Kategorie: Reise
Wiedergeburt eines Tauchparadieses
Moslembrüder und eine Flugzeugbombe haben Sharm el Sheikh vor anderthalb Jahren zu einer Geisterstadt werden lassen. Jetzt ist der Ort auf der touristischen Landkarte zurück. Vor allem, was Taucher betrifft. Vor der Küste stoßen sie auf einige der schönsten Riffe Ägyptens, die sie derzeit nicht mit tausenden anderen Tauchern teilen müssen. An Land auf eine Stadt, in der noch längst nicht wieder alles beim Alten ist.
Bericht von Linus Geschke
In Sharm el Sheikh träumen sie wieder. Nicht von Wundern, nicht von der großen Liebe, sondern von kleinen Punkten am Himmel, die sich beim Näherkommen als Charterflieger entpuppen, den Bauch voll mit sonnenhungrigen Touristen. Es sind Träume, wie sie jeder Touristenort hat, aber nur selten wird er so intensiv geträumt wie in Sharm el Sheikh – einem Ort, den es ohne Touristen gar nicht geben würde und den der Terrorismus fast zerstört hätte.
„Manchmal hatte ich Tränen in den Augen, als ich im letzten Jahr durch die verlassenen Straßen gelaufen bin“, sagt Rolf Schmidt, und man darf es ihm glauben. Gemeinsam mit seiner Frau Petra Röglin kam er bereits 1975 in den Sinai, der zu dieser Zeit nur aus Wüste, Bergen und Geröll bestand. Ein paar Beduinenzelte, ein paar Trampelpfade, das war´s. Dennoch beschloss das Paar, für immer zu bleiben – hauptsächlich wegen dem, was unter der Wasseroberfläche liegt.
Später dann, mit den „Sinai Divers“, hat er das Tauchen dort populär gemacht, ist immer größer geworden, angewachsen wie der Ort, bis beide vor Kraft und Besucherzahlen kaum noch laufen konnten. „In Hochzeiten hatten wir bis zu 240 Gäste auf der Basis“, erzählt er. „Es war – das kann man ruhig so sagen – eine Geld- und Tauchmaschine, die ständig neuen Nachwuchs erzeugte.“
Bis der arabische Frühling und mit ihm die Moslembrüder kamen. Der damalige Präsident Mursi stellte die Grenzkontrollen in Richtung Gaza nahezu vollständig ein, radikale Muslime strömten ins Land, es gab Entführungen und Bombenanschläge, diverse Reisewarnungen waren die Folge. Der Todesstoß erfolgte dann am 31. Oktober 2015, als unbekannte Terroristen am Flughafen von Sharm el Sheik eine Bombe in dem Airbus 321 einer russischen Fluggesellschaft platzierten. Über den Bergen des Sinai detonierte sie, holte die Maschine vom Himmel und riss 224 Menschen in den Tod. Rien ne va plus – von da an ging nichts mehr in Sharm el Sheikh.
„Ab dem Tag war es schlagartig vorbei“, erinnert sich auch Jaques Peter, Generalmanager des Royal Savoy Hotels. „Alle europäischen Airlines haben ihre Flüge eingestellt, die Russen ebenso. Es gab hier nichts mehr zu verdienen, viele Ägypter haben ihre Jobs verloren und sind nach Dubai oder in andere Länder abgewandert. Wir selbst haben uns mühselig mit Touristen aus arabischen Ländern über Wasser gehalten, aber die blieben meist nicht lange. Drei, vier Tage maximal: Um zu feiern, um libanesischen Popsängern zuzuhören, die wir eingeladen hatten. Doch davon abgesehen, war Sharm im Prinzip tot.“
Rolf Schmidt hat bis März 2016 durchgehalten. Irgendwie. Dann schlossen auch die Sinai Divers ihre Pforten, und niemand wusste, ob nicht für immer. Frust, Verzweiflung, Depression: Weniger bei ihm und seiner Frau, aber bei den Einheimischen, die plötzlich ohne Arbeit und Geld dastanden. Hotels wurden geschlossen, Ladenlokale aufgegeben, der Ort verkam zu einer Geisterstadt.
„Es gibt hier ein Sprichwort:“, sagt Waleed Otify, der als Marketing Manager für eine ortsansässige Firma namens Sun International for Tourism arbeitet. „Der Tourismus in Ägypten kann krank werden, aber er stirbt nicht. Irgendwie geht es immer weiter.“ So auch dieses Mal: Turkish Airlines war die erste europäische Fluggesellschaft, die ab Oktober 2016 via Istanbul wieder Besucher nach Sharm el Sheikh brachte; der deutsche Charterflieger Germania folgte im November, diesmal sogar mit Direktverbindungen von Düsseldorf und München aus. Weitere Fluggesellschaften wie Sun Express oder Air Berlin haben angekündigt, bald nachzuziehen. „Von einem Normalzustand sind wir immer noch weit weg“, sagt Schmidt. „Aber es geht jetzt wenigstens wieder in die richtige Richtung.“
Aus Zwei mach Eins
Schon vor Jahren hat sich Rolf Schmidt mit der Tauchbasenkette von Werner Lau zusammengetan, mit der er seitdem das nahe Marsa Alam gelegene Hotel Oasis inklusive der dort angeschlossenen Tauchbasis betreibt. Und wie Werner Lau stand auch Rolf Schmidt irgendwann vor der Frage, was mit seiner Basis in Sharm el Sheikh passieren soll; zu diesem Zeitpunkt kamen die ersten positiven Signale der Fluggesellschaften und Veranstalter. „Ich glaube nicht, dass der Tourismus in absehbarer Zeit wieder alte Größe erreicht – und da lag die Lösung nahe uns auch in Sharm el Sheikh zusammenzutun, um sowohl Werners wie auch meinen Gästen eine gemeinsame Anlaufstelle zu bieten.“
Zwischen 20 und 30 Taucher finden sich jetzt schon wieder täglich auf der keine zwei Fußminuten von der Anlegestelle der Boote entfernten Basis ein. Sie gehören zu der zweiten Welle der „Pioniere“, die jetzt ein Sharm el Sheikh geboten bekommen, in dem der Gast alle Freiheiten genießt und sich die Unterwasserwelt noch nicht überlaufen präsentiert. Die „gute, alte Zeit“: In Sharm el Sheikh beginnt sie zum zweiten Mal, genau jetzt!
„Wenn wir in den nächsten zwei Jahren wieder auf einen Schnitt von 50 bis 60 Taucher kommen, bin ich zufrieden“, sagt Schmidt. „Ganz ehrlich: So, wie es früher in Sharm el Sheikh war, war es der Wahnsinn. Das brauche ich nicht mehr, und Werner auch nicht. Zum einen werden wir nicht jünger, zum anderen haben wir jetzt die Chance, eine ideale Balance aus wirtschaftlicher Machbarkeit und individueller Gästebetreuung zu erzielen. Ganz abgesehen davon sind gemäßigtere Besucherzahlen auch langfristig besser für das Ökosystem Meer.“
Tauchsafari von Land aus
Erfahrenen Tauchern dürfte unter Wasser ziemlich schnell klarwerden, warum der Sinai selbst nach der Krise noch einen Ruf wie Donnerhall hat. Orte wie die Tiran Inseln oder Ras Mohammed erinnern mehr an Plätze wie die Brother Islands oder das Daedalus Riff, als an küstennahe Spots vor Hurghada oder Marsa Alam. Steilwandtauchen vom Feinsten, inklusive einer Korallenwelt, die schlichtweg atemberaubend ist. Größere Gorgonien als am Shark Reef findet man im kompletten Roten Meer nicht, und der Hart- und Weichkorallenbewuchs lässt das nackte Riff darunter nur noch vermuten. Es gibt Fischschwärme, große Makrelen und Tunfische, Schildkröten und Barrakudas sowie immer mal wieder Haie, die dem Tauchgang die Krone aufsetzen. Graue Riffhaie, Seidenhaie, Hammerhaie oder Weißspitzen-Hochseehaie: Nicht in der Häufigkeit wie an ägyptischen Hochseeriffen, aber deutlich mehr als bei allen anderen Spots, die dicht vor der Küste liegen. Man könnte also sagen: Die Tiran-Inseln oder Ras Mohammed sind das ideale Ziel für Taucher, die Erlebnisse wie auf einer Tauchsafari möchten und dennoch jeden Abend im Hotelbett schlafen wollen.
Auch Jacques Peter sieht wieder Licht am Horizont: „Ich weiß nicht, wie lange wir noch durchgehalten hätten, wenn die Flugverbindungen von Europa aus nicht wieder aufgenommen worden wären. Jetzt hoffe ich, dass sich die Lage bald wieder normalisiert, derzeit sieht es danach aus.“ Er lacht. „Im Prinzip müssten alle hier dem türkischen Präsidenten Erdogan dankbar sein, der ansonsten wegen seiner Beziehungen zu den Moslembrüdern im Land wenig beliebt ist: Mit seiner derzeitigen Politik treibt er die Touristen ja geradezu nach Ägypten!“
Dabei hätte Sharm el Sheikh die ungewollte Unterstützung des Autokraten gar nicht nötig. Die Touristenmetropole des Sinais hat alles, was man für einen guten Urlaub braucht: Prächtige Hotels, ein ausgezeichnetes Preis-/Leistungsverhältnis und eine naturgegebene Sonnengarantie. Eines der besten Tauchgebiete weltweit hat Sharm el Sheikh sowieso. Glauben Sie nicht? Versuchen Sie es und achten Sie dabei auf folgende Namen: Gordon, Jackson, Thomas und Woodhouse. Shark und Jolanda. Wenn Sie an den gleichnamigen Riffen abtauchen, werden Sie wahrscheinlich genauso empfinden. Inshallah!
Kommentar von Linus Geschke
Was habe ich Ägypten geliebt: Über 50 mal bin ich dort gewesen, davon rund 35 mal auf einer Tauchsafari. Konnte mich am Roten Meer nicht sattsehen, an dem traumhaften Bewuchs, den vielen Wracks und Großfischen dort. Ich war in Asien, an den Traumspots des Pazifiks, im Mittelmeer und im Atlantik, aber nirgendwo sonst habe ich das Gleiche gefühlt. Eines war klar: Sollte ich aus irgendwelchen Gründen mal mit dem Tauchen aufhören müssen, würde mich meine letzte Tauchreise zu den Brother Islands führen. Zu dem Wrack der Numidia, den lotrecht abfallenden Steilwänden, den umherkreisenden Fuchshaien. Inshallah.
Was habe ich Ägypten gehasst: Diese Lahmarschigkeit in vielen Bereichen, dieses dumpfe Gottvertrauen, dieses Inshallah. Irgendwann hatten wir uns auseinandergelebt, war die Liebe abgekühlt, die Leidenschaft dahin. Ich wollte kein „come and visit my shop“ mehr hören, kein „Hello, my friend!“ von wildfremden Personen, mit denen ich nicht befreundet sein wollte. Drei Jahre bin ich dem Land ferngeblieben, anfangs freiwillig, später gezwungenermaßen, weil es keine praktikablen Flüge mehr gab. Was soll´s, dachte ich – andere Mütter haben auch schöne Töchter.
Was habe ich Ägypten vermisst: Der erste Tauchgang an den Tiran Inseln. Nach über drei Jahren das erste Mal wieder das Rote Meer schmecken. Es war das lang ersehnte Zurückkommen in ein Land, welches vom Tauchen her meine Heimat ist. Und, liebe Ägypter: Es tut mir leid! Jeder Moment, in dem ich auf Euch geschimpft habe. Jedes Mal, wo ich mit Freunden über das selbstfabrizierte Chaos vor Ort lästerte. Dabei ist es nicht so, dass plötzlich alles wieder gut ist. Gewiss nicht. Herzlichkeit und Gastfreundschaft sind euer Markenzeichen, Korruption und Planlosigkeit euer Verderben. Aber was mich und das Tauchen dort betrifft, ist es Liebe.
Infos Sharm e- Sheikh:
Anreise: Sharm el Sheikh wird von München und Düsseldorf mit Germania jetzt wieder direkt angeflogen, weitere Flughäfen ab Deutschland sind geplant. Zur Einreise wird ein noch drei Monate lang gültiger Reisepass benötigt. Sofern man Sharm el Sheikh nicht verlässt, ist kein Touristenvisum erforderlich.
Mehr Informationen: www.flygermania.com
Hotel: Das Royal Savoy gehört zu den besten Hotels in Sharm el Sheikh und ist rundum empfehlenswert. Große und geräumige Zimmer, perfekter Service. Die Speisen liegen von der Qualität her weit über dem, was der Durchschnitt der ägyptischen Hotels ansonsten bereithält. Der Transfer zur Tauchbasis wird von der Basis übernommen und ist für den Gast kostenlos.
Mehr Informationen: hotel-royal_savoy__sharm_el_sheikh
Tauchen: Generell ist das Tauchen in Sharm el Sheikh auch für Anfänger geeignet – die ganze Pracht des Gebietes wird sich aber eher nur erfahrenen Tauchern erschließen. Senkrecht abfallende Steilwände, ein großes Fischaufkommen und eine intakte Korallenwelt sind die größten Pluspunkte. Prinzipiell ist Sharm el Sheikh ein Ganzjahresziel, wobei Frühling und Herbst die angenehmsten Zeiten sind. Im Winter kann der Wind kalt sein, im Hochsommer wird es sehr heiß. Je nach Jahreszeit ist ein Drei- bis Sieben-Millimeter-Anzug empfehlenswert. Mit leichten bis mittelstarken Strömungen ist an exponiert liegenden Riffen zu rechnen.
Tauchbasis: Was Kompetenz, Service und Qualität angeht, ist die gemeinschaftliche Basis von Rolf Schmidt und Werner Lau das Maß der Dinge. Sowohl die Boote als auch die Leihausrüstungen sind in perfektem Zustand, Ausbildungen finden nach SSI, IAC, PADI oder CMAS statt. Tipp für erfahrene Taucher: Wenn es geht, sollte man sich Tauchguide Gyorgy („George“) anschließen: Der gebürtige Ungar kennt jedes Riff und jeden der Meeresbewohner wie seine Westerntasche und ermöglicht Tauchgänge, die schon mal ein wenig abseits des Üblichen liegen.
Mehr Informationen: taucher.net/tauchbasis werner_lau_diving_center_sinai_divers
Ort: Mehr Informationen über Sharm el Sheikh und zusätzliche Buchungsmöglichkeiten bietet folgende Webseite: www.sharmdirect.com/?set-lang=de und die Sinai-Süd Seiten auf Taucher.Net.