Betrachtungen zum Klimawandel am Beispiel Antarktis

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14.09.2017 09:46
Kategorie: News

„Wo zum Teufel ist die Erderwärmung?“

So soll es ein US Präsident via Twitter geäußert haben. Andere Skeptiker dieses Szenarios wischen die Diskussion vom Tisch und stellen klar: „Klimawandel gab es schon immer…“. Als ich die Einladung zu dem von Bauer Kompressoren veranstalteten Vortrag zum Thema Klimawandel erhielt, war ich zunächst auch skeptisch; noch ein Vortrag zu diesem Thema. Eine kurze Recherche änderte meine Einstellung: Der Referent Dr. Ulrich Freier ist kein reiner Theoretiker sondern ein Mann der Praxis. Er unternahm fünf Forschungsreisen in die Antarktis und die Nächste ist bereits geplant für Anfang 2018.

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Zur Einführung gab es ein Video mit den Auszügen der letzten Expedition. Schöne Bilder aber im Grunde nichts Neues, wären da nicht die Aufnahmen von Krillwolken, die erstmals tauchend und unter Meereis in diesem Umfang gefilmt wurden.

Es folgte eine Erläuterung der Bedeutung der Antarktis und des Südpolarmeeres für das Klimasystem der Erde. Der Zirkumpolarstrom, eine gewaltige Meeresströmung die sich rund um die Antarktis bewegt, sorgt für ein abgeschlossenes Ökosystem, in dem Krill die zentrale Stufe der Nahrungskette darstellt.

Krill sind kleine garnelenförmige Krebstiere und stellen mit ihrer Biomasse von rund 450 Millionen Tonnen, eine vergleichbar große Biomasse zum Menschen dar. Nicht nur die schiere Menge ist bedeutsam, sondern auch der Umstand, dass Krill nach dem Phytoplankton den Beginn der Nahrungskette in der Antarktis bildet. Wale wandern tausende Kilometer um Krill zu fressen, Vögel (insbesondere Pinguine) aber auch Robben und Lachse sind dieser Nahrung nicht abgeneigt. Zu guter Letzt fängt auch der Mensch neuerdings an Krill abzufischen und zu Nahrung und Kosmetika zu verarbeiten. Wenn wir dies mit der uns eigenen Gründlichkeit der Vernichtung anderer Lebewesen machen, dann ist diese Grundlage der antarktischen Nahrungskette bald ausgerottet.

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Die Antarktis allgemein wird vom Europäer in der Regel als das einfache Gegenstück der Arktis betrachtet. Dabei geht die Bedeutung der Antarktis sogar viel weiter, erläuterte Dr. Freier. 90 Prozent des ewigen Eises sind in den Gletschern der Antarktis zusammengeballt. Jedes Jahr wird neues Eis auf dem Meer mit einer Fläche von der Größe Europas und anderthalb Metern Stärke gebildet. Und dann die katabatischen Winde, die die Gletscher bodennah entlang Richtung Meer peitschen. Es handelt sich hierbei um eiskalte Fallwinde, ähnlich der Bora in Kroatien oder dem Mistral im Rhone Tal. Bis zu 300 Stundenkilometer schnell sorgen sie unter anderem für die Bildung von Meereis und sind durch die sich erhöhende Salzkonzentration und Dichte für die Entstehung von antarktischem Tiefenwasser verantwortlich. Dabei handelt es sich um eine Wasserschicht die in 4.000 – 5.000 Metern Tiefe quasi auf dem Boden des Ozeans nur sehr sehr langsam geradezu gelartig nach Norden und Osten strömt. Genau hier wird es spannend! Die vorhandene Biomasse egal ob lebendig oder tot wird zum Teil mit in diese Tiefe transportiert und eingeschlossen. Dies gilt auch für das in der Biomasse enthaltene Kohlendioxid (CO²) und das für tausende Jahre. Darüber hinaus lösen sich in kaltem Wasser Gase wie CO² deutlich besser, was den Effekt verstärkt. Es wird daher ein großer Teil des CO² unschädlich und für Jahrtausende in dieser Tiefe gelagert.

In der Historie ist nachgewiesen, dass ein Anstieg des CO² Anteils immer auch zu einem Temperaturanstieg führte. Der Mensch hat seit der industriellen Revolution Millionen von Tonnen fossile Brennstoffe genutzt und das darin gespeicherte CO² freigesetzt. In der Vergangenheit konnte immer dieser Zusammenhang zwischen einem Anstieg des CO² Anteils und Temperatursteigerungen nachgewiesen werden. Dies gilt für geologische Zeiträume, die längere Vergangenheit (Eis- und Warmzeiten) und genauso wie für die jüngere Vergangenheit. Von 1880 bis heute ist die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,8 Grad gestiegen, 3/4 davon zwischen 1970 und heute. Die genaue Messung des CO² Anteils erfolgt erst seit Ende der 1950-er Jahre  (Keeling Kurve – Mauna Loa). Lagen die ersten CO² Konzentrationen noch bei ca. 300 ppm so wurde für 2013 erstmals über 400 ppm gemessen. Prognosen gehen von einer Konzentration von 800 – 1000 ppm bis ins Jahr 2100 aus.

