Tauchen vor Christmas Island

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03.01.2017 11:47
Kategorie: Reise

Walhaie für Weihnachtsmänner

Es war einmal eine Insel, fernab von allem. Ohne größere Tauchbasis, aber mit einem der besten Tauchreviere der Welt. Erst im September 2016 wurde das geändert – eine Geburt, die insgesamt sechs Jahre lang gedauert hat.

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Bericht von Linus Geschke

Fast lotrecht fallen die Steilwände bis in 4000 Meter Tiefe ab. Große Gorgonien recken ihre Fächer ins Freiwasser, Barsche wuseln Drumherum, ein paar Meter darunter kreist ein Grauer Riffhai. Wer ein bisschen Glück hat, sieht Tigerhaie und Hammerhaie. Weißspitzen-Riffhaie sieht man sowieso, ebenso Walhaie, wenn man zwischen Dezember und März auf die Weihnachtsinseln kommt. Sogar der erste Tauchkurs musste schon unterbrochen werden, weil die sanften Riesen die Schüler einfach zur Seite geschoben haben. Dreizehn Walhaie haben sie alleine in den vier Tagen gesehen, die so ein Tauchkurs dauert – das ist mehr, als die meisten Taucher in einem ganzen Taucherleben vor die Maske bekommen.

Das Problem mit solchen „Tauchparadiesen“ ist nur: In der Praxis sind es oftmals keine. Nicht so, wie die Werbung sie beschreibt, nicht so, wie es in manchen Tauchmagazinen steht. Wenn selbst fast fischfreie Inseln wie Zypern als „Tauchparadies“ besungen werden, wird es nach oben hinaus eng. Was soll man noch machen – fünf Ausrufezeichen dahinter setzen wie Til Schweiger es macht, wenn ihm etwas besonders wichtig ist?

Christmas Island braucht kein Ausrufezeichen. Die Insel stellt sich unter Wasser genauso dar, wie oben beschrieben: Unberührt, fischreich und mit jeder Menge Haien. Dass sie dennoch über Jahrzehnte hinweg in europäischen Taucherkreisen ein Schattendasein führte, hat wenig mit der Qualität der Spots zu tun: Es lag an langen Anreisezeiten mit Flügen, die über Australien gingen, obwohl der Kontinent rund 2500 Kilometer entfernt ist. Es lag an der mangelnden Logistik und an den australischen Behörden, die „Knüppel zwischen die Beine werfen“ fast als Volkssport betrieben haben, wenn ein Europäer mit seinen Plänen vorstellig wurde.

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Sechs Jahre lang hat es gedauert, bis Walter Harscher damit durchkam. Er besitzt eine ganze Kette von Tauchbasen (www.extradivers-worldwide.com), dazu Deutschlands größten Tauchreiseveranstalter (www.rcf-tauchreisen.de/), und seit dem Tag, an dem er die Insel zum ersten Mal betreten hat, war ihm klar: Hier will ich hin. Mit einer Basis. Und hätte er nicht irgendwann Barry Haase getroffen, wäre er wahrscheinlich gescheitert.

Haase ist 71, ein Mann, der 15 Jahre lang im australischen Parlament saß und jetzt auf Christmas Island lebt. Ihm war bewusst, dass die Insel ohne Tourismus langfristig keine Zukunft hat. Es gab außer einer Firma für Phosphatabbau nur wenig, was die Einheimischen wirtschaftlich nutzen konnten. Rund zwei Drittel ihrer Oberfläche besteht aus einem Nationalpark, der größtenteils von einem undurchdringlichen Regenwald bedeckt ist. Die Bevölkerung hat oftmals keine Arbeit, ein Teil hat Christmas Island bereits verlassen. Haase ebnete Harscher daraufhin den Weg, führte ihn durch die Instanzen, hin zu dem sanften Tourismus, der beiden vorschwebte.

