Die Azoren: Das ultimative Großfisch-Paradies Europas?

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31.08.2016 15:59
Kategorie: Reise

Auf der Suche nach dem Blauhai

Immer wieder liest man beeindruckende Geschichten über die Azoren: Der eine berichtet enthusiastisch von „Großfisch pur“, andere von „langweilig und nix gesehen“. Was darf man wirklich erwarten? Für wen ist ein Trip auf die Azoren zu empfehlen? Grund genug, dem Thema auf den Grund zu gehen…

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Bericht von Christoph 'Schaffel' Schaffelhuber, unserem Moderator des Tauchgebiete-Forums

Für einen Taucher das vorherrschende Thema, wenn es um Tauchen auf den Azoren geht: die Blauhai-Tauchgänge! Und die gibt es mehrfach pro Woche. Los geht es an der Basis von Pico Sport mit einem ausführlichen Hai-Briefing: Schwarze Handschuhe und Kopfhaube sind Pflicht, der Anzug sollte auch möglichst dunkel sein, den Hai zu berühren ist selbstverständlich verboten, aufrechte Haltung im Wasser und vieles mehr. Mit großer Spannung geht es dann auf die offene See. Nachdem der Skipper eine Position gefunden hat, die erfolgversprechend aussieht, wird eine Boje gesetzt. An dieser hängt in rund zehn Metern Tiefe ein Plastikkorb mit einigen Fischresten. Gleichzeitig beginnt der Diveguide, Jam ins Wasser zu schütten. Jam ist eine Mischung aus Fischblut und zerstampftem Fisch, identisch mit dem u.a. in Südafrika gebräuchlichen Begriff Bait. Und jetzt heißt es erst einmal warten…

Nach zwei bangen Stunden kommt ein Funkspruch: Das zweite Boot hat einen Hai! Wir holen unsere Boje ein und fahren gemütlich zur Position des zweiten Bootes, um dort später ins Wasser zu gehen. Unterwegs erreicht uns die Nachricht, dass es sogar zwei Haie sind… Alle sind euphorisch und angespannt, wir beobachten die Aktivitäten auf bzw. unter dem zweiten Boot aus der Ferne. Schließlich geht`s auch für uns ins kühle Blau. Bereits beim Abtauchen an der mit Blei beschwerten Leine, an die wir uns mittels eines an einem Stück Tau befestigten Karabiner festmachen, schwimmt der erste Blauhai zwischen uns durch: ein gewaltiger und beeindruckender Anblick. Nach nur wenigen Minuten haben sich die Haie an uns gewöhnt und den plötzlichen Wechsel der seltsamen „Gummiviecher“ im Wasser verarbeitet.

Majestätisch ziehen die Beiden ihre Kreise um uns herum, immer wieder zum Korb mit dem Köder, dabei kommen sie wirklich sehr nahe, Berührungen eingeschlossen. Von Aggressivität keine Spur, eher eine gewisse Neugierde, man kann den gegenseitigen Respekt fast schon mit Händen greifen. Die Leine, an der wir festgemacht sind, ist hier unter dem Boot eine echte Hilfe, man muss sich nicht ständig orientieren und kann sich so voll auf die Beobachtung der Haie konzentrieren und die herrlichen Tiere in Ruhe genießen, filmen oder fotografieren. Die Zeit vergeht wie im Flug, wir überziehen die ausgerufenen 45 Minuten etwas, dann ist jedoch das nächste Boot, das inzwischen eingetroffen ist, an der Reihe.

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Diese erste Begegnung stellt eine bleibende Erinnerung dar, obwohl wir bei den nächsten beiden Ausfahrten ebenfalls Erfolg haben. Dabei ist es jeweils unser Boot, das den ersten Kontakt zu den Blauhaien herstellen kann. Drei Sichtungen bei drei Versuchen ist nicht selbstverständlich, leider sind die Blauhaie auch hier auf den Azoren immer seltener geworden. Der Skipper erzählt uns, dass noch vor ein paar Jahren die Haie innerhalb von wenigen Minuten am Boot waren, sobald der Köder im Wasser war. Leider ist das Gebiet ziemlich überfischt, aber das ist eine andere Geschichte…(siehe hierzu den DiveInside Bericht: Haischutz in der EU eine Farce?)

