Tauchen in Südfrankreich. Die Letzten ihrer Art

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26.03.2014 16:18
Kategorie: Reise



Wenn Taucher nach Frankreich kommen, sollten sie spätestens an der Landesgrenze vieles von dem vergessen, was sie bislang für wichtig hielten: Im Lande der Gallier läuft einiges anders als im Rest der Welt. Dafür bekommen sie aber auch Tauchgänge geboten, die zu den besten des Mittelmeeres gehören und die einen wieder daran erinnern, was Tauchen eigentlich ausmacht.

Bericht von Linus Geschke

Hansi Hähners Leben ist einfach. Grundsätzlich gesehen. Der Deutsche betreibt in Giens, auf der Halbinsel Hyeres, an der Cote d´ Azur, seit Ewigkeiten eine Tauchbasis (Divin Giens). Organisiert Ausfahrten, bildet aus, hält den Laden am Laufen. Vieles, was seine Kollegen in Ägypten, auf den Malediven oder sonst wo machen müssen, kennt er nur vom Hörensagen: Den Gästen den Hintern nachtragen, beispielsweise. Sie bequatschen, damit sie ein sinnloses Specialty machen, nur um dann mit mehr Brevets heimzufahren, als sie hergekommen sind. Wenn es nach ihm geht, nach der ganzen französischen Auffassung, was Sporttaucher haben müssen, genügen drei: Einstern, Zweistern, Dreistern (siehe auch: Regelwerk der FFESSM).

Es gab sogar Zeiten, da brauchte man mit einem SSI- oder PADI-Brevet gar nicht zum Tauchen nach Frankreich kommen. Aber diese Zeiten sind vorbei. Sofern das individuelle Können der Ausbildungsstufe entspricht, kann Hansi Hähner als "Directeur de Plongée" Taucher für die Dauer ihres Aufenthaltes an seiner Basis mit dementsprechenden CMAS-Stufen gleichsetzen. "Wer tauchen kann, wird hier keine Probleme haben", sagt er. "Und für weniger erfahrene Taucher haben wir auch jede Menge Plätze, die deutlich flacher als 40 Meter sind."

Die Donator jedoch zählt nicht dazu. Der kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gesunkene Frachter – eines der populärsten Tauchziele Frankreichs – liegt in rund 50 Metern Tiefe, ein Riff ist nicht in der Nähe. Schon am Abstiegsseil spürt man die Strömung, die Luftblasen gehen seitlich weg. Ab 20 Meter Tiefe sind dann die Konturen des 78 Meter langen Schiffes zu erkennen, kurz darauf auch Einzelheiten. Und was man da sieht, stellt nahezu alles in den Schatten, was es im Mittelmeer sonst noch an Wracks gibt: Die Donator ist eine Insel des Lebens, gelegen in einer Wüste aus Wasser.



Die Donator – eines der populärsten Tauchziele Frankreichs mit atemberaubenden Bewuchs.


Der Bewuchs ist atemberaubend, eine Explosion in Orange, Grün und Purpur, geschaffen durch Gorgonien und Krustenanemonen. Überall steht der Fisch in Schwärmen zu tausenden zusammen. Fette Zackenbarsche tummeln sich über den Laderäumen, man entdeckt Muränen und Conger. Und schaut man nach oben, bleibt der Blick an Barrakudas hängen, die im Gegenlicht perfekte Fotomotive abgeben. Die Sonne – von hier unten betrachtet ist sie nur noch ein silberner Knopf, den jemand an ein azurblaues Firmament genäht hat. Ihre Strahlen dringen durch zu einem Wrack, das sich diesen Heiligenschein aus Licht redlich verdient hat. Der Kopf weiß, man ist noch im Mittelmeer – das Gefühl jedoch sagt, dass dies kaum möglich ist.

