Tauchen auf den Azoren

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16.09.2017 16:33
Kategorie: Reise

Blauhaitauchen im Atlantik

Reisen in Europa ist schön! Zumeist keine lästigen Einreisekontrollen, oft dieselbe Währung und regelmäßig kurze Flüge. Aber tauchen in Europa? Sicher die mehr oder weniger klaren Seen, Kroatien, Spanien und auch Frankreich. Aber richtige Highlights mit Großfisch? Da gibt es doch weniger.

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Bericht von Jan Finsterbusch

 

Diese Überlegungen und der Anspruch Großfisch lenken meine Aufmerksamkeit auf die Azoren: So mache ich mich relativ kurzentschlossen auf dem Weg dorthin.

Die Anreise gestaltet sich dann doch nicht so einfach wie ich mir das vorgestellt habe. Dies liegt vor allem an den recht langen Aufenthalten in Lissabon. Dies sollte man in jedem Fall bedenken und je nach Zeit und Resturlaub auch eine oder mehrere Übernachtungen in dieser schönen Stadt mit einplanen.

Auf den Azoren selbst bemerkt man sofort, dass die Uhren hier anders ticken. Und das wortwörtlich. Während das Handy immer noch die portugiesische Festlandszeit zeigt, gehen die Uhren hier eine Stunde nach. Nach einigen Momenten bemerkt man jedoch, dass es nicht falsch gewesen wäre die portugiesische Festlandszeit ruhig um zwei Stunden zurück zu stellen. Dazu später mehr.

In Madalena auf der Insel Pico wird man direkt von einem Mitarbeiter des Tauchcenters Pico Sport, das sich auch um die entsprechenden Unterkünfte gekümmert hat, abgeholt.
Gleich am nächsten Tag startet der sogenannte Check Dive. Nicht das man hier irgendwelche Übungen von den Tauchern sehen will, es geht darum die Bleimenge auf die oft neuen Anzüge abzustimmen und die Praxis zeigt, dass dies oftmals durchaus notwendig ist.

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Aufgrund des guten Wetters gibt es direkt im Anschluss die Möglichkeit auf einen sogenannten Sharkdive. Hier versucht man mittels eines Köders, eine Duftspur in die Tiefe zu legen (chumming) um die Blauhaie, welche sich üblicherweise eher in größeren Tiefen aufhalten, an die Oberfläche zu locken. Versuch ist hier natürlich zu betonen. Nach vier Stunden auf dem Wasser ist die Köderbox alle, aber außer Möwen und anderen Seevögeln gesellt sich an diesem Tag kein Tier und schon gar keinen Hai zu unserer Tauchgruppe.

 

Ziel Pricess Alice Banks

Zwei Tage später wird an Bord der „Reefcat“ eingecheckt, mit Ziel „Princess Alice Banks“. Dies ist ein Riff im offenen Meer, circa 80 Kilometer von der Küste entfernt. Im Vorfeld gibt es unterschiedliche Überlegungen, was das mit den Leinen soll. Jeder Taucher muss durch eine vom Boot herabgelassene Leine gesichert tauchen. Die Strömung an diesem Felsen mitten im Meer, sorgt dann doch sehr schnell für ein Umdenken: „Lieber angeschnallt als abgetrieben“. Auch hier nur wenig Glück. Die Mobulas (mantaähnliche Rochen) kommen immer wieder vorbei, zögern aber sich wirklich nahe zu den Tauchern zu begeben. Dennoch ist dieser Tauchplatz absolut empfehlenswert. Alles was man sich im offenen Ozean erwartet ist hier versammelt. Sei es der riesige Barrakudaschwarm, ein an der Oberfläche schlafender Hammerhai gerade mal 100 Meter vom Ankerplatz des Bootes entfernt, oder Delfine auf der Heimreise. Eines sollte jedoch jedem der diesen Ausflug antritt bewusst sein: Für einen Tag auf dem Boot, mitten im offenen Meer und bei Wellengang, sollte man schon einigermaßen seefest sein (oder tauchtaugliche Mittel gegen Seekrankheit zu sich nehmen). Während des Ausflugs ist dies bei einem Großteil der Taucher nicht der Fall. Das Ergebnis kann man sich einfach vorstellen, kein Wunder dass der Kapitän anschließend eine Stunde mit dem Reinigen des Bootes beschäftigt ist.