Schon seit einigen Jahren habe ich mich immer wieder mal mit den Azoren beschäftigt, am Ende jedoch etwas anderes gebucht oder den Gedanken zurück gestellt. Anfang 2016 beschloss ich, dass es dieses Jahr soweit sein sollte. Auf der boot habe ich dann ein Messespecial für zehn Tage Sharkweeks mit Pico Sport gesehen – genau in der für mich passenden Zeit Anfang Juli.
Ich habe noch mal kurz drüber nachgedacht, als bekennender Warmduscher….äh -taucher meine Bedenken über das zu erwartende kalte Wasser zurück gestellt und kurzentschlossen gebucht.

Rifftauchgänge

Vor dem ersten Rifftauchgang frage ich beim Briefing für die Tauchgänge an den vor Pico liegenden Riffen vorsichtig nach, wie es denn mit der von mir erwarteten Wassertemperatur von 21-22 Grad für Juli so aussieht. An Mimik und Gestik der Guides kann ich sogleich erkennen, dass es wohl kälter werden wird und das wird es auch.

Einige Minuten nach dem Abtauchen beim ersten Tauchgang merke ich schnell: das ist nicht wirklich meine Welt. Ein Blick auf meinen Stinger zeigt 17°, mein 7er Anzug liefert auch nicht den erhofften Schutz… so zittere ich mich also durch den Tauchgang. Zu sehen gibt es nichts besonderes, die Formationen sind aber interessant. Fisch gibt’s eher wenig. Die Zeit bis zum zweiten Tauchgang verbringen wir dann am Zodiac mit wieder auftauen. Zu meiner Überraschung ist es beim zweiten Tauchgang mit 20° deutlich „wärmer“, und es gibt auch mehr zu sehen; neben einem riesigen Stechrochen einige Muränen, Drachenköpfe und Schnecken.

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Der nächste Tauchtag verläuft ganz anders. Wir fahren auf die andere Seite der Insel nach Sao Roque, wo im Gegensatz zu Madalena wohl immer die Sonne scheint. Wir tauchen direkt vom Land aus, und entdecken einige Oktopusse und deutlich mehr Fisch als an den Plätzen auf der anderen Seite. Später dann findet noch ein Nachttauchgang statt, auf dem wir eine Art kleine Bärenkrebse, Drachenköpfe, Muränen und Oktopusse sehen, allerdings begleitet von starker Dünung, die den Tauchgang zu einem überschaubaren Vergnügen für mich macht.
Aber: Es waren ja nicht die Rifftauchgänge, weshalb ich die Azoren ausgewählt hatte, sondern neben den Blauhai-Tauchgängen eher die Hochsee-Ausfahrten zu exponierten Plätzen...

Princess Alice Bank

Die Princess Alice Bank ist ein Unterwasserberg, der rund 80 km vor Pico liegt und dessen höchster Punkt sich ungefähr 35 Meter unter Wasser befindet. Der Ablauf der Tauchgänge ist ähnlich wie bei den Blauhai-Tauchgängen, man hakt sich mit einem Karabiner in ein Seil ein, dass in einer Länge bis zu 15 Metern unter dem Boot hängt. Dort wartet man dann ab, was alles so vorbei kommt.

Den ersten Mobula sehen wir bereits beim Festmachen des Bootes an der Boje…leider bleibt er der Einzige, den wir an diesem Tag zu Gesicht bekommen. Insgesamt hängen wir zweimal 45 Minuten am Seil, ohne Bewegung in 20° kaltem Wasser, das einzige was wir dabei zu sehen bekommen, ist eine Schule Barrakudas, die in einiger Entfernung im Blauen vorbeischwimmt. Natürlich sind wir alle enttäuscht, auch wenn uns natürlich klar ist, dass wir uns auf hoher See und nicht in einem Streichelzoo befinden.

Rückwirkend betrachtet, kann ich diese Ausfahrt nicht wirklich empfehlen, jeweils 4 Stunden An- und Abfahrt für zwei, sagen wir mal angebundene Tauchgänge, an denen die Möglichkeit besteht, rein gar nichts zu sehen. Fairerweise möchte ich aber erwähnen, dass in den zehn Tagen vor Ort auch Ausfahrten stattfind, bei denen mehrere Mobulas unter Wasser gesehen werden.

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Schorcheln mit Delphinen

Dieser Trip ist in meinem gebuchten Paket enthalten, wahrscheinlich hätte ich ihn sonst nicht gemacht. Es geht also wieder mit dem Zodiac auf Fahrt. Wir beobachten die Wasseroberfläche in alle Richtungen, nichts tut sich. Plötzlich ein Funkspruch: Delfine wurden gesichtet. Natürlich machen wir uns direkt auf den Weg dorthin und sehen die Delfine schon von weitem. Der Skipper versucht sich den Delfinen mit dem Zodiac langsam anzunähern, damit sie sich ein wenig an unsere Anwesenheit gewöhnen können. Auf Kommando dürfen immer zwei der sieben Gäste an Bord gleichzeitig ins Wasser und, falls eine Begegnung zustande kommt, diese bis zum Ende auskosten.