Viel zu schnell ist der Spaß vorbei, bereits 17 Minuten Grundzeit ergeben neun Minuten Deko. An der Aufstiegsleine blickt man dann in zwei Arten Gesichter: Fassungslos schauen die, die zum ersten Mal hier waren. Die Erfahrenen jedoch grinsen, als wollten sie einem mitteilen, dass sie es ja schon immer gesagt hätten.

Einig sind sich alle: Die Donator ist "Rock´n´Roll-Tauchen" vom Feinsten – atemberaubender kann ein Wrack kaum sein. Vor Ort spielt die "Le Grec" zwar in einer ähnlichen Liga, kommt aber nicht ganz an die Donator heran. Oder ist dies dem "WOW-Effekt" geschuldet, der dem ersten Wrack vorbehalten bleibt, welches man hier betaucht hat?

Zurück zu den Wurzeln


Hähners Basis liegt auf einem Campingplatz, und wer nicht gerne zeltet oder mit dem Wohnwagen anreist, mietet sich ein Mobilhome, von denen "Camping International" einige bereit hält. Wohnzimmer mit Küche, Toilette, Bad, eine Veranda und zwei kleine Schlafzimmer – alles topgepflegt; hier hält man es aus. Gerade abends, auf der Terrasse, mit der Karaffe Rosé auf dem Tisch. Es ist ein Campingplatz für Sportler, die meisten Besucher kommen zum Windsurfen hierher, einige sind Taucher, andere Wanderer.

In Laufweite liegt die kleine Innenstadt von Giens mit ihren Restaurants und Cafés sowie das Hotel Provencale, in dem man für verhältnismäßig wenig Geld gut essen kann. Und wer den Tauchtag typisch französisch beginnen will, geht nach dem Aufstehen zu dem kleinen Supermarkt mit eigener Bäckerei, der am Eingang des Campingplatzes liegt: Ab 7:30 Uhr kann man sich dort seine ofenwarmen Croissants abholen und ein knusperfrisches Baguette unter den Arm packen.

Gegen 08:30 Uhr geht es dann wieder hinaus; hin zu einem anderen Unterwasserparadies, für das die Region bekannt ist. Unweit von Giens liegen drei Inseln: die Île du Levant, Porquerolles und Port Cros. Zusammen sind sie die Îles d'Hyères, die wegen ihrer schimmernden Klippen auch Îles d'Or, also "Goldinseln", genannt werden – und alle drei haben eine interessante Geschichte.

Für Taucher jedoch ist Port Cros das Mekka schlechthin: Der erste Nationalpark Europas, dessen Schutzzone auch auf das Meer ausgedehnt wurde. 50 Jahre ist das jetzt her, und die Auswirkungen kann man bei jedem Tauchgang bewundern. Hansi Hähner fährt die Insel wenigstens einmal wöchentlich an und er kennt die strengen Regularien, die dort herrschen. Die Anzahl an Tauchbooten ist hier streng limitiert, ohne Anmeldung geht gar nichts. Dazu ist das Ankern verboten und auf der Insel selbst darf bis auf einen schmalen Streifen rund um den Hafen noch nicht einmal geraucht werden. Ranger überwachen die Regeln, und wenn man dagegen verstößt, "wird das richtig teuer", so Hähner – im Wiederholungsfalle kann einem sogar die Genehmigung entzogen werden, das Gebiet anzusteuern.

Getaucht wird meist an einem vor der Insel aus dem Wasser ragenden Felsen, La Gabiniere genannt. Hier tummeln sich Zackenbarsche direkt im Dutzend, manche bis zu anderthalb Meter groß. Barrakudaschwärme aus hunderten Individuen durchkämmen das Freiwasser. Man sieht kleine Thunfische umherziehen, Muränen schauen aus allen Löchern, der Boden ist mit Poseidongras bedeckt. Es sind Bilder wie in alten Hans-Hass-Filmen, als das Mittelmeer noch durch und durch intakt war; nur sieht man sie hier live und in Farbe anstatt in Schwarz-Weiß und aus der Konserve. So richtig glauben konnte man die Geschichten nicht, die Hansi Hähner vorher erzählte – erst die eigenen Augen liefern den passenden Beweis dazu. Bei den Zackenbarschen ist der Populationsdruck mittlerweile sogar so groß geworden, dass junge Exemplare keine Chance mehr haben, sich ein eigenes Jagdrevier zu erkämpfen und deshalb in benachbarte Regionen weiterziehen.



