08.12.2009 12:16
Kategorie: Diverses
Kategorie: Diverses
Dürfen Kinder tauchen? Und wenn ja, ab wann und wie tief? Wie sollten Kinder ausgebildet werden und wie macht man sie zu sicheren Tauchern? Fragen, die polarisieren und nicht endgültig beantwortet werden können. Aber immer mehr Mediziner fordern mehr Augenmerk auf den Tauchnachwuchs, denn es gibt Alarmsignale, die man nicht überhören sollte. Der Versuch einer Bestandsaufnahme.
Bericht von Harald Apelt
"Tauchen ist Fun! Das schwerelose Gleiten durch eine andere Dimension, Auge in Auge mit den Wundern der Unterwasserwelt..." Wer sich etwas genauer auskennt, weiß, dass es hinter den schönen Marketingbildern von Ausbildungsorganisationen und Tauchbasen eine andere Wahrheit gibt. Tauchen ist nämlich nicht nur Fun, sondern auch eine verdammt gefährliche Sportart! Und weil man beim Tauchen durchaus ums Leben kommen kann, ist gerade die Frage, ob und wenn überhaupt, ab wann, Kinder tauchen lernen dürfen nicht mit zwei, drei Sätzen zu beantworten.
Die Ausbildungsorganisationen behandeln diese Frage nicht einheitlich. Einig sind sie sich aber alle: spätestens mit 12 Jahren kann das Geschäft mit den Jugendlichen anlaufen.
Es gibt jedoch nicht wenige Mediziner, die einer solchen generellen Einschätzung äußerst kritisch gegenüber stehen. "Kinder sind keine Erwachsenen. Sie sind nicht einmal kleine Erwachsene, und deshalb sollten wir sie nicht so behandeln", sagt Dr. Christian Beyer, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Kinder-Jugendkardiologe in Hamburg. "Im Prinzip haben wir nur lückenhafte Erkenntnisse, wie Kinder auf die komplexen Abläufe beim Tauchen reagieren. Anders als bei Erwachsenen haben wir keine validen Daten zum Kindertauchen", sagt der Facharzt, der zugleich als Tauchmediziner Kinder tauchsportärztlich untersucht und gemeinsam mit deutschen Kollegen und der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM) an einheitlichen Erfassungsparametern arbeitet, um die Frage nach der Tauchtauglichkeit von Kindern präziser und sicherer beantworten zu können.
Bei Erwachsenen sind die feinstofflichen Abläufe beim Tauchen ziemlich genau erfasst. Das Aufsättigungsverhalten, Bewusstseinsveränderungen bei Tieftauchgängen, Tiefenrausch und neuronale Einflüsse bei Extremtauchgängen oder Sättigungstauchgängen von Berufstauchern sind in diversen Untersuchungen und Druckkammerfahrten inzwischen nahezu geklärt. Die Folgen hieraus sind immer verlässlichere Rechnermodelle und Verhaltensrichtlinien mit Tauchzeit- und Tiefenbegrenzungen, die den Tauchsport insgesamt sicherer machen.
Bei Kindern und Jugendlichen wird noch weitgehend im Dunklen getappt. Untersuchungen an Kindern zu diesen wichtigen medizinischen Parametern gibt es nicht und sind auch nicht durchführbar. Man kann ja auch kaum eine Handvoll Zehnjähriger auf 25 oder 30 Meter Tiefe tauchen lassen, um ihr Aufsättigungsverhalten zu untersuchen. "Das ist unverhältnismäßig, gefährlich, ethisch nicht vertretbar und würde zudem von der Ethikkommission selbst unter allergrößten Sicherheitsaspekten nicht genehmigt werden", erklärt Dr. Beyer, weshalb es gerade in dem Bereich des Kindertauchens so lückenhafte Erkenntnisse gibt.
