Schluss mit Krise. Augenblicke

Teile:
13.08.2012 10:03
Kategorie: Diverses


Ich kann es nicht mehr hören: Dieses ständige Rumgesülze, wie schlecht es uns im Tauchsportbereich doch angeblich geht. Merkwürdigerweise jammern gar nicht die am meisten, die es eigentlich betreffen sollte, sondern jene, die mit dem Totschlagargument "Das ist halt die Krise!" von ihren eigenen Fehlern ablenken wollen.

von Linus Geschke

Ach ja: Der Tauchbranche geht es ja so schlecht. Den Herstellern von Equipment. Den Reiseveranstaltern. Den Ausbildungsorganisationen und den Tauchmagazinen. Die einen leiden unter stagnierenden Absätzen, die nächsten unter Ägypten und Pleiten, die dritten unter sinkenden Kurszahlen und Auflagen. Kein Wunder, schließlich sterben ja unsere Meere, gehen die Riffe vor die Hunde, gibt es kaum noch Ganzjahrestaucher. Alles ganz schlecht. Aber so richtig schlecht wird mir nur von dem Gerede, wie schlecht es uns doch angeblich geht. Ich krieg ´ne Krise bei dem ganzen Gerede um die Krise, der Miesmacherei, Nölerei, Jammerei, kurzum, bei dem ganzen Weichei-Gehabe: Bei uns sind die Gläser immer halb leer.

Aber ist es wirklich so schlimm oder gehen die, die permanent Schreckensmeldungen verkünden, nicht in Wirklichkeit eher ihrer angeborenen Neigung zum Wehklagen nach? Keine Frage: Einigen größeren Herstellern steht das Wasser wirklich bis zum Hals. Anderen noch nicht ganz so hoch, aber sie können es schon im Brustbereich spüren. Aber es gibt auch die Gruppe der Dritten, die in den letzten fünf Jahren ihre Umsatz- und Absatzzahlen konstant halten konnten oder die sogar zulegten. Bei vielen Herstellern, die unter stark sinkenden Absatzzahlen leiden, ist dies auch oftmals das Ergebnis falschen Managements, unattraktiver Produkte oder einfach eines dilettantischen Marketings – da dient jene ominöse "Krise" häufig nur als angenehme Ausrede und wird somit zur selbsterfüllenden Prophezeiung.

Genauso bei den Reiseveranstaltern: Natürlich fahren jetzt weniger Menschen nach Ägypten als in den Jahren vor der Revolution. Na und? Dafür boomen andere Länder: Die Karibik ist schwer im Kommen, Südostasien und die Malediven stabil wie je und wer bitte hat 2008 schon vom Oman gesprochen, heute eines der "Boom-Länder" schlechthin? Die einzige größere Firmenpleite der letzten Jahre betraf Orca – und dafür gab es viele Gründe, die aber samt und sonders rein gar nichts mit sinkenden Buchungszahlen zu tun hatten. Der Deutschen Reiselust ist ungebrochen und da machen auch die Taucher keine Ausnahme. Versuchen sie mal, zur besten Reisezeit einen Malediventrip auf eine wirklich gute Taucherinsel zu bekommen – wahrscheinlich werden sie für Ende 2012/Anfang 2013 kaum noch einen Platz ergattern. Und selbst das ach so krisengebeutelte Ägypten steht, nüchtern betrachtet, immer noch gut da: Es gibt zwar weniger Flugverbindungen, aber die, die es gibt, sind so voll und gefragt, dass die Airlines dafür fast schon aberwitzige Preise aufrufen können. Und auch viele der gefragten Safarischiffe sind jetzt schon bis Mitte 2013 gut gebucht – wer an den Brothers oder Daedalus taucht, wird von einer Krise wenig mitbekommen.

Schwerer haben es da schon die Tauchschulen an Land. Ihnen ging nach der Revolution viel von dem verloren, mit dem sich das meiste Geld machen ließ: Schnuppertaucher und Einsteiger. Selbst die besten Tauchcenter erreichen heute kaum noch 50 Prozent der Auslastungsquote, die sie in Spitzenzeiten einmal hatten. Kurzum: Die Zeiten, als man sich in Ägypten mit einer gut gehenden Basis dumm und dusselig verdiente, sind vorbei. Der Kampf wird härter. Was aber auch an den Hotels liegt: Weniger Gäste, weniger Schnuppertaucher, und dennoch wollen viele von den auf ihrem Gelände liegenden Tauchbasen dasselbe Geld wie vor der Revolution haben – das kann dauerhaft nicht funktionieren. Gerade, weil das Problem der sinkenden Auslastungsquote in Hotels auch zu weiten Teilen ein hausgemachtes ist: Wer sich die immer noch ungehemmte Bauwut ansieht und was in den letzten zehn Jahren zwischen Hurghada und Marsa Alam an Hotelbunkern aus dem Boden gestampft wurde, fragt sich schon: Wer bitte soll das denn füllen?

Wo tut’s denn weh?


Während die Zahlen für OWD- und AOWD-Kurse konstant gut sind, gibt es immer weniger Taucher, die auch eine darüber hinausführende Ausbildung absolvieren. Haben wir sie hier endlich gefasst, die Krise? Oder ist das ebenfalls nur ein hausgemachtes Problem, weil selbst Tauchlehrer bei dem ganzen Ausbildungs- und Specialtysumpf mittlerweile kaum noch durchblicken? Hat man sich zu sehr auf Ausbildung im Urlaub versteift (wo schon aufgrund der Zeit kaum ein Mehr an Ausbildung durchzuführen ist) und die heimischen Tauchbasen (die prozentual gesehen auch deutlich häufiger weiterführende Kurse brevetieren) dabei vernachlässigt?

Bei den Tauchmagazinen dagegen sieht es anders aus: Hier sind die Auflagen in den letzten Jahren nachweislich rückläufig. Doch wieso tut es denen weh? Ganz neutral betrachtet kann man feststellen, dass die Probleme hier zumindest teilweise an einer Krise liegen: Der Krise, unter der nahezu alle Printtitel leiden, von Spiegel über Stern bis hin zum Focus. Das ist halt so, darüber braucht man nicht ewig zu jammern, damit muss man leben. Auch scheint die tiefste Talsohle mittlerweile überschritten, der Rückgang gestoppt, stellenweise ist sogar wieder ein leichter Auswärtstrend erkennbar.

Gute Reportagen, denen der Leser vertrauen kann. Praxisthemen, die ihn weiterbringen. Eine klare Ansage, was man wo erleben kann, für wen welches Tauchziel geeignet ist und welches nicht sowie Technikberichte, die im Fazit ein objektives Urteil fällen, dann wird das schon wieder. Da bin ich mir recht sicher – auch, wenn die Traumzeiten der Auflagen heute wohl unwiederbringlich vorbei sind. Wer in den Redaktionen immer nur von einer Krise redet, anstatt seine Hausaufgaben zu machen, wird dagegen früher oder später auf der Strecke bleiben. So ist das eben in einer freien Marktwirtschaft – da hat die vielzitierte Krise nichts mit zu tun.

Übrigens: In rund vier Monaten startet wieder die weltgrößte Wassersportmesse, die „boot“. Wahrscheinlich werden dann die üblichen Verdächtigen auch erneut vom "Krisengipfel" reden, wie all die Jahre zuvor. Ich hoffe bloß, sie verschonen mich damit, mir ständig von Problemen vorzujammern, anstatt an Lösungen zu arbeiten. Die "boot": Eine gute Zeit für Optimisten!