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Aufgrund der Wetterbedingungen (Wind, Wellen, Regen) sind in den folgenden Tagen nur Küstentauchgänge möglich. Diese liefern Barrakudas, Rochen, Muränen, viele Krebse und Langusten fürs Fotoalbum. Die Höhlen und Steilwände sind topografisch interessant, aber ohne besondere Highlights. Auch lassen die Sichtweiten aufgrund der aufgewühlten See nur selten zu das Szenario in seiner vollen Schönheit einzufangen.

Grundsätzlich muss man sich vor Augen halten, dass man sich auf einem kleinen Archipel weitab des nächsten Festlands befindet. Da passiert es schon mal, dass morgens kein Treibstoff im kleinen Hafen von Madalena erhältlich ist und das Boot kurz vor der geplanten Ablegezeit ohne Taucher Richtung Faial fährt, um ausreichend Treibstoff zu bunkern. Genauso ist das Wetter ein tägliches Lotteriespiel. Kippt dieses, dann sitzt man bei Regen und Wellen fest und kann fast gar nichts tun. Auch andere Aktivitäten wie Whalewatching, Delfinschwimmen oder die Besteigung des Mount Picos sind dann unmöglich. Alle Aktivitäten vor Ort sind vom Meer und dem Wetter abhängig, was auch dazu führen kann, dass man eine Woche vor Ort sitzt und in dieser Zeit außer vielleicht mit der Verkostung des lokalen Gins, keine Möglichkeit vorhanden ist die Zeit totzuschlagen. Dies sorgt natürlich für Unmut bei Besuchern und Tauchern und zum Teil auch für Unverständnis. Gerade dann, wenn die Bedingungen in Madalena aufgrund von Sonnenschein und leichtem Wind absolut positiv erscheinen und dennoch am gerademal 15 Minuten entfernten Sharkspot die Wellen mehr als drei Meter hoch sind.

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Glücklicherweise hat das Wetter dann doch ein Einsehen und bietet ein Fenster für einen weiteren Haitauchgang. Nach einer halben Stunde bereits wird der erste Blauhai gesichtet. Dieser zeigt sich aber ähnlich scheu wie die Mobulas. Jedes Mal wenn die Taucher im Wasser sind, zieht er sich aus deren Sichtweite zurück. Hin und wieder sieht man den Schatten um den Köder kreisen. Drei Versuche später, die eigene Nase ist bereits während der kurzen Oberflächenpausen von der erbarmungslosen Sonne getoastet, geht der Chum aus. Ein Boot der Basis bringt allerdings noch etwas Nachschub und plötzlich haben wir Glück. Ein richtiger Player zeigt sich am Boot. Ohne Scheu schlängelt er sich zwischen den Tauchern und untersucht interessiert seine Umgebung. Dann weiß man wieder: Darum ist man hier und genau diese Interaktionen will man sehen!

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Fazit

Tauchen auf den Azoren kann beides sein. Überragend und einzigartig aber auch ernüchternd und frustrierend. Spielt das Wetter nicht mit, dann sitzt man am Land fest und kann rein gar nichts unternehmen. Sind die Bedingungen gut, ist von der Interaktion mit Haien, Delfinen und Mobulas und dem Beobachten von Walen alles möglich. Um evtl. Enttäuschungen vorzubeugen sollte man mindestens zwei Wochen Zeit einplanen und sich gedanklich darauf vorbereiten, dass nicht immer alles klappen wird. Und selbst dann gibt es im offenen Atlantik wohl keine Garantie.


Interview mit Frank Wirth; seit 1996 Inhaber und Geschäftsführer von „Pico Sports“ Madalena.

Jan Finsterbusch (JF): Hallo Frank, leider ist es jetzt schon wieder ein paar Wochen her, seit ich bei Euch war. Wie war die Saison?
Frank Wirth (FW): Die Tauchsaison war dieses Jahr ein wenig schwächer als die letzten drei Jahre.

