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Schleim verseucht das Marmarameer
Im Juni hieß es in allen Leitmedien Europas: Das Marmarameer bei Istanbul ist von einer grauen Schleimschicht verdreckt. Die durch Algen ausgelöste Verschmutzung gefährdet die Lebewesen im Meer. Experten fordern schnelle Hilfe.
Nur drei Monate später die katastrophale Nachricht: Marmarameer „jetzt tot“. Die Schleimkatastrophe im türkischen Marmarameer hat deutliche Auswirkungen auf das Ökosystem des Binnenmeeres. „Insgesamt sind bereits 60 Prozent der Spezies verschwunden“, sagte der Hydrobiologe Levent Artuz. „Nach drei Jahrzehnten intensiver Verschmutzung ist das Marmarameer jetzt ein totes Meer.“
Präsident Erdogan versprach schnelle Hilfe. Das türkische Marmarameer bei Istanbul war im Frühsommer von einer durch Algen ausgelösten Schleimplage befallen. Die dicke Substanz ist ein Ausscheidungsprodukt mancher Meeresorganismen und treibt an der Wasseroberfläche, aber auch darunter. Der Schleim setzt sich über kurz oder lang am Meeresboden ab. Nicht nur das Marmarameer mit der Millionenmetropole Istanbul war und ist von der Schleimplage betroffen, sondern auch das angrenzende Schwarze Meer und die Ägäis. An der Wasseroberfläche ist die Masse als grauer Schleim zu sehen, weshalb sie auch als "Seerotz" bezeichnet wird. Unterwasservideos zeigen davon überzogene, erstickte Korallen.
Artuz überwacht gemeinsam mit einer Gruppe von Experten bereits seit Anfang des Jahres an 450 Stellen die Ausbreitung der Plage. Der Meeresschleim hat das Ökosystem des Marmarameeres „irreversibel“ beschädigt. Er hofft, den umliegenden Gewässern drohe nicht eine ähnliche Zukunft.
Die Gewässer sind unsere Kloake
Hohe Temperaturen, unbehandeltes Abwasser, das direkt ins Meer abgelassen wird, und geringe Fließgeschwindigkeit sind die Hauptursachen der Algenplage. Die Einleitung unbehandelten Abwassers muss sofort gestoppt werden, sagte Artuz. Das Wachstum der Algen wurde in den vergangenen Jahren vor allem durch Düngemittel und Abwässer aus den Städten und der umliegenden Industrie beschleunigt. „Wir benutzen die Gewässer vor unserer Haustüre als Kloake, das muss kurzfristig geändert werden“, führt Artuz weiter aus.
Abwässer werden nur behandelt, um Feststoffe zu entfernen und werden dann auf den Meeresgrund gepumpt: Eine große zusätzliche Belastung entstand durch die Umleitung des Ergene-Flusses in das Marmarameer. Der Fluss gilt als einer der schmutzigsten Abwasserkanäle der Region. Die Auswirkungen sind dramatisch. Istanbul war zum Beispiel für Makrelen, Thunfisch und Schwertfisch bekannt. Die diesjährige Fangmenge ist allein gegenüber dem vergangenen Jahr um 90 Prozent zurückgegangen, so Zahlen aus dem Umweltministerium.
Offiziellen Statistiken zufolge verdoppelte sich die Abwassermenge aus der Industrie in den letzten Jahren, berichtete die „Financial Times“. Zudem sind fast zwei Drittel der türkischen Industrie in dieser Region konzentriert. Problematisch sind natürlich auch die jährlich rund 50.000 Tanker, die durch das Marmarameer fahren und illegal Abfälle und Treibstoff ablassen.