 

Der Meeresspiegel ist aufgrund der geschilderten Erwärmung seit 1880 bereits um ca. 20 cm gestiegen. Betrachtet man nun den prognostizierten CO² Anstieg, die daraus folgende Erwärmung und rechnet dies auf den Anstieg des Meeresspiegels hoch, könnten in kurzer Zeit Anstiege von über einem Meter erfolgen. Holland, Bangladesch, die Malediven – zu großen Teilen unter Wasser. Dr. Freier redet nicht über Science Fiction. Die früheren Rechenmodelle ließen genau die Entwicklung, welche wir in den letzten Jahren erlebt haben, erwarten und es ist davon auszugehen, dass sie mit einer gewissen Schwankungsbreite auch zukünftig zutreffen werden. Dies wird höchstwahrscheinlich bereits unsere Enkel betreffen. Nur am Rande wirft er die Frage auf, wie ein Europa, welches mit etwas mehr als einer Million Flüchtlingen schon überfordert zu sein scheint, mit einer Völkerwanderung, die der prognostizierte Meeresspiegelanstieg hervorrufen wird, umgehen wird. Die geopolitischen Spannungen und Konflikte lassen sich wohl nur ansatzweise erahnen.

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Im Vortrag kommen die umfangreichen Wechselwirkungen beinahe zu kurz, dies liegt jedoch an der komplexen Thematik: Die Versauerung der flachen Meere aufgrund der Wechselwirkung zwischen eingelagertem CO² und den nachfolgenden chemischen Reaktionen, erhebliche Veränderungen in der Vertikaldurchmischung der Meere aufgrund der allgemeinen Erwärmung, die Veränderung des Ökosystems (hier unter anderem das Sterben des Krills) und die Auswirkungen auf die Nahrungskette, die Folgen des durch das Sterben des Krills freigesetzten Kohlendioxids, der Rückfall des Weltklimas in voreiszeitliche Zeiten aufgrund der CO² Konzentrationen. Sicher ist, dass Dr. Freier noch weitere zwei Stunden hätte referieren können, aber der zeitliche Rahmen gab dies nicht her.

Es werden aber auch Lösungsvorschläge angeboten. Man könnte in antarktischen Gewässern die Entwicklung von Biomasse anregen um auf diese Weise CO² in das Tiefenwassers einzulagern. Gut, keine endgültige Lösung aber 4000 - 5000 Jahre Zeitgewinn mit allerdings weitgehend unbekannten ökologischen Nebenwirkungen. Nicht zuletzt ist natürlich die Entnahme von CO² aus der Atmosphäre oder den Ozeanen ein Thema, unabhängig ob man es einlagert oder anderweitige Verwertung findet.

Zum Abschluss widmet sich Dr. Freier Antworten den Eingangsfragen.

Die Erderwärmung findet nicht gleichmäßig statt. Sie konzentriert sich auf die Pole und die zentralkontinentalen Gebiete, Bereiche in denen ein US Präsident wohl nicht so oft ist, obwohl zunehmend zerstörerische Hurrikans, gigantische Waldbrände und Dürrekatastrophen Mahnmale genug sein sollten.

Und die Klimaschwankungen der Vergangenheit? Ja die gab es. Ursächlich waren geologische Phänomene wie z.B. die Kontinentaldrift, die Meeresöffnungen verschloss (Nord / Südamerika) und dadurch Meeresströmungen umleitete oder auch Gebirge entstehen ließ, die aufgrund von neuen großen Schneemengen mehr Sonnenwärme wieder ins All reflektierten und so für eine Abkühlung der Atmosphäre  sorgten. Damals waren dies langsame Veränderungen über Millionen  von Jahren, sie sorgten im Resultat dennoch  dafür, dass bis 90 – 95 Prozent des Lebens ausstarben. Die aktuelle Entwicklung lässt einen Umschwung innerhalb weniger Jahrhunderte als sicher erscheinen. Ob es dann bei nur 90 – 95 Prozent bleibt?

Sicher ist, dass die Auswirkungen des menschlichen Handelns in den nächsten Jahrzehnten den Planeten für Jahrzehntausende verändern wird – werden wir Menschen dies überleben?