JF: Wetterbedingt oder welche Faktoren siehst Du hierfür?
FW: Im letzten Januar gab es einen Artikel in einem Tauchmagazin über Haifang auf den Azoren sowie ein Video auf youtube. Das hat einige Leute abgeschreckt und wir haben Stornos bekommen. Aber gerade das ist der falsche Weg. Wir brauchen die Unterstützung der Tauchcommunity um der Welt zu zeigen dass ein Hai am Tauchplatz wesentlich mehr wert ist für das Bruttosozialprodukt der Inseln, als der Export einer Finne nach Übersee. Die Leute müssen verstehen, dass sie sich mit dem Killen der Haie, die ja kein Produkt sind welches hier verzehrt wird, ihren eigenen Ast absägen...
Zusammen mit Erich Ritter habe ich hier vor knapp 10 Jahren das Blauhaitauchen eingeführt und seitdem hat sich schon viel verändert. Vor zwei Jahren habe ich einen Pakt mit dem Fischereieiverband in Pico geschlossen. Dabei haben wir Marine Parks beschlossen in denen nicht mehr gefischt wird. Dafür kaufe ich das Material für den Hai Chum bei ihnen. Und das klappt prima. Uns haben Fischer dieses Jahr von hoher See angerufen wenn sie Haie rund ums Boot hatten. Sie haben dann so lange gechumt bis wir da waren und das ist eine klasse Kooperation.

JF: Aus eigener Erfahrung weiß ich: Tauchen auf den Azoren kann anstrengend sein, Regen, kaltes Wasser, Wind und Wellen können einem ganz schön zusetzen. Würdest deshalb Mindestanforderungen an die Erfahrung der Taucher empfehlen?
FW: Zu den Mindestanforderungen der Taucher: Bei uns auf der Basis arbeiten sechs Guides. Das bedeutet, wir können mehrere verschiedene Programme gleichzeitig fahren. Für Anfänger und relaxed diving gibt es ganz einfache Plätze rund um Pico. Aber nicht vergessen - natürlich sind wir im Atlantik; für Warmwasserfreaks ist das nichts. Und wer exponierte Plätze tauchen möchte, der muss auch fit sein, denn Strömungen und Thermoschichten gehören hier dazu...

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JF: Aber einigermaßen seefest zu sein schadet mit Sicherheit nicht?
FW: Sollten die Taucher sein. Gerade bei den langen Fahrten nach Princess Alice etc. kann es schon mal schaukeln; aber das ist ja auch in anderen Meeren so.

JF: Durch welche Erlebnisse kann denn der Taucher für diese Anstrengungen belohnt werden? Was sind die Interaktionen mit Meerestieren die Deine Guides oder Du erlebt haben und die Du als etwas ganz besonderes erwähnen würdest?
FW: Nirgends auf der Welt kann man so gut mit Blauhaien interagieren wie hier. Das ist nicht mit anderen Stellen zu vergleichen und das macht das Haitauchen hier so einzigartig. Gute Sicht eine gute Chance von Blauhaien berührt zu werden... Man darf jedoch Blauhaitauchen im Blauwasser nicht mit Haitauchen an Riffen, etc. vergleichen, es ist was anderes. Ansonsten kann einem hier auch an der Küste bei normalen Tauchgängen alles begegnen. So waren in diesem Jahr im August viele Mantas und Mobulas unterwegs, die uns selbst bei Landtauchgängen ab und an begegnet sind. Taucher sollten aber nicht die Erwartung haben, dass sie wenn sie hier in das Wasser springen von Tunaschwärmen oder Marlins umgeben sind. Solche Begegnungen gehören im Zeitalter der totalen Ausbeutung der Meere auch hier zu den besonderen Highlights. Die Spots an denen man so etwas erwarten kann werden immer weniger. Dennoch bieten die Tauchgänge vieles und wer die Augen aufmacht wird nicht enttäuscht.

