Bahamas: Auge in Auge mit Großhaien

Teile:
20.02.2016 09:50
Kategorie: Reise

Gefährliche Begegnungen mit Großhaien…oder eher Streichelzoo?

Eine Tauchsafari mit Jim Abernethy`s Shear Water nach Tiger Beach und Bimini: Wie oft haben wir schon beindruckende  Bilder und Videos von Tigerhaien „Face to Face“ von den Bahamas gesehen. Darf man das tatsächlich so intensiv erwarten? Und: Ist es denn nicht gefährlich? Grund genug, dem Thema auf den Grund zu gehen…

Ein Bericht von Jan Finsterbusch und Christoph 'Schaffel' Schaffelhuber, unserem Moderatoren-Team im Tauchgebiete-Forum

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Wer kennt sie nicht, die üblichen Fragen neidischer Freunde und Arbeitskollegen  vor dem Urlaub: „…Und, wo geht es diesmal hin?“ – Auf die Bahamas. „Oh wie schön, Sonne und Strand…“ – Nein, Tauchen mit Tigerhaien und großen Hammerhaien, Face to Face“ – was dann folgt ist ungläubiges Schweigen; danach kommt meist die Frage, ob man denn noch alle Tassen im Schrank habe und ob das nicht gefährlich sei? Die Haie warten doch nur darauf, einen aufzufressen… Und man muss ja nur aus einem kleinen Kratzer bluten, sofort fallen sie doch über einen her. Jeder der den „Weißen Hai“ Teil I-X gesehen hat, ist schließlich Hai-Experte. Was soll man darauf dann antworten? Wie kann man diesen tiefsitzenden Vorurteilen sinnvoll begegnen?

Wir haben uns für eine Gruppenreise des Reiseveranstalters Waterworld, dessen Inhaber der weltbekannte Fotograf Werner Thiele ist,  auf Jim Abernethy`s "Shear Water" entschieden. Nach einem gar nicht so langen Flug von München nach Miami, einer abenteuerlichen Fahrt nach West Palm Beach (wer braucht schon ein Navi?) und einigen entspannten Tauchtagen vor Ort geht das „Hai-Light“ der Reise los: Wir boarden auf der M/V Shear Water.

Während des „Hai Briefings“ an Bord der „Shear Water“ erfahren wir, dass sich die o.a. Fragen schon viele andere gestellt und ihre eigenen Antworten darauf auf dieser Tour gefunden haben.

Wortreich erklärt Jim Abernethy die Grundregeln des Tauchens mit Großhaien. Es werden Handzeichen besprochen sowie Situationen und Anzeichen diskutiert, in denen besondere Vorsicht geboten ist. Er vergleicht „seine“ Tigerhaie mit Hunden, welche zum Streicheln zu ihm kommen. Moment, hat er das gerade wirklich gesagt? Geht das jetzt vielleicht nicht doch zu weit? Einer der größten und erfolgreichsten Prädatoren dieser Welt soll, ähnlich einem Hund, Personen erkennen und mögen? Soll sich annähern, nur um gestreichelt zu werden? Skeptisch und auch verwirrt von der Vielzahl der Geschichten und Informationen geht es in die einfachen Kojen der „Shear Water“ zu einer etwas holprigen ersten Nachtruhe.

Haie auf Tuchfühlung

Die Skepsis ist am nächsten Morgen immer noch präsent. Während wir uns für den ersten Tauchgang mit diesen Topräubern der Meere vorbereiten – umkreisen bereits ca. dreißig bis zu 3,5 Meter lange Zitronenhaie das Boot. Nicht, dass Tigerhaie etwas Neues für die meisten in unserer Gruppe gewesen wären, aber die vollmundigen Ankündigungen vom Vortag („The Dive Encouter of your Life!“) haben schon hohe Erwartungen geweckt. Wie so oft sind wir mal wieder die Ersten im Wasser. Schaffel findet sich gleich beim Abtauchen mutterseelenalleine Auge in Auge mit einem riesigen Tigerhai wieder, der bis auf einen Meter heranschwimmt und dann majestätisch abdreht. Der hohe Wellengang lässt nur einen Taucher auf der Plattform zu, so dass Jan diese Begegnung nur noch von hinten sieht - dennoch! Was für ein Auftakt! Bisher haben wir auf unseren Tauchreisen Tigerhaie als sehr scheue Zeitgenossen kennen gelernt, deshalb war diese Begegnung bereits ein absolutes Highlight!

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Natürlich ist uns allen bewusst, dass ein Köder im Wasser ist (siehe auch Ende des Berichts), doch alles, was zählt, ist der nächster Tiger, welcher ruhig und majestätisch an den am Boden sitzenden Tauchern vorbei auf Jim zuschwimmt. Er wird von Jim mit einem Signal dazu animiert, näher zu kommen. Entgegen der normalen Vorstellungskraft passiert tatsächlich das, was uns Jim am Vorabend angekündigt hat: Der riesige Fisch rollt mit den Augen, schwimmt langsam zu Jim und lässt sich von ihm am Maul kraulen – nicht nur einmal, sondern immer wieder.