Und all diese Erkenntnisse aus der Erwachsenenwelt taugen für Kinder recht wenig; denn sie sind noch im Wachstumsprozess. Und das nicht nur körperlich, sonders auch geistig. Atemwege und Lunge, das Herz- und Kreislaufsystem sowie das Skelettsystem sind noch nicht voll ausgebildet und unterliegen daher ganz anderen Bewertungskriterien. Aber auch die Psyche von Kindern ist noch nicht genug gereift, um die komplexen Prozessabläufe des Tauchens umfassend zu verinnerlichen und jederzeit sicher umzusetzen.
Aus all diesen Gründen ist die Frage, ob ein Kind tauchtauglich ist nicht allein mit den schwammigen Allgemeinparametern, die zurzeit für die Beantwortung dieser Frage herangezogen werden, zu beantworten. Es ist vielmehr dringend erforderlich, dass eine individuell tief reichende Bewertung des Kindes oder Jugendlichen erfolgt. Und hierbei gehen die Eltern der jungen Nachwuchstaucher und bisweilen auch die Tauchausbilder ohne die nötige Sorgfalt vor.
Oftmals stellen sich junge zukünftige Taucher mit ihren Eltern zur tauchsportärztlichen Untersuchung vor, und wollen eigentlich nur Papa zu Liebe mit dem Tauchen beginnen. Familiendruck, der fatale Folgen haben kann. Und wenn das Interesse des Kindes wirklich so groß ist und die Voraussetzungen zum Tauchen physiologisch und psychisch gegeben sind, ist immer noch Vorsicht geboten.
Die Tauchmediziner sind sich noch nicht ganz einig, die meisten jedoch sind für eine strikte Tiefengrenze von zehn bis zwölf Metern für Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren. Und dafür gibt es gute Gründe, denn wie die immer vernetzter funktionierende Kommunikation mit ausländischen Tauchmedizinern belegt, kommt es immer wieder zu teilweise schweren Zwischenfällen beim Tauchen mit Kindern.
So kam unlängst ein vierzehnjähriges Mädchen nach einem Tauchgang ums Leben, als ein Mittaucher ihr aus Versehen die Maske vom Kopf geschlagen hatte. Eine Krisensituation, die eigentlich jeder ausgebildete Taucher mit geübten und erlernten Spontanreaktionen bewältigen müsste. Die junge Taucherin war in dieser Situation offenbar überfordert und führte in Panik einen Notaufstieg aus 25 Metern durch, an dessen Folgen sie zwölf Stunden später verstarb. "Dieses Mädchen hätte nicht sterben müssen", resümiert Dr. Beyer, der immer wieder auf die zentralen Punkte des Kindertauchens kommt. Eine solche Situation ist schon für erwachsene Taucher mit ihren über viele Jahre erlernten Fähigkeiten des Krisenmanagements eine Herausforderung. Umso klarer müsste es eigentlich jedem sein, dass Kinder nichts in 25 Metern Tiefe zu suchen haben. "Möglicherweise wäre diese Situation und die Fehlreaktionen und -handlungen zu einem anderen Ausgang gekommen, wenn die Gruppe sich in maximal zehn Metern Tiefe aufgehalten hätte", lautet das Fazit von Dr. Beyer.
Mutmaßungen die nicht ohne Grundlage sind, denn internationale Auswertungen von Tauchunfällen haben ergeben, dass Zwischenfälle mit Kindern überwiegend auf Panikreaktionen zurück zu führen sind. In sechs von zehn Fällen einer australischen Studie sind die Kinder mit dem Vater getaucht. Deshalb stellen die Mediziner an die Ausbildung und die weitere Betreuung der Kinder im Tauchsport sehr viel höhere Anforderungen, als sie zur Zeit Standard sind. Gerade Anfänger bedürfen einer intensiven Aufsicht und die können nur sehr erfahrene Taucher gewährleisten. "Ich habe schon Schnuppertauchveranstaltungen für Kinder gesehen, da waren sieben Kinder mit Tauchgerät und nur einer Tauchlehrerin im Becken; ein absolutes Unding", erinnert sich Taucher.Net-Chefredakteur Armin Süss, der als Tauchlehrer aktive Tauchsport-Jugendarbeit in Mannheim betreibt, an so manche fahrlässige Situation in der Betreuung junger Tauchanfänger.