Eine Trauminsel, Hammerhaie und ein Ausflug in de ...
Eine Trauminsel, Hammerhaie und ein Ausflug in den Abyss
Cocos Island mit der Sea Hunter, 16.12.-26.12.2010
Die Isla del Coco ist ein legendäres Traumziel für Taucher und liegt 500 km vor der Küste Costa Ricas im Pazifik. Bekannt ist sie unter anderem durch den spektakulären Film “Island of the sharks” von Howard Hall, der schon vor Jahren in den IMAX-Kinos zu sehen war. Zur Steigerung der Vorfreude auf eine geplante Reise, oder auch nur um sich einen Eindruck von diesem Paradies zu verschaffen, kann ich die mittlerweile erhältliche DVD wärmstens empfehlen.
Ich hatte im September eine Reise auf der Sea Hunter gebucht, nach exzellenter Beratung durch Michael Christ von Tauchertaum. Bemerkenswert war dabei auch, dass sich Herr Christ währenddessen gerade bei den Walen in Französisch-Polynesien aufhielt und dennoch in der Lage war, meine E-mails promt und präzise zu beantworten und die Reise inklusive Flüge zu buchen. Wie er das vom anderen Ende der Welt aus schaffte, ist mir immer noch ein Rätsel! Danke und meinen Respekt dafür an dieser Stelle!
Am 13.12. ging es dann los, mit Iberia über Madrid nach San José. Ich hatte 3 Nächte in einem Hotel der Hauptstadt Costa Ricas organisiert, um nach etlichen schlechten Erfahrungen mit der spanischen Fluglinie die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, dass mein Gepäck bis zum Antritt der Safari auch wirklich ankommt. Meine Bedenken waren diesmal unbegründet, alles war mitgekommen. Umso besser! Ein Shuttlebus des Hotels brachte mich vom Flughafen zum Hotel Best Western Irazú. Das Hotel ist ok, bietet kostenlose internationale Telefonate per VoIP und gratis WLAN, liegt aber an der Panamericana-Autobahn und deutlich ausserhalb der Stadt. Für kürzere Aufenthalte ist es durchaus empfehlenswert. Während meines Aufenthaltes dort verzeichnete San José die kältesten Temperaturen seit 15 Jahren (12 Grad tagsüber). Die Ticos, wie sich die Costaricaner auch nennen, trugen Schals und Handschuhe... Der wolkenverhangene Himmel und der Jet-Lag bewogen mich dazu, auf einen Tagesausflug zu den Vulkanen ringsum zu verzichten. Ich unternahm einen längeren Spaziergang durch San José, das würde ich jedoch nicht unbedingt wiederholen wollen. Die Hauptstadt ist (im Gegensatz zum Rest des Landes) wenig attraktiv und hat kaum historische Gebäude. Allenfalls die lebhafte Markthalle war sehenswert. Das nächste Mal werde ich aber noch eine gute Woche in Costa Rica verbringen wollen, das Land hat sicher noch so viel mehr zu bieten.
Am Vorabend des Transfers nach Puntarenas erhielt ich ein Fax durch die Veranstalter: “Welcome to the beginning of your Cocos Dive Adventure! The vessel is ready and waiting, the sharks, mantas and dolphins are lined up, and we´ve even put in an order for a whale shark or whale, and all that´s missing is you...”. Am nächsten Morgen würde man mich am Hotel abholen. Meine Vorfreude hatte sich mittlerweile nochmals vervielfacht!
Schon der Transfer am Folgetag machte grossen Spass. Ein kleiner Lastwagen transportierte vorneweg das Gepäck. Die 15 Gäste, bunt gemischt aus fast allen Ecken dieser Welt und darunter etliche “Cocos-Wiederholungstäter”, sassen in einem dahinter fahrenden, komfortablen Kleinbus. Unser Fahrer war bester Stimmung und gab über ein Mikrofon 3 Stunden lang eine höchst interessante und kurzweilige Einführung über Costa Rica im allgemeinen und zahlreiche Dinge, die am Wegesrand zu bestaunen waren, im besonderen. So reisten wir durch diverse Klima- und Vegetationszonen vom kühlen Hochland in die schwülheisse Tiefebene am Pazifik, unterbrochen durch einen Stop in einem landestypischen Restaurant. In Puntarenas angekommen ging es nochmal kurz zu einem Supermarkt für letzte Einkäufe der Gäste, und dann endlich auf unser Schiff, die Sea Hunter. Nach Begrüssungsdrink und Schiffs-Briefing legten wir ab zur über 30-stündigen Überfahrt zur Isla del Coco.
Die Sea Hunter ist ein hochseetüchtiges Schiff mit Stahlrumpf, sämtlicher moderner Sicherheitstechnik, einem sehr funktionellem und riesigen Tauchdeck (mit mehreren grossen Spülbecken, Pressluft-Outlets zum Trocknen/Säubern von Kameras, luxuriös grossen Fächern für jeden Taucher zum Verstauen von Ausrüstung etc.), gemütlichem Salon inklusive Kinoleinwand-ähnlichem Fernseher und Videothek, zweckmässigen Kabinen, einem schönen Essbereich (wo ein exzellentes Essen serviert wird), sowie einer kleinen Bibliothek inklusive Computer zum Herunterladen eigener Fotos und Brennen von DVDs. Kurzum: ein perfektes Tauchschiff mit sehr sympathischer und professioneller Crew. Bis ins Detail merkt man die über 20-jährige Erfahrung der Eigner und versteht, warum auch professionelle Filmcrews häufiger die Schiffe der UnderseaHunter-Group chartern. Ich habe bisher nichts vergleichbares erlebt, und ich hatte das Glück, schon auf einigen wirklich guten Tauchschiffen zu Gast sein zu dürfen.