Auch während man auf das nächste Heranschweben eines Tigers wartet, wird einiges geboten: Unzählige Zitronenhaie, Karibische Riffhaie und Ammenhaie tummeln sich die ganze Zeit über um den Bait herum. Diese Haie haben mit zwischen drei und vier Metern Größe ebenfalls beeindruckende Maße. Allerdings gewöhnt man sich durch ihre permanente Anwesenheit sehr schnell an diese Tiere und schenkt ihnen schon nach kurzer Zeit nur noch wenig Beachtung. Dies liegt sicher auch an den mahnenden Worten aus dem Hai-Briefing: Jim unterscheidet zwischen großen und kleinen Haien – wobei das nichts mit der tatsächlichen Größe zu tun hat (häh?). Ein Tigerhai oder Hammerhai ist immer ein großer Hai, egal ob er nur einen Meter lang ist oder fünf. Ein Zitronenhai ist selbst mit dreieinhalb Metern Größe immer ein kleiner Hai.

Am Vorabend haben wir darüber noch gelächelt, jetzt verstehen wir, was gemeint ist. Die Zähne des Tigers, die an eine Kettensäge erinnern, sind einfach Ehrfurcht gebietender als die verstreuten spitzen Zähne der Zitronenhaie. Vielleicht sollte die Unterscheidung daher nicht in groß und klein, sondern in weitestgehend harmlos und je nach Situation potentiell gefährlich getroffen werden?

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Getaucht wird, sofern es die Sichtbedingungen zulassen, rund um die Uhr. Die Tiefe ist mit zehn Metern moderat, so dass sich in Verbindung mit dem als Option zubuchbaren Nitrox-Paket keine Probleme mit der Stickstoffaufsättigung ergeben. Aufgrund des Gezeitenwechsels muss jedoch einmal täglich mit einer längeren Tauchpause wegen stark eingeschränkter Sicht gerechnet werden.

Zwischen Verzückung und Wahnsinn

Diese erzwungenen Tauchpausen eignen sich gut dazu über die vergangenen Stunden und Tage nachzudenken. Viele Bedenken rund ums „Baiten“ entstammen der Befürchtung, dass die Haie hierdurch konditioniert werden, den Kontakt zu Menschen zu suchen. Das kann man nach den Erfahrungen hier wohl bestätigen. Aus den Erzählungen der Crew geht immer wieder hervor, dass neue Tiere zunächst noch zögerlich sind. Jedoch gewöhnen sie sich zunehmend an den Menschenkontakt und werden immer zutraulicher. Letztendlich werden die richtig zutraulichen Tiere mit Namen versehen und als „Player“ (=Spieler) bezeichnet. Jeder, der schon einmal zum Tauchen in der Bahamas-Region war, wird bereits von Emma gehört haben! Das über fünf Meter lange Weibchen ist der Inbegriff eines Players oder, um noch eine weitere Steigerung zu finden, ein „Topmodel“. Definitiv ja, die Haie werden konditioniert und legen ihre Scheu vor Tauchern deutlich ab.

Auf der anderen Seite: Wen interessiert dies auf einer Sandbank dutzende Seemeilen vor der Küste der Bahamas? Wer verirrt sich schon hierher, wenn er nicht diese beeindruckenden Tiere sehen will? Ein an der Oberfläche treibender Mensch wird immer durch ein Raubtier (das seit Jahrmillionen nur zwei Ziele verfolgt: möglichst energieeffizient zur nächsten Mahlzeit zu kommen und sich zu vermehren) gefährdet sein. Das sollte jedem Taucher klar sein, da spielt eine wie auch immer geartete Konditionierung wohl keine Rolle.

Mit jedem folgenden Tauchgang wird das Ganze mehr und mehr zu einem Rausch. Die Topmodels und Player erlauben hautnahen Kontakt, stoßen gegen die Kameras und lassen sich manchmal nur durch den Einsatz des Haistabs davon abhalten noch näher zu kommen. Dabei wird der Stab nicht als Waffe eingesetzt, sondern nur vor einem selbst auf dem Boden positioniert. Dieses Zeichen scheinen die Tiere zu verstehen. Zumindest drehen sie anschließend ab. Die Zitronenhaie, welche auf der Sandfläche in der Nähe des Baits schlafen, lassen uns Taucher näher kommen und reagieren überhaupt nicht auf die Streicheleinheiten, die wir ihnen zu teil werden lassen.

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Die Fotografen an Bord schwanken zwischen Verzückung und Wahnsinn, da gute Fotos schwer aufzunehmen sind, wenn man die ganze Zeit im Sand sitzt und sich wegen der drei bis vier Tigerhaie zur selