Rippenquallen. Faszination und Fluch zugleich

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23.10.2015 11:05
Kategorie: Biologie

Das unbekannte Etwas scheint mit dem Taucher kommunizieren zu wollen. In seiner Maske spiegeln sich Lichtsignale, die von den acht Wimpernreihen ausgeschickt werden. So faszinierend eine Rippenqualle sein kann, noch viel größer können die Probleme sein, welche sie bei Massenauftreten bereiten!

Bericht von Harald Mathä

"The Abyss" lässt grüßen

Sogar Hollywood Regisseur James Cameron ließ sich in seinem Meisterwerk "The Abyss – Abgrund des Todes" von Rippenquallen inspirieren. Ihre irisierenden Lichtspiele faszinierten die Besucher und zogen sie in den Bann dessen, was "da unten" alles sein könnte. So auch mich als jungen Mann. 1989 war das. Mann, wie die Zeit vergeht! Mehr als ein Vierteljahrhundert später gehe ich auf die 50 zu, aber Rippenquallen faszinieren mich immer noch. Doch was gibt es über sie zu wissen? Zeit zu recherchieren!

Zarte, aber gefräßige Räuber

Rippenquallen mögen zart und zerbrechlich wirken. Das sind sie auch. Zudem sind sie gefräßige Räuber, die praktisch ununterbrochen in sich reinmümmeln. Winziges, das im Plankton herumtreibt wie sie selbst. Krebstierchen und Fischlaich beispielsweise. Größere Exemplare schnappen sich auch mal ein Fischchen, einen Wurm oder eine Larve. Die Beute wird entweder direkt verschluckt oder über die Tentakel gefangen. Darauf sitzen spezielle Klebezellen, Colloblasten, welche die Beute festhalten (so wie die Insekten auf einer Fliegenrute). Im Magen wird die Beute dann durch Enzyme verdaut.



Da sie weder Darm noch After besitzen wird die verdaute Masse oben wieder rausgewürgt. Mahlzeit! Ob sie dabei wirklich würgen ist wissenschaftlich nicht belegt oder beobachtet, aber ich behaupte das jetzt mal. Katzen machen das nämlich auch gerne auf dem Wohnzimmerteppich. Sie sind ja angeblich intelligenter als eine Qualle. Oder sie machen es eben deshalb?

Infobox Rippenquallen


Arten: mehr als 100
Englisch: comb jellie
Lat: Ctenophora
Größe: meist 1 bis 10 cm, max. 1m!
Aussehen: meist quallenähnlich, oft irisierende Reflexlichter an den Wimpernreihen
Lebensraum: Flachwasser bis in die Tiefsee
Nahrung: Herumtreibendes!
Verbreitung: in allen Meeren
Verwechslungsmöglichkeit: je nach Art mehr oder weniger leicht mit klassischen Quallen

Rippenquallen können wie oben beschrieben aussehen, oder eben nicht. Manche Arten sehen auch salpenartig aus und bewegen sich wie eine solche schlängelnd voran. Wieder andere bevorzugen es auf dem Meeresgrund zu siedeln. Etwa die Unterart Tentaculata, die man öfter im Westpazifik antrifft und die man für eine Anemone halten könnte.

Die Plage der 90er im Schwarzen Meer auch bald in der Ostsee?

Anfang der 80er Jahre kamen die ersten Meerwalnüsse Mnemiopsis leidy ins Schwarze Meer. Wahrscheinlich im Ballastwassertank eines Schiffes aus Amerika.

Zunächst unbemerkt, erfreuten sich die Walnüssen völlig unähnlichen Rippenquallen ihres neuen Lebensraumes und vermehrten sich was das Zeug hält. Wenn man weiß, dass diese Art in 24 Stunden ihr Gewicht verdoppeln kann, so überrascht es trotzdem, dass ihre gesamte Biomasse im Schwarzen Meer 1990 auf eine Million Tonnen angewachsen war.

Andere Quellen gehen sogar von einer Milliarde Tonnen aus, was schon recht viel erscheint, aber egal: Die Auswirkungen waren so oder so gravierend. Bis zu 240 Quallen pro Kubikmeter Wasser hatten dramatische Auswirkungen auf das Ökosystem und die Fischerei.

Die Quallen verstopften einerseits die Fischernetze und fraßen den Sardellenlarven andererseits die Nahrung weg. Innerhalb von nur zehn Jahren kollabierte der Bestand an Sardellen, die Fänge sanken auf unter zehn Prozent und die Fischer am Schwarzen Meer standen von dem Ruin.

Erleichterung kam dann in den 90ern durch einen anderen Neozyt, der als blinder Passagier eingewandert war. Die Seebirne Beroe ovata hat die Meerwalnüsse zum Fressen gerne und reduzierte die Bestände deutlich. Die Sardellenbestände konnten sich wieder erholen. Seither gibt es zwei neue Arten an Rippenquallen, die im schwankenden Gleichgewicht im Schwarzen Meer leben. Mit noch unbekannten Auswirkungen.

Vergleichbares geschah im Kaspischen Meer wo die Meerwalnüsse wahrscheinlich über den Wolga-Don-Kanal eingeschleppt wurden. Und ähnliches blüht der Ostsee in den nächsten Jahren durch ebenso eingeschleppte Arten aus dem Nordatlantik. Wie die Auswirkungen sein werden, wagt noch niemand zu sagen, da diese von vielerlei Faktoren abhängen.

Zusammenfassung

Auf "Hallo Qualle!" wird keine Rippenqualle reagieren, wenn sie halbwegs etwas auf sich hält. Denn sie besitzt keine eigenen Nesselzellen und sie bewegt sich auch nicht durch Kontraktionen ihres Schirmes wie "echte Quallen" voran. Diese zarten Wesen sind gefräßige Räuber, die innerhalb eines Tages ihr Gewicht verdoppeln können. Und: Treten sie in Massen auf, so können sie ökologische Gleichgewichte ganz schön ins Schwanken bringen!

Video zum Thema:

 

Ein wunderbares und anschauliches Video über Rippenquallen - bereitgestellt vom Vancouver Aquarium.