Auf den Überfahrten wird etwa die Hälfte des grossen Sonnendecks der Sea Hunter durch die zwei Hartschalen-Boote belegt, von denen aus getaucht wird (ein achtern fest installierter Kran bringt diese Boote zu Wasser). Es bleibt dennoch genügend Platz, die Überfahrt an Deck zu geniessen – zumindest wenn man nicht seekrank wird. Anders als etwa ein Drittel meiner Mitreisenden war ich selbst dafür jedoch nicht anfällig. Und so blieb auch Zeit, an Bord interessante Gespräche mit Park-Rangern und Wissenschaftlern (siehe z.B. www.misiontiburon.org) zu führen, welche von der UnderseaHunter-Group eine Art Shuttle-Service zur Isla del Coco und zurück offeriert bekommen.
Spät in der Nacht des zweiten Tages kamen wir schliesslich an. In den folgenden sieben Tagen sah unser Tagesablauf folgendermassen aus: 7:00 Uhr Frühstück, 8:00 1. TG, 11:00 2. TG, danach Mittagessen, 15:00 3. TG, 18:00 Nacht-TG. Nach dem Abendessen dann mehrfach Vorführung von interessanten Filmen über Cocos und seine Ökologie durch unseren “Cruise Director” Edwar, seines Zeichens kolumbianischer Meeresbiologe und professioneller UW-Fotograf. Diese Präsentationen waren wirklich erste Sahne, extrem unterhaltsam und informativ. Edwar produzierte auch eine DVD mit Fotos und Videos unserer Reise, die am Ende gekauft werden konnte. Zwei weitere einheimische Divemaster, Felipe und Esteban, begleiteten uns auf den Tauchgängen und sorgten zusammen mit den Bootsfahrern für perfekt geplante und sichere Tauchgänge rund um Cocos.
Getaucht wird wie schon erwähnt von Hartschalen-Booten aus. Diese sind mit ihren jeweils zwei Aussenbord-Motoren schnell und bieten geschütze Ablageflächen für Kamera-Ausrüstung und durch Leitern bequeme Ausstiege aus dem Wasser. Meines Erachtens ein deutlicher Vorteil gegenüber Zodiacs. Die Tauchausrüstung bleibt auf diesen Booten, die Flaschen werden vom Mutterschiff aus dort befüllt. Man nimmt zwischen den Tauchgängen lediglich Neopren und Kamera mit auf die Sea Hunter. Ein Wenoll-System befindet sich immer an Bord und ist notfalls direkt nach dem Tauchgang einsatzbereit. Jeder Taucher erhält einen speziellen Notruf-Sender und eine Signalboje, potentiell lebensrettend für den Fall, dass man doch einmal abgetrieben werden sollte. Geatmet wird unter Wasser fast ausschliesslich 32er Nitrox; sollte jemand das entsprechende Brevet nicht besitzen, kann man auf der Überfahrt einen Kurs machen. Rebreather-freundlich ist die Sea Hunter natürlich auch.
Die maximale Zahl der Taucher auf Cocos ist auf 60 begrenzt. Durch Absprache der Schiffe untereinander und Aufteilung der Gäste eines Schiffes auf mehrere Boote ist man mit seiner Gruppe (ca. 8 Taucher) an den Tauchplätzen alleine. Also kein Rudeltauchen wie zum Beispiel so häufig am Roten Meer zu erleben. Daneben wurden wir auch nicht gegängelt mit Maske-Ausblasen, Kontrolle der Computer oder ähnlichem. Solotauchen wird nicht gerne gesehen, aber man muss nicht sklavisch an seinem Buddy kleben, was gerade für Fotografen ideal ist. Zu diesem Laisser-faire trägt natürlich auch bei, dass fast ausschliesslich erfahrene Taucher hierher kommen. Ausgetaucht wird häufig im Blauwasser, inmitten riesiger Schwärme von Fischen. Teilweise strömt es wirklich heftig, und es bilden sich an manchen Stellen auch grosse waschmaschinenartige Wasserwirbel. Da heisst es dann Nerven bewahren! Und immer schön konservativ austauchen, die nächste Druckkammer ist mindestens 32 Stunden entfernt. Tauchgänge um Cocos sind daher weder für Anfänger noch für Draufgänger geeignet.
Bei unseren Tauchgängen ging es in erster Linie um Hammerhaie, die wir praktisch jedesmal sahen. Wegen der Strömungen taucht man mit entleertem Jacket sofort zügig bis auf 15-30 Meter ab und findet dort einen Halt an den Felsen. Sobald die Gruppe komplett ist, sucht man eine Putzerstation und einen geigneten Felsbrocken daneben, hinter welchem man sich verstecken und gegebenenfalls in der Strömung festhalten kann. Vorsicht vor Seeigeln, die einem sonst das berüchtigte “Cocos-Tattoo” verpassen! Handschuhe (auch billige aus dem Baumarkt) sind im Gegensatz zu Tauchgängen an Korallenriffen unbedingt empfehlenswert. Wenn sich dann die Hammerhaie nähern, um geputzt zu werden, wendet man als Open-Circuit-Diver die “Blue Diver Technique” an: also möglichst nicht ausatmen, bis sich der Hai direkt vor einem befindet. Blasen vertreiben nämlich diese scheuen Tiere. Kommentar von Edwar: “Wenn sich natürlich eine Schule mit mehreren hundert Tieren nähert, dann bitte doch irgendwann weiteratmen!”. Das ist Cocos-Diving, in einem Satz zusammengefasst!