Ein Aufwand, der sich für den Deutschen dennoch gelohnt hat. „Anders als in weiten Teilen Asiens ist das Meer rund um die Insel noch völlig unberührt“, erklärt er. „Vor Christmas Island war noch kein einziges Industrieschiff unterwegs, wurde noch nie mit dem Netz gefischt. Es gibt nur einen Fischer, der dies beruflich macht, und der angelt mit zwei Ruten. Auch sonst wirkt das Eiland wie aus der Zeit gefallen: Ich war jetzt sieben Mal hier und habe nie ein Haus gesehen, das abgeschlossen war. Jeder lässt in seinem Auto den Schlüssel stecken, wenn er aussteigt. Es gibt auch keine abgeschotteten Hotelanlagen wie in anderen Gegenden: Alle Touristen leben mitten unter der Dorfgemeinschaft.

Und dann gibt es da ja noch die Krabben. Genauer gesagt: Die Weihnachtsinseln-Krabben, die nur hier und auf den benachbarten Kokosinseln vorkommen. Über 40 Millionen sind es, und wenn sie im November aus dem Dschungel kommen, um ihre Eier abzulegen, färbt Christmas Island sich rot. Dann kommen auch die Walhaie, die sich kurz darauf die frisch geschlüpften Krabben als Protein-Snack schmecken lassen. „Für Walhaie sind die winzigen Jungtiere ein gefundenes Fressen“, sagt Sandra Yoshida, die jetzt bei den Extra Divers als Tauchlehrerin arbeitet. „Sie enthalten viel Eiweiß und sind leicht zu fangen. Als bis zu zwölf Meter langer Fisch muss man einfach nur mit weit geöffnetem Maul langsam durch die Suppe schwimmen, um satt zu werden.

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Keine Flugverbindung? Bauen wir uns eine!

Und die lange Anreise für seine meist aus Deutschland stammenden Gäste? Walter Harscher zuckt die Schultern. „Nachdem wir die Genehmigung für die Basis hatten, war dies das kleinste Problem. Wir haben von Garuda Airlines einfach einen Flieger gemietet, der jeden Samstag von Jakarta aus in nur 45 Minuten nach Christmas Island fliegt. Einen Teil der Plätze füllen meine Taucher, die anderen Einheimische, die sich über die schnelle Verbindung nach Asien freuen.

Seine im September 2016 eröffnete Basis bietet jetzt maximal 25 Tauchern Platz, und sie entdecken ein Gebiet, welches auch ohne Krabben zu den aufregendsten der Welt gehört. Kaum einer der größeren Meeresbewohner zeigt irgendwelche Anzeichen von Scheu – vielleicht stellen Taucher für sie noch keine Eindringlinge, sondern nur eine willkommene Abwechslung dar. Das gilt auch für die Gruppe Bogenstirn-Hammerhaie, die sich bei dem zweiten Tauchgang blicken lassen. Drei, vier Minuten dauert das Zusammentreffen, dann ist die Neugierde erloschen – zumindest auf Seiten der Hammerhaie, die wieder im endlosen Blau verschwinden.

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Christmas Island hat alles, um zu einem Fixpunkt unter den Sehnsuchtszielen weltweit zu werden. Eine unberührte, tropische Landschaft über Wasser, eine unberührte, fischreiche unter der Wasseroberfläche. Es hat Menschen, Tiere und mit der Krabbenwanderung auch Sensationen. Ob man mit einer Tauchbasis dort wirklich jemals viel Geld verdienen kann, ist dennoch ungewiss. Vielleicht aber muss das auch gar nicht sein. Vielleicht ist die Erfüllung eines Traumes manchmal auch wichtiger. Und – ganz ehrlich – den Tauchern, die dort hinkommen, sind die wirtschaftlichen Aussichten eh egal. Sie freuen sich eher darüber, ein Gebiet zu erkunden, was weitestgehend unerkundet ist. Mit Haien, Rochen und riesigen Fischschwärmen.

Fast genauso, wie auf Zypern also…

 

Weitere Informationen:

Reisecenter Federsee

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