Und spätestens bei der Rückfahrt fragt man sich, warum (bis auf viele VDST-Vereine, die es regelmäßig hier hin zieht) nicht mehr deutsche Taucher in den Süden Frankreichs kommen. Ist es die Angst vor den französischen Tauchregularien? Die vor Strömung und Deko? Selbst Hähner weiß es nicht, zuckt ratlos mit den Schultern. Dabei gestaltet sich dies alles vor Ort und in der Praxis deutlich einfacher, als es in der Theorie klingt. Man muss es nur wollen. Sich selbst und Hansi Hähner vertrauen. Den ersten Schritt machen – und dann mit Tauchgängen belohnt werden, wie es sie nur noch selten gibt. Hier, in Giens: bei den letzten ihrer Art.


Allgemeines


Anreise:
Die in der Nähe von Giens gelegenen Flugplätze Marseille und Nizza werden von vielen deutschen Flughäfen aus angesteuert – oftmals zu sehr günstigen Konditionen. Ab hier nimmt man sich am besten einen Mietwagen (rund € 200,- pro Woche), mit dem man dann auch das wunderschöne Umland erkunden kann. Viele Taucher reisen mit dem Auto oder Wohnmobil an: Die jeweils beste Route verraten die einschlägigen Navigationssysteme.

Unterkunft:
Der ****Sterne-Campingplatz "Camping International", auf dem auch die Basis liegt, bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten: Neben dem eigenen Zelt oder Wohnwagen kann man ebenso in Apartments oder sogenannten Mobilhomes übernachten. Letztgenannte sind gut ausgestattet und in einem tadellosen Zustand. Mehr Informationen unter: Camping International.

Tauchbasis:
Die Tauchbasis Diving Giens von Hansi Hähner ist bestens ausgestattet. Für die Ausfahrten steht ein umgebautes bretonisches Fischerboot zur Verfügung, dass über sämtliche Sicherheitseinrichtungen verfügt. Nitrox ist auf Wunsch möglich, Ausbildung findet nach CMAS statt.

In den Hochsommermonaten findet viel Kinder- und Jugendtauchen statt, dazu sind zu dieser Zeit die weniger erfahrenen Taucher in der Überzahl. Das Frühjahr und der Herbst gehören tendenziell eher den Erfahreneren. Mehr Informationen, auch zu den Tauchspots: Diving Giens.

Tauchen:
Die Gegend rund um Giens lebt von ihrer Vielfalt: Fischreiche Plätze, Wracks und Höhlen finden sich massig. Gerade an den Wracks sind Dekotauchgänge fast obligatorisch, dazu kann es immer Strömung geben. Unter den rund 50 verschiedenen Tauchplätzen gibt es aber auch viele, die flach sind und geschützt liegen. Um das volle Programm genießen zu können, sollten Taucher mindestens ein CMAS**-Brevet haben (oder gleichwertig).

Restauranttipps:
Gut und verhältnismäßig günstig isst man im "Hotel Provencale" in Giens sowie in der Pizzeria "La Pergola" (unbedingt die überbackenen Muscheln probieren!). Unser Geheimtipp jedoch ist ganz klar das "Les Ombrelles" in La Capte; fünf Autominuten von der Basis entfernt. Der Deutsche Axel kocht, unterhält und bedient – die Portionen sind riesig, das Essen lecker und die Atmosphäre schlichtweg einmalig (Webseite: Les Ombrelles).

Weitere Informationen über den Schutz des Mittelmeeres: Mare Mundi.





Video zum Thema:

 


Das Video zeigt die farbenprächtige Unterwasserwelt Südfrankreichs.