Neben Hammerhaien sahen wir unter anderem auch Galapagos-, Seiden-, Blacktip- und Tigerhaie, sowie grosse Gruppen von Adler- und Stachelrochen. Die überall in grosser Zahl präsenten Weissspitzen-Riffhaie beachtet man nach kurzer Zeit kaum noch – mit Ausnahme der spektakulären und berühmten Nachttauchgänge bei Manuelita. Im Internet hatte ich zu meinem Bedauern vorher noch gelesen, dass diese Nachttauchgänge eine Zeit lang ausgesetzt worden waren, da Tigerhaie zum Teil aggressives Verhalten gegenüber Tauchern gezeigt hätten. Dies gilt aktuell nicht mehr (Gott sei Dank! Was hätten wir sonst verpasst!). Zwar wird nicht jede Nacht bei Manuelita getaucht, da man diesen Platz vor zu vielen Tauchern bewahren will, doch zweimal hatten wir dort das nächtliche Vergnügen. Es wimmelt nur so von Weissspitzen, die unruhig ihre Bahnen ziehen und den Schein der Tauchlampen zum Aufspüren von Beute auszunutzen gelernt haben. Wenn nun ein unglücklicher Fisch ertappt wird, stürzt sich eine wahre Meute auf ihn und prügelt sich frenetisch um den Happen. Das erinnerte mich irgendwie an hysterische Hausfrauen am Wühltisch im Schlussverkauf, nur nochmals um einige Zehnerpotenzen verschärft! Zwei Vorsichtsregeln gilt es bei diesen Tauchgängen zu beachten. Erstens: mindestens 1-2 Meter Abstand zum Boden, damit man den Überblick behält und vermeiden kann, dass sich ein Beutefisch vor den Haien ins BCD-Jacket des Tauchers flüchtet (dann hat man nämlich ein Problem!). Zweitens: wenn sich die Weissspitzen plötzlich verkrümeln, ist vermutlich ein Tigerhai im Anmarsch, der seinerseits gerne die Weissspitzen als Beute ins Auge fasst. Dann als Gruppe geschlossen auf den Boden und später vorsichtig das Wasser gemeinsam verlassen. Wir waren gerade beim Sicherheitsstop, als ein circa 5 Meter langer Tiger direkt unter uns durchschwamm. Eine gewisse Gänsehaut gestehe ich durchaus ein.
Tagsüber ist die Begegnung mit einem Tiger weniger adrenalinreich, aber immer noch imposant. Bei der Rückfahrt von einem der Tauchplätze konnten wir 2 Tiger beobachten, die ihrer Aufgabe als Gesundheitspolizei des Meeres folgend gerade einer Schildkröte mit einem grossen Tumor im Nacken die linke Vorderflosse amputiert hatten und nun geduldig auf eine günstige Gelegenheit warteten, dem Rest des Tieres den Garaus zu machen. Selbstredend sprangen einige Enthusiasten gleich noch einmal ins Wasser...
Die “andere” Gruppe der Sea Hunter (das “Yellow Team”) hatte daneben das Vergnügen einer viertelstündigen Privataudienz mit einem Walhai, der mehrfach seine Bahnen um unsere Freunde zog, sowie eines ausgiebigen Treffens mit verspielten Delfinen. Diese Highlights blieben uns (dem “Blue Team”) leider versagt. Insgesamt bietet die Isla del Coco wohl noch einiges an Überraschungen, die ich eben dann beim nächsten Mal entdecken muss – mein Traum als Taucher wäre insbesondere ein Baitball. Selbst Buckel- und Schwertwale werden gelegentlich vor Cocos gesichtet. Im September hat wohl einer der Gäste ein Foto von einem Orca schiessen können, der gerade einen Hammerhai gepackt hat. Ziemlich spektakulär, wie ich finde. Vielleicht probiere ich es das nächte Mal zu einer anderen Jahreszeit, auch um die wirklich grossen Gruppen von Hammerhaien von bis zu 1000 Tieren zu sehen (wir sahen maximal Gruppen von vielleicht 30 Exemplaren). In der Regenzeit von Mai bis November ist die Überfahrt wohl meist ruppiger und die Sicht unter Wasser etwas schlechter, aber die Chance auf spezielle Begegnungen auch noch ein wenig grösser. Natürlich gilt wie immer, dass man ein bisschen Glück haben muss. Schliesslich ist das kein Zoo. Aber auch so war das Tauchen hier für uns alle ein echtes “Hammer-Erlebnis”, im wörtlichen Sinne!
Mein persönliches Highlight auf dieser Reise war jedoch eine knapp vierstündige Tauchfahrt mit dem U-Boot DeepSee bis auf 303 Meter Tiefe. Schon vorher hatte ich ausführlich über dieses wohl einmalige Vehikel gelesen und es auch in Filmen gesehen (weitere Infos siehe www.underseahunter.com). Neben dem Piloten finden zwei Passagiere Platz, und durch die 4 Zoll dicke sphärische Acrylglas-Kuppel hat man einen fantastischen Rundum-Ausblick auf die skurrilen Lebewesen der Tiefsee. Allerdings wusste ich, das die DeepSee meistens auf der Argo, dem neuen Schwesterschiff der Sea Hunter, stationiert ist. Folglich rechnete ich nicht mit der Gelegenheit, auf dieser Reise einmal einen Abstecher in den Abyss zu unternehmen. Die Argo lag jedoch noch bis zwei Tage nach unserer Ankunft bei Cocos vor Anker, und als man uns fragte, ob wir Interesse an einer Tauchfahrt hätten, musste ich nicht lange überlegen: natürlich wollte ich! Dafür nahm ich auch in Kauf, mein Bankkonto noch weiter zu strapazieren und zwei Tauchgänge auf Cocos ausfallen zu lassen... Mein auf der Sea Hunter neu kennengelernter Tauch-Buddy Yoshinobu aus Tokio war mit dabei, auch er wollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Es begann mit einem bemerkenswerten Sicherheitsbriefing: Was tun, wenn der Pilot ohnmächtig wird? Wie bringe ich das U-Boot dann zurück an die Oberfläche? Was tun, wenn plötzlich Rauch in der Kabine ist? – Keine Sorge, alles ist perfekt organisiert, die israelischen Piloten der DeepSee sind echte Profis. Dann Overalls und frische Socken anziehen, damit das U-Boot innen schön sauber bleibt, von der Argo aus trockenes Einsteigen in das Gefährt, nochmaliges Durchgehen der Sicherheitsrichtlinien und Einweisung in die wichtigsten Systeme – und los ging es. Ein Beiboot, welches während der Tauchfahrt konstant über Funk mit dem U-Boot in Verbindung steht, schleppte uns rund eine Seemeile weg von der Insel, bis über eine Stelle, wo in 200 Metern Tiefe der Boden der Cocos-Platte abrupt abbricht und eine Steilwand in die fast bodenlose Tiefsee abfällt.
