauchdauer in Maximaltiefen zwischen zwölf und 39 Metern gut durchgehalten, dann allerdings doch leicht gefroren. Matthias tauchte zunächst im Trockenanzug, als dessen Halsmanschette leckte, bekam er (ohne Aufpreis übrigens) von Günter einen 7-mm-Naßanzug mit Haube geliehen, in dem ihm gut warm war. Ein zeitweilig mitfahrendes Pärchen tauchte durchgehend trocken.
Die Lufttemperatur dürfte so um die 25°C gehabt haben, allerdings fühlte sich der Wind auf dem Boot nach den Tauchgängen und am Abend kühler an. Draußensitzen auf dem Balkon und an den Tischen der Kneipen in der Hafenstraße war gut möglich, aber ich habe dabei einen langärmeligen Pullover übergezogen. Öfters haben uns mit den anderen Tauchern, Günter und Jutta abends zum Essen oder auf ein „Dekobierchen“ getroffen.

Wir selbst haben unter Wasser nicht fotografiert, aber Günter stellte uns aus den von ihm eingefangenen Bildern eine musikunterlegte Präsentation auf CD zusammen, die beim Anschauen und Zeigen gleich wieder Urlaubssehnsüchte weckt.

El Hierro ist übrigens nicht nur unter Wasser interessant; wir verbrachten etliche Tage mit Wanderungen und Rundfahrten (Mietautos gibt es nur in Valverde; auch hier war Jutta eine große Hilfe). So klein die Insel ist, so vielfältig ist sie durch ganz unterschiedliche Klimazonen oben in den Bergen und in Küstennähe. In den Bergen (bis 1500 m Höhe) hatte es um die 15°C und immer wieder Regen, also eine recht hohe Luftfeuchtigkeit und eine entsprechend grüne, manchmal im Nebel versinkende Landschaft mit Wiesenmatten und Wald, an der Küste herrscht wüstenhafte Trockenheit, und entsprechend spärlicher ist die Vegetation. Im Übergang dazwischen gibt es zahlreiche helle Pinienwälder und trockene Hochebenen, auf denen vom ständigen Wind bis zur Waagerechten gebeugte Bäume stehen.
Nach dem Tauchen darf man allerdings nicht gleich losfahren ins Inselinnere – bei den steilen Anstiegen könnte man sich ohne weiteres eine Dekompressionskrankheit einfangen. Die nächste Druckkammer steht auf Teneriffa....

Ursula ´Urmel´ Schwemmle



alle Bilder von Günter Baumgärtel