JF: Ja, es ist Natur und für diese Interaktionen gehört etwas Glück dazu. Welche Aktivitäten neben Tauchen werden von „Pico Sports“ noch angeboten?
FW: Wale beobachten, schnorcheln mit wilden Delphinen, Kajaktouren. Dann haben wir in den letzten 20 Jahren auch das ein oder andere Apartment und Ferienhaus angeschafft so dass wir unsere Gäste unterbringen können. Scooter und Autos vermieten wir ebenfalls, bieten Inseltouren an und besteigen den Pico. Fast ein Komplettpaket

JF: Frank, ich habe noch ein heikles Thema auf meinem Fragezettel stehen: Hin und wieder beschweren User in unserer Erfahrungsdatenbank und sind unzufrieden. Was möchtest Du diesen Beschwerden entgegnen und welche Empfehlungen gibst Du, um nicht unzufrieden zurück zu kommen?
FW: Da gibt es nichts zu verbergen.
1. kann tatsächlich mal etwas schief laufen und dann gibt es kein wenn und aber: Da müssen wir den Kopf hinhalten.
2. kommen Menschen mit einer falschen Erwartungshaltung an. Das unter anderem auch damit zu tun haben, dass sie die Beschreibungen nicht richtig lesen.
3. gibt es Menschen die unsere obligatorischen Sicherheitsvorkehrungen nicht akzeptieren wollen. Tauchen an Strömungsleinen ist im Forum immer wieder ein Thema. Es kommen Menschen die tausend und mehr Tauchgänge haben und nicht an die Leine wollen... Wer einmal eine einsetzende Strömung in Princess Alice erlebt hat, weiß aber wovon ich rede.
4. beschweren sich erfahrene Taucher, dass auch unerfahrene Taucher auf einer Tour mit dabei sind... aber das ist kaum auseinander zu halten.
Wichtig ist Kommunikation. Wer liest und fragt und auch vor Ort kommuniziert kann viele Probleme bereits im Vorfeld klären.

JF: Es wird oft kritisiert, dass Deine Leute die Tauchplätze nicht absolut sicher kennen und erst seit kurzem auf Deiner Basis arbeiten. Woran liegt dies?
FW: Wir haben ein Saisongeschäft von drei Monaten. Deshalb zieht die Crew weiter und wir müssen jedes Jahr neue Teams akquirieren. Im Winter ist hier nichts zu machen. Allerdings kommt die Crew früh genug um alle wichtigen Plätze kennen zu lernen bevor die Saison startet. Dazu kommt das 90 % der Taucher die zu uns kommen, erfahrene Taucher sind und fotografieren wollen. Denen ist es immer am liebsten mit ihrem Buddy nach einem Briefing alleine loszuziehen und ihre Ruhe zu haben. Das war immer das Prinzip bei uns. Bei den exponierten Plätzen sind immer Guides dabei die wissen was zu tun ist.

JF: Was sollte man bei der Reiseplanung beachten um zufrieden und mit schönen Fotos heimzukommen?
FW: Die Saisonzeit und die Länge des Aufenthaltes.

JF: Darauf zielte die Frage ab: Mindestens 2 Wochen? Und wann ist die sicherste Zeit?
FW: Juli, August, September; 14 Tage, dann können wir flexibel vorgehen

JF: Ihr habt neuerdings auch ein Safariboot? Was kannst Du uns dazu sagen? Wird das Boot direkt über die Basis buchbar sein?
FW: Das Boot – die Narobla - ist super am Markt angekommen und wurde von Veranstaltern und Clubs für die Tauchsaison 2018 und 2019 so gut wie ausgebucht. Es sind ja max. 7 Plätze verfügbar, daher geht das ruckzuck. Einige wenige Plätze gibt es aber noch direkt bei mir.
Das Boot ist ein Kompromiss. Immer wieder wurde nach einem Liveaboard gefragt, aber bei der kurzen Saison kannst Du keine Millionen ausgeben. Also habe ich diese Alternative geschaffen.
Highlights sind die Übernachtungen auf Princess Alice, das ist gigantisch und die Möglichkeit an Stellen zu gelangen und zu verweilen an die sonst niemand kommt. Aber bitte nicht vergessen, es bleibt der Atlantik.

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JF: Besten Dank für das Interview und eine erfolgreiche nächste Saison.
FW: Danke für das nette Gespräch, Jan.


Weitere Informationen:
Pico Sport
Tauchboot Narobla
Infos Azoren