Schon beim Abtauchen grüsste uns auf 60 Metern ein vorbeiziehender Mobula-Rochen. Das Licht wurde mit zunehmender Tiefe erst intensivst blau und verschwand bei etwa 200 Metern fast völlig. Ein unwirkliches Gefühl. Dann schwebten wir langsam die Steilwand hinunter. Von den starken Scheinwerfen angestrahlt entdeckten wir weisse Korallen, die in dieser dunklen Tiefe natürlich keine farbenbildenden Algen enthalten, ausserdem Seesterne, Skorpionfische, einen in einer Spalte versteckten Tiefseehai, sowie allerlei Lebensformen, deren Namen ich leider schon wieder vergessen habe. Ein Ausflug zum Mond kann kaum spezieller sein als das, was wir erlebten (ich persönlich würde eine Fahrt mit der DeepSee dem Mondspaziergang vorziehen, aber der Vergleich passt irgendwie aufgrund der Sonderbarkeit der Umgebung). Der Felsen vor uns und die Kreaturen auf ihm erschienen zum Greifen nahe. Die Kuppel der DeepSee verzerrt allerdings die Perspektive: alles erscheint deutlich kleiner und näher, als es tatsächlich ist. Erst als Eli, unser Pilot, zwei Laserstrahlen als Massstab an die Wand projizierte und uns erklärte, der Abstand zwischen beiden sei 30 cm (ich schätzte vielleicht 5 cm), bekamen wir einen Eindruck davon, wie gross einige der Tiere waren, die wir sehen konnten. Das Wasser in der Tiefe war so klar, dass wir die Steilwand über uns mindestens 70 Meter bis zum Abbruch emporschauen konnten. Die Zeit verging buchstäblich wie im Fluge. Ich kann mich kaum an einen ähnlich faszinierenden Moment erinnern. Mein Mund stand sicherlich dauernd offen vor lauter Staunen.
Schliesslich war es Zeit, wieder in geringere Tiefe aufzusteigen. An der Abbruchkante entlang schwebten wir zu Felsen in knapp 200 Metern Tiefe, die reich mit riesigen Zackenbarschen, Anglerfischen, Krabben und anderen Wesen bevölkert sind. Eli schaltete das Licht der DeepSee aus, und im diffusen Dämmerlicht kam ein Zackenbarsch auf uns zu, um uns näher in Augenschein zu nehmen. Eli nahm eine Rotlicht-Taschenlampe und hielt sie an die Innenseite der Kuppel. Der Zacki öffnete sein Maul ganz weit, fast wie beim Zahnarzt. Vielleicht wollte er sich von uns putzen lassen? Oder drohte er uns? Als wir die Scheinwerfer wieder anschalteten, bekamen wir Besuch von vier Mobulas, die sicher für zehn Minuten förmlich um uns herum tanzten. Einer der Teufelsrochen scheuerte seine Unterseite an der Kuppel der DeepSee, nur Zentimeter von unseren Köpfen entfernt... Was für ein Traum! Was für eine Begegnung der dritten Art! Schade, dass dieses Erlebnis nicht länger dauerte. Aber wohl fast jede Zeit der Welt wäre letztlich zu kurz gewesen. Irgendwann erreichten wir schliesslich wieder die Oberfläche, im Bewusstsein, dass bisher nur wenigen Menschen solche Erlebnisse vergönnt waren.
Noch ein paar Worte zur eigentlichen Insel Cocos. Im Durchschnitt alle 100-150 Meter stürzt ein Wasserfall die steilen Klippen hinab ins Meer. Die üppige Vegetation scheint gleichfalls fast in Meer zu fliessen. Unzählige Seevögel brüten an den Felsen. Ich selbst habe keinen Fuss auf die Insel gesetzt, einige meiner Mitreisenden haben wenigstens die Ranger-Station besucht. Für einen grösseren Wanderausflug, etwa zu den Wasserfällen im Inland, war das Wetter zu schlecht und die Wege durch den vielen Regen zu schlammig. Trotz der eigentlich von Dezember bis April vorherrschenden Trockenzeit: Cocos ist eben einer der regenreichsten Orte der Erde, mit rund 8000 mm Niederschlag im Jahr! Wenn ich Paradies definieren sollte, dann käme mir in Zukunft wohl als erstes diese Insel in den Sinn. Ich kann nur inständig hoffen, dass das Paradies noch lange erhalten bleibt: an etlichen Felsen sieht man verhakte Langleinen von illegalen Fischerei-Aktivitäten hängen – obwohl im Umkreis von 12 Seemeilen jegliche Fischerei eigentlich verboten ist, und obwohl diese Schweinereien regelmässig (und in grossen Mengen) von den Parkaufsehern entfernt werden. Umso höher schätze ich den Wert der Arbeit der oben erwähnten Wissenschaftler und Aktivisten ein, die unter anderem auch viel Zeit und Mühe in die Information von costaricanischen Schulkindern über die Schönheit und Schützenswürdigkeit dieses Ökosystems investieren.
Als wir schliesslich am Heiligabend nach nochmals drei Tauchgängen die lange Rückfahrt zum Festland antraten, begleiteten uns für einige Zeit Delfine, die auf der Bugwelle der Sea Hunter surften. Im fahlen Mondlicht sah man nur fast nur ihre Silhoutten, durch Aufwirbeln von fluoreszierendem Plankton leuchteten ihre Umrisse. Alle paar Sekunden sprang einer der Burschen aus dem Wasser und landete mit lautem Klatschen wieder dort. Ich habe das als Aufforderung verstanden, schon bald wieder hierher zurückzukehren.
Eine Warnung noch zum Schluss: Cocos kann süchtig machen, schon nach nur einwöchiger Anwendung. Unter Fachleuten, die das Phänomen kennen, spricht man wohl auch von “Cocoholismus”. Cocos reisst ausserdem zugegebenermassen ein ziemlich grosses Loch ins Portemonnaie. Aber das ist es wert. Man kommt sozusagen “arm, aber glücklich” nach Hause. Letzteres gilt umso mehr, wenn man sich, so wie ich, zusätzlich noch einen Ausflug in den Abyss gönnt...