Jeder kommt so einige Male für ein bis zwei Minuten ins Wasser und tatsächlich gelingt es, einige Male Delfine aus sehr kurzer Entfernung zu sehen. Die Tiere sind jetzt nicht gerade neugierig, aber auch nicht übermäßig scheu, so dass die Begegnungen wirklich Spaß machen, auch einige nette Videoclips entstehen. Die Zeit vergeht wie im Flug, insgesamt sind wir deutlich über drei Stunden auf dem Wasser, der Skipper gibt sein Bestes, um allen „ihre“ Begegnung zu ermöglichen.

Da mir der Trip sehr gut gefallen hat, wiederhole ich ihn am vorletzten Tag – leider gelingt  es uns hierbei, obwohl wir relativ schnell Delfine gesichtet haben, nicht so nahe an die Tiere ranzukommen, dass man mit ihnen ins Wasser kann. Die Tiere waren weitaus scheuer als beim ersten Mal, die Wetterbedingungen deutlich schlechter. Dennoch würde ich den Trip jederzeit empfehlen, möglichst an einem Tag mit guten Wetterbedingungen.

Walbeobachtungsfahrten

Auch dieser Trip ist im Paket enthalten, leider haben wir den Fehler gemacht, ihn bis zum letzten tauchfreien Tag aufzuschieben. Die auf den Inseln verteilten Spotter melden aufgrund ungünstiger Sicht- und Wetterbedingungen morgens keine Walsichtungen. So müssen wir bis zum Nachmittag warten, bis die Meldung „Wale ahoi“ kommt und wir losfahren können. Wir sehen auf dieser Ausfahrt dann 3 falsche Killerwale aus einiger Entfernung sowie einen Finnwal, der für ein paar Sekunden direkt neben dem Boot aus dem Wasser schaut und dann spurlos verschwindet. Wir haben natürlich vorwiegend auf Pottwale gehofft, gerade weil in den Tagen zuvor mehrere Gäste der Basis von beeindruckenden Sichtungen berichtet haben.

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Anreise

Die Anreise ist eigentlich kein Problem; jedoch hat die Lufthansa aus zunächst nicht nachvollziehbaren Gründen das Durchchecken des Gepäcks nach Faial verweigert. Mir bleiben in Lissabon 90 Minuten für das Verlassen des Fliegers, Einsammeln des Gepäcks, Wechseln des Terminals und erneut Einchecken…..das ist wirklich eine Herausforderung. Obwohl ich mich schon darauf eingestellt habe, ohne Gepäck auf Faial einzutreffen, habe ich Glück. Mein Koffer erscheint relativ früh am Band, ich hetze im Laufschritt zum Inlandsterminal und erwische dort noch eine freundliche Dame, die den bereits geschlossenen Checkin-Schalter für mich noch einmal öffnet.

Bei der Landung erneutes Glück; zumindest für mich. Aufgrund starken Nebels auf Faial, landen wir auf Pico. Perfekt, das ist ohnehin mein Ziel. Während die meisten Gäste Richtung Fährhafen für das endgültige Ziel Faial transportiert werden, melde ich mich bei Pico Sport in Madalena, verstaue mein Tauchgepäck und mache die notwendige „Papierarbeit“. Den Tauchgängen am nächsten Morgen steht nichts mehr im Weg!
Anschließend beziehe ich noch mein Zimmer im Guesthouse Golphino: schlicht, mit indischem Badezimmer (jenseits des Ganges), einer kleinen Küche und einem Aufenthaltsraum. Nichts besonderes, aber sauber und für 10 Tage völlig ausreichend.

Fazit

Mein Ziel auf den Azoren war ganz klar „Blauhaie sehen“, das habe ich sehr intensiv und ausführlich erleben dürfen. Das Schwimmen mit den Delfinen war dabei ein sehr nettes Zubrot. Wegen der Walbeobachtungen oder auch der Princess Alice Bank alleine würde ich sicher nicht noch mal auf die Azoren kommen.
Insgesamt werde ich den Urlaub in sehr positiver Erinnerung behalten, da ich bei überschaubarer Anreise eine wirklich gewaltige Natur erleben durfte.

So gesehen sind die Azoren ein Ziel, das man als Großfisch-Liebhaber gemacht haben sollte – und das möglichst bald, da die Überfischung der Meere leider auch hier nicht Halt macht – eher im Gegenteil!