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Wissenschaftler messen erstmals die Problemlösungsfähigkeiten von Fischen in freier Wildbahn
Fische gelten oft als einfache Lebewesen, doch zahlreiche Studien belegen ihre erstaunlichen kognitiven Fähigkeiten. In Laborversuchen und bei Beobachtungen in ihren Gewässern haben sich Fische als clevere Tiere mit oft ausgeprägtem Sozialleben gezeigt. Ein internationales Forschungsteam hat nun einen speziellen Intelligenztest für Fische entwickelt, der es ermöglicht, ihre Lern- und Problemlösungsfähigkeiten direkt in ihrem natürlichen Lebensraum zu untersuchen.
Traditionell werden kognitive Tests bei Fischen im Labor durchgeführt. Dabei können jedoch Stressfaktoren auftreten, die das Verhalten der Tiere beeinflussen. „Wild gefangene Fische können, wenn sie aus ihrem natürlichen Lebensraum entfernt werden, erhöhte Stresshormonpegel zeigen“, erklärt der Verhaltensforscher Alexander Kotrschal von der Universität Wageningen in den Niederlanden. Dieser Stress kann die Lernfähigkeit der Fische beeinträchtigen und somit die Aussagekraft der Tests reduzieren.
Um diesem Problem zu begegnen, entwickelte das Team eine mobile Apparatur, die direkt im natürlichen Habitat der Fische eingesetzt werden kann. Kernstück ist ein „Futterbrett“ aus Kunststoff, an dem 24 drehbare Scheiben befestigt sind. Unter jeder Scheibe befindet sich ein Loch, in das Futter wie Pellets oder Mückenlarven platziert werden kann. Die Fische müssen lernen, die Scheiben zur Seite zu schieben, um an die Nahrung zu gelangen. Diese Konstruktion ermöglicht es, verschiedene kognitive Fähigkeiten zu testen, darunter motorisches Lernen und Farberkennung. Sogar einfache mathematische Aufgaben wurden durchgeführt, indem die Scheiben mit unterschiedlichen Punktmustern versehen wurden.
Die Flexibilität der Apparatur erlaubt es, sie in verschiedenen Wassertiefen zu platzieren, sodass unterschiedliche Fischarten in ihren bevorzugten Lebensbereichen getestet werden können. Eine am Gestell befestigte Kamera zeichnet das Verhalten der Tiere auf, sodass die Daten später detailliert analysiert werden können.
In ersten Feldversuchen wurde der Intelligenztest mit Neunstachligen Stichlingen (Pungitius pungitius) in den Niederlanden und Guppys (Poecilia reticulata) auf Trinidad erprobt. Die Stichlinge zeigten sich lernfähig und konnten Farben unterscheiden, wobei sie ihre Leistung über mehrere Testsitzungen hinweg stetig verbesserten. Bei den Guppys konnten individuelle Unterschiede im Verhalten festgestellt werden: Etwa 20 Prozent der Fische agierten als „Produzenten“, die aktiv die Scheiben öffneten, während die restlichen als „Schnorrer“ fungierten und die geöffneten Futterstellen nutzten, ohne selbst aktiv zu werden.
Diese innovative Methode bietet neue Einblicke in die kognitiven Fähigkeiten von Fischen und ermöglicht es, ihr Verhalten unter natürlichen Bedingungen zu studieren. Dies ist entscheidend, um ein unverzerrtes Bild ihrer Intelligenz und ihres Sozialverhaltens zu erhalten. Zukünftige Forschungen könnten mit diesem Ansatz weitere Facetten des Fischverhaltens aufdecken und so zu einem besseren Verständnis dieser oft unterschätzten Tiere beitragen.
Der Intelligenztest wurde in einem Fachartikel im Journal „Methods in Ecology and Evolution“ vorgestellt.