Mehr lesenCocos Island mit der Sea Hunter, 16.12.-26.12.2010
Die Isla del Coco ist ein legendäres Traumziel für Taucher und liegt 500 km vor der Küste Costa Ricas im Pazifik. Bekannt ist sie unter anderem durch den spektakulären Film “Island of the sharks” von Howard Hall, der schon vor Jahren in den IMAX-Kinos zu sehen war. Zur Steigerung der Vorfreude auf eine geplante Reise, oder auch nur um sich einen Eindruck von diesem Paradies zu verschaffen, kann ich die mittlerweile erhältliche DVD wärmstens empfehlen.
Ich hatte im September eine Reise auf der Sea Hunter gebucht, nach exzellenter Beratung durch Michael Christ von Tauchertaum. Bemerkenswert war dabei auch, dass sich Herr Christ währenddessen gerade bei den Walen in Französisch-Polynesien aufhielt und dennoch in der Lage war, meine E-mails promt und präzise zu beantworten und die Reise inklusive Flüge zu buchen. Wie er das vom anderen Ende der Welt aus schaffte, ist mir immer noch ein Rätsel! Danke und meinen Respekt dafür an dieser Stelle!
Am 13.12. ging es dann los, mit Iberia über Madrid nach San José. Ich hatte 3 Nächte in einem Hotel der Hauptstadt Costa Ricas organisiert, um nach etlichen schlechten Erfahrungen mit der spanischen Fluglinie die Wahrscheinlichkeit zu maximieren, dass mein Gepäck bis zum Antritt der Safari auch wirklich ankommt. Meine Bedenken waren diesmal unbegründet, alles war mitgekommen. Umso besser! Ein Shuttlebus des Hotels brachte mich vom Flughafen zum Hotel Best Western Irazú. Das Hotel ist ok, bietet kostenlose internationale Telefonate per VoIP und gratis WLAN, liegt aber an der Panamericana-Autobahn und deutlich ausserhalb der Stadt. Für kürzere Aufenthalte ist es durchaus empfehlenswert. Während meines Aufenthaltes dort verzeichnete San José die kältesten Temperaturen seit 15 Jahren (12 Grad tagsüber). Die Ticos, wie sich die Costaricaner auch nennen, trugen Schals und Handschuhe... Der wolkenverhangene Himmel und der Jet-Lag bewogen mich dazu, auf einen Tagesausflug zu den Vulkanen ringsum zu verzichten. Ich unternahm einen längeren Spaziergang durch San José, das würde ich jedoch nicht unbedingt wiederholen wollen. Die Hauptstadt ist (im Gegensatz zum Rest des Landes) wenig attraktiv und hat kaum historische Gebäude. Allenfalls die lebhafte Markthalle war sehenswert. Das nächste Mal werde ich aber noch eine gute Woche in Costa Rica verbringen wollen, das Land hat sicher noch so viel mehr zu bieten.
Am Vorabend des Transfers nach Puntarenas erhielt ich ein Fax durch die Veranstalter: “Welcome to the beginning of your Cocos Dive Adventure! The vessel is ready and waiting, the sharks, mantas and dolphins are lined up, and we´ve even put in an order for a whale shark or whale, and all that´s missing is you...”. Am nächsten Morgen würde man mich am Hotel abholen. Meine Vorfreude hatte sich mittlerweile nochmals vervielfacht!
Schon der Transfer am Folgetag machte grossen Spass. Ein kleiner Lastwagen transportierte vorneweg das Gepäck. Die 15 Gäste, bunt gemischt aus fast allen Ecken dieser Welt und darunter etliche “Cocos-Wiederholungstäter”, sassen in einem dahinter fahrenden, komfortablen Kleinbus. Unser Fahrer war bester Stimmung und gab über ein Mikrofon 3 Stunden lang eine höchst interessante und kurzweilige Einführung über Costa Rica im allgemeinen und zahlreiche Dinge, die am Wegesrand zu bestaunen waren, im besonderen. So reisten wir durch diverse Klima- und Vegetationszonen vom kühlen Hochland in die schwülheisse Tiefebene am Pazifik, unterbrochen durch einen Stop in einem landestypischen Restaurant. In Puntarenas angekommen ging es nochmal kurz zu einem Supermarkt für letzte Einkäufe der Gäste, und dann endlich auf unser Schiff, die Sea Hunter. Nach Begrüssungsdrink und Schiffs-Briefing legten wir ab zur über 30-stündigen Überfahrt zur Isla del Coco.
Die Sea Hunter ist ein hochseetüchtiges Schiff mit Stahlrumpf, sämtlicher moderner Sicherheitstechnik, einem sehr funktionellem und riesigen Tauchdeck (mit mehreren grossen Spülbecken, Pressluft-Outlets zum Trocknen/Säubern von Kameras, luxuriös grossen Fächern für jeden Taucher zum Verstauen von Ausrüstung etc.), gemütlichem Salon inklusive Kinoleinwand-ähnlichem Fernseher und Videothek, zweckmässigen Kabinen, einem schönen Essbereich (wo ein exzellentes Essen serviert wird), sowie einer kleinen Bibliothek inklusive Computer zum Herunterladen eigener Fotos und Brennen von DVDs. Kurzum: ein perfektes Tauchschiff mit sehr sympathischer und professioneller Crew. Bis ins Detail merkt man die über 20-jährige Erfahrung der Eigner und versteht, warum auch professionelle Filmcrews häufiger die Schiffe der UnderseaHunter-Group chartern. Ich habe bisher nichts vergleichbares erlebt, und ich hatte das Glück, schon auf einigen wirklich guten Tauchschiffen zu Gast sein zu dürfen.
Auf den Überfahrten wird etwa die Hälfte des grossen Sonnendecks der Sea Hunter durch die zwei Hartschalen-Boote belegt, von denen aus getaucht wird (ein achtern fest installierter Kran bringt diese Boote zu Wasser). Es bleibt dennoch genügend Platz, die Überfahrt an Deck zu geniessen – zumindest wenn man nicht seekrank wird. Anders als etwa ein Drittel meiner Mitreisenden war ich selbst dafür jedoch nicht anfällig. Und so blieb auch Zeit, an Bord interessante Gespräche mit Park-Rangern und Wissenschaftlern (siehe z.B. www.misiontiburon.org) zu führen, welche von der UnderseaHunter-Group eine Art Shuttle-Service zur Isla del Coco und zurück offeriert bekommen.
Spät in der Nacht des zweiten Tages kamen wir schliesslich an. In den folgenden sieben Tagen sah unser Tagesablauf folgendermassen aus: 7:00 Uhr Frühstück, 8:00 1. TG, 11:00 2. TG, danach Mittagessen, 15:00 3. TG, 18:00 Nacht-TG. Nach dem Abendessen dann mehrfach Vorführung von interessanten Filmen über Cocos und seine Ökologie durch unseren “Cruise Director” Edwar, seines Zeichens kolumbianischer Meeresbiologe und professioneller UW-Fotograf. Diese Präsentationen waren wirklich erste Sahne, extrem unterhaltsam und informativ. Edwar produzierte auch eine DVD mit Fotos und Videos unserer Reise, die am Ende gekauft werden konnte. Zwei weitere einheimische Divemaster, Felipe und Esteban, begleiteten uns auf den Tauchgängen und sorgten zusammen mit den Bootsfahrern für perfekt geplante und sichere Tauchgänge rund um Cocos.
Getaucht wird wie schon erwähnt von Hartschalen-Booten aus. Diese sind mit ihren jeweils zwei Aussenbord-Motoren schnell und bieten geschütze Ablageflächen für Kamera-Ausrüstung und durch Leitern bequeme Ausstiege aus dem Wasser. Meines Erachtens ein deutlicher Vorteil gegenüber Zodiacs. Die Tauchausrüstung bleibt auf diesen Booten, die Flaschen werden vom Mutterschiff aus dort befüllt. Man nimmt zwischen den Tauchgängen lediglich Neopren und Kamera mit auf die Sea Hunter. Ein Wenoll-System befindet sich immer an Bord und ist notfalls direkt nach dem Tauchgang einsatzbereit. Jeder Taucher erhält einen speziellen Notruf-Sender und eine Signalboje, potentiell lebensrettend für den Fall, dass man doch einmal abgetrieben werden sollte. Geatmet wird unter Wasser fast ausschliesslich 32er Nitrox; sollte jemand das entsprechende Brevet nicht besitzen, kann man auf der Überfahrt einen Kurs machen. Rebreather-freundlich ist die Sea Hunter natürlich auch.
Die maximale Zahl der Taucher auf Cocos ist auf 60 begrenzt. Durch Absprache der Schiffe untereinander und Aufteilung der Gäste eines Schiffes auf mehrere Boote ist man mit seiner Gruppe (ca. 8 Taucher) an den Tauchplätzen alleine. Also kein Rudeltauchen wie zum Beispiel so häufig am Roten Meer zu erleben. Daneben wurden wir auch nicht gegängelt mit Maske-Ausblasen, Kontrolle der Computer oder ähnlichem. Solotauchen wird nicht gerne gesehen, aber man muss nicht sklavisch an seinem Buddy kleben, was gerade für Fotografen ideal ist. Zu diesem Laisser-faire trägt natürlich auch bei, dass fast ausschliesslich erfahrene Taucher hierher kommen. Ausgetaucht wird häufig im Blauwasser, inmitten riesiger Schwärme von Fischen. Teilweise strömt es wirklich heftig, und es bilden sich an manchen Stellen auch grosse waschmaschinenartige Wasserwirbel. Da heisst es dann Nerven bewahren! Und immer schön konservativ austauchen, die nächste Druckkammer ist mindestens 32 Stunden entfernt. Tauchgänge um Cocos sind daher weder für Anfänger noch für Draufgänger geeignet.
Bei unseren Tauchgängen ging es in erster Linie um Hammerhaie, die wir praktisch jedesmal sahen. Wegen der Strömungen taucht man mit entleertem Jacket sofort zügig bis auf 15-30 Meter ab und findet dort einen Halt an den Felsen. Sobald die Gruppe komplett ist, sucht man eine Putzerstation und einen geigneten Felsbrocken daneben, hinter welchem man sich verstecken und gegebenenfalls in der Strömung festhalten kann. Vorsicht vor Seeigeln, die einem sonst das berüchtigte “Cocos-Tattoo” verpassen! Handschuhe (auch billige aus dem Baumarkt) sind im Gegensatz zu Tauchgängen an Korallenriffen unbedingt empfehlenswert. Wenn sich dann die Hammerhaie nähern, um geputzt zu werden, wendet man als Open-Circuit-Diver die “Blue Diver Technique” an: also möglichst nicht ausatmen, bis sich der Hai direkt vor einem befindet. Blasen vertreiben nämlich diese scheuen Tiere. Kommentar von Edwar: “Wenn sich natürlich eine Schule mit mehreren hundert Tieren nähert, dann bitte doch irgendwann weiteratmen!”. Das ist Cocos-Diving, in einem Satz zusammengefasst!
Neben Hammerhaien sahen wir unter anderem auch Galapagos-, Seiden-, Blacktip- und Tigerhaie, sowie grosse Gruppen von Adler- und Stachelrochen. Die überall in grosser Zahl präsenten Weissspitzen-Riffhaie beachtet man nach kurzer Zeit kaum noch – mit Ausnahme der spektakulären und berühmten Nachttauchgänge bei Manuelita. Im Internet hatte ich zu meinem Bedauern vorher noch gelesen, dass diese Nachttauchgänge eine Zeit lang ausgesetzt worden waren, da Tigerhaie zum Teil aggressives Verhalten gegenüber Tauchern gezeigt hätten. Dies gilt aktuell nicht mehr (Gott sei Dank! Was hätten wir sonst verpasst!). Zwar wird nicht jede Nacht bei Manuelita getaucht, da man diesen Platz vor zu vielen Tauchern bewahren will, doch zweimal hatten wir dort das nächtliche Vergnügen. Es wimmelt nur so von Weissspitzen, die unruhig ihre Bahnen ziehen und den Schein der Tauchlampen zum Aufspüren von Beute auszunutzen gelernt haben. Wenn nun ein unglücklicher Fisch ertappt wird, stürzt sich eine wahre Meute auf ihn und prügelt sich frenetisch um den Happen. Das erinnerte mich irgendwie an hysterische Hausfrauen am Wühltisch im Schlussverkauf, nur nochmals um einige Zehnerpotenzen verschärft! Zwei Vorsichtsregeln gilt es bei diesen Tauchgängen zu beachten. Erstens: mindestens 1-2 Meter Abstand zum Boden, damit man den Überblick behält und vermeiden kann, dass sich ein Beutefisch vor den Haien ins BCD-Jacket des Tauchers flüchtet (dann hat man nämlich ein Problem!). Zweitens: wenn sich die Weissspitzen plötzlich verkrümeln, ist vermutlich ein Tigerhai im Anmarsch, der seinerseits gerne die Weissspitzen als Beute ins Auge fasst. Dann als Gruppe geschlossen auf den Boden und später vorsichtig das Wasser gemeinsam verlassen. Wir waren gerade beim Sicherheitsstop, als ein circa 5 Meter langer Tiger direkt unter uns durchschwamm. Eine gewisse Gänsehaut gestehe ich durchaus ein.
Tagsüber ist die Begegnung mit einem Tiger weniger adrenalinreich, aber immer noch imposant. Bei der Rückfahrt von einem der Tauchplätze konnten wir 2 Tiger beobachten, die ihrer Aufgabe als Gesundheitspolizei des Meeres folgend gerade einer Schildkröte mit einem grossen Tumor im Nacken die linke Vorderflosse amputiert hatten und nun geduldig auf eine günstige Gelegenheit warteten, dem Rest des Tieres den Garaus zu machen. Selbstredend sprangen einige Enthusiasten gleich noch einmal ins Wasser...
Die “andere” Gruppe der Sea Hunter (das “Yellow Team”) hatte daneben das Vergnügen einer viertelstündigen Privataudienz mit einem Walhai, der mehrfach seine Bahnen um unsere Freunde zog, sowie eines ausgiebigen Treffens mit verspielten Delfinen. Diese Highlights blieben uns (dem “Blue Team”) leider versagt. Insgesamt bietet die Isla del Coco wohl noch einiges an Überraschungen, die ich eben dann beim nächsten Mal entdecken muss – mein Traum als Taucher wäre insbesondere ein Baitball. Selbst Buckel- und Schwertwale werden gelegentlich vor Cocos gesichtet. Im September hat wohl einer der Gäste ein Foto von einem Orca schiessen können, der gerade einen Hammerhai gepackt hat. Ziemlich spektakulär, wie ich finde. Vielleicht probiere ich es das nächte Mal zu einer anderen Jahreszeit, auch um die wirklich grossen Gruppen von Hammerhaien von bis zu 1000 Tieren zu sehen (wir sahen maximal Gruppen von vielleicht 30 Exemplaren). In der Regenzeit von Mai bis November ist die Überfahrt wohl meist ruppiger und die Sicht unter Wasser etwas schlechter, aber die Chance auf spezielle Begegnungen auch noch ein wenig grösser. Natürlich gilt wie immer, dass man ein bisschen Glück haben muss. Schliesslich ist das kein Zoo. Aber auch so war das Tauchen hier für uns alle ein echtes “Hammer-Erlebnis”, im wörtlichen Sinne!
Mein persönliches Highlight auf dieser Reise war jedoch eine knapp vierstündige Tauchfahrt mit dem U-Boot DeepSee bis auf 303 Meter Tiefe. Schon vorher hatte ich ausführlich über dieses wohl einmalige Vehikel gelesen und es auch in Filmen gesehen (weitere Infos siehe www.underseahunter.com). Neben dem Piloten finden zwei Passagiere Platz, und durch die 4 Zoll dicke sphärische Acrylglas-Kuppel hat man einen fantastischen Rundum-Ausblick auf die skurrilen Lebewesen der Tiefsee. Allerdings wusste ich, das die DeepSee meistens auf der Argo, dem neuen Schwesterschiff der Sea Hunter, stationiert ist. Folglich rechnete ich nicht mit der Gelegenheit, auf dieser Reise einmal einen Abstecher in den Abyss zu unternehmen. Die Argo lag jedoch noch bis zwei Tage nach unserer Ankunft bei Cocos vor Anker, und als man uns fragte, ob wir Interesse an einer Tauchfahrt hätten, musste ich nicht lange überlegen: natürlich wollte ich! Dafür nahm ich auch in Kauf, mein Bankkonto noch weiter zu strapazieren und zwei Tauchgänge auf Cocos ausfallen zu lassen... Mein auf der Sea Hunter neu kennengelernter Tauch-Buddy Yoshinobu aus Tokio war mit dabei, auch er wollte sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen.
Es begann mit einem bemerkenswerten Sicherheitsbriefing: Was tun, wenn der Pilot ohnmächtig wird? Wie bringe ich das U-Boot dann zurück an die Oberfläche? Was tun, wenn plötzlich Rauch in der Kabine ist? – Keine Sorge, alles ist perfekt organisiert, die israelischen Piloten der DeepSee sind echte Profis. Dann Overalls und frische Socken anziehen, damit das U-Boot innen schön sauber bleibt, von der Argo aus trockenes Einsteigen in das Gefährt, nochmaliges Durchgehen der Sicherheitsrichtlinien und Einweisung in die wichtigsten Systeme – und los ging es. Ein Beiboot, welches während der Tauchfahrt konstant über Funk mit dem U-Boot in Verbindung steht, schleppte uns rund eine Seemeile weg von der Insel, bis über eine Stelle, wo in 200 Metern Tiefe der Boden der Cocos-Platte abrupt abbricht und eine Steilwand in die fast bodenlose Tiefsee abfällt.
Schon beim Abtauchen grüsste uns auf 60 Metern ein vorbeiziehender Mobula-Rochen. Das Licht wurde mit zunehmender Tiefe erst intensivst blau und verschwand bei etwa 200 Metern fast völlig. Ein unwirkliches Gefühl. Dann schwebten wir langsam die Steilwand hinunter. Von den starken Scheinwerfen angestrahlt entdeckten wir weisse Korallen, die in dieser dunklen Tiefe natürlich keine farbenbildenden Algen enthalten, ausserdem Seesterne, Skorpionfische, einen in einer Spalte versteckten Tiefseehai, sowie allerlei Lebensformen, deren Namen ich leider schon wieder vergessen habe. Ein Ausflug zum Mond kann kaum spezieller sein als das, was wir erlebten (ich persönlich würde eine Fahrt mit der DeepSee dem Mondspaziergang vorziehen, aber der Vergleich passt irgendwie aufgrund der Sonderbarkeit der Umgebung). Der Felsen vor uns und die Kreaturen auf ihm erschienen zum Greifen nahe. Die Kuppel der DeepSee verzerrt allerdings die Perspektive: alles erscheint deutlich kleiner und näher, als es tatsächlich ist. Erst als Eli, unser Pilot, zwei Laserstrahlen als Massstab an die Wand projizierte und uns erklärte, der Abstand zwischen beiden sei 30 cm (ich schätzte vielleicht 5 cm), bekamen wir einen Eindruck davon, wie gross einige der Tiere waren, die wir sehen konnten. Das Wasser in der Tiefe war so klar, dass wir die Steilwand über uns mindestens 70 Meter bis zum Abbruch emporschauen konnten. Die Zeit verging buchstäblich wie im Fluge. Ich kann mich kaum an einen ähnlich faszinierenden Moment erinnern. Mein Mund stand sicherlich dauernd offen vor lauter Staunen.
Schliesslich war es Zeit, wieder in geringere Tiefe aufzusteigen. An der Abbruchkante entlang schwebten wir zu Felsen in knapp 200 Metern Tiefe, die reich mit riesigen Zackenbarschen, Anglerfischen, Krabben und anderen Wesen bevölkert sind. Eli schaltete das Licht der DeepSee aus, und im diffusen Dämmerlicht kam ein Zackenbarsch auf uns zu, um uns näher in Augenschein zu nehmen. Eli nahm eine Rotlicht-Taschenlampe und hielt sie an die Innenseite der Kuppel. Der Zacki öffnete sein Maul ganz weit, fast wie beim Zahnarzt. Vielleicht wollte er sich von uns putzen lassen? Oder drohte er uns? Als wir die Scheinwerfer wieder anschalteten, bekamen wir Besuch von vier Mobulas, die sicher für zehn Minuten förmlich um uns herum tanzten. Einer der Teufelsrochen scheuerte seine Unterseite an der Kuppel der DeepSee, nur Zentimeter von unseren Köpfen entfernt... Was für ein Traum! Was für eine Begegnung der dritten Art! Schade, dass dieses Erlebnis nicht länger dauerte. Aber wohl fast jede Zeit der Welt wäre letztlich zu kurz gewesen. Irgendwann erreichten wir schliesslich wieder die Oberfläche, im Bewusstsein, dass bisher nur wenigen Menschen solche Erlebnisse vergönnt waren.
Noch ein paar Worte zur eigentlichen Insel Cocos. Im Durchschnitt alle 100-150 Meter stürzt ein Wasserfall die steilen Klippen hinab ins Meer. Die üppige Vegetation scheint gleichfalls fast in Meer zu fliessen. Unzählige Seevögel brüten an den Felsen. Ich selbst habe keinen Fuss auf die Insel gesetzt, einige meiner Mitreisenden haben wenigstens die Ranger-Station besucht. Für einen grösseren Wanderausflug, etwa zu den Wasserfällen im Inland, war das Wetter zu schlecht und die Wege durch den vielen Regen zu schlammig. Trotz der eigentlich von Dezember bis April vorherrschenden Trockenzeit: Cocos ist eben einer der regenreichsten Orte der Erde, mit rund 8000 mm Niederschlag im Jahr! Wenn ich Paradies definieren sollte, dann käme mir in Zukunft wohl als erstes diese Insel in den Sinn. Ich kann nur inständig hoffen, dass das Paradies noch lange erhalten bleibt: an etlichen Felsen sieht man verhakte Langleinen von illegalen Fischerei-Aktivitäten hängen – obwohl im Umkreis von 12 Seemeilen jegliche Fischerei eigentlich verboten ist, und obwohl diese Schweinereien regelmässig (und in grossen Mengen) von den Parkaufsehern entfernt werden. Umso höher schätze ich den Wert der Arbeit der oben erwähnten Wissenschaftler und Aktivisten ein, die unter anderem auch viel Zeit und Mühe in die Information von costaricanischen Schulkindern über die Schönheit und Schützenswürdigkeit dieses Ökosystems investieren.
Als wir schliesslich am Heiligabend nach nochmals drei Tauchgängen die lange Rückfahrt zum Festland antraten, begleiteten uns für einige Zeit Delfine, die auf der Bugwelle der Sea Hunter surften. Im fahlen Mondlicht sah man nur fast nur ihre Silhoutten, durch Aufwirbeln von fluoreszierendem Plankton leuchteten ihre Umrisse. Alle paar Sekunden sprang einer der Burschen aus dem Wasser und landete mit lautem Klatschen wieder dort. Ich habe das als Aufforderung verstanden, schon bald wieder hierher zurückzukehren.
Eine Warnung noch zum Schluss: Cocos kann süchtig machen, schon nach nur einwöchiger Anwendung. Unter Fachleuten, die das Phänomen kennen, spricht man wohl auch von “Cocoholismus”. Cocos reisst ausserdem zugegebenermassen ein ziemlich grosses Loch ins Portemonnaie. Aber das ist es wert. Man kommt sozusagen “arm, aber glücklich” nach Hause. Letzteres gilt umso mehr, wenn man sich, so wie ich, zusätzlich noch einen Ausflug in den Abyss gönnt...
Du kannst deinen Urlaub direkt auf diesem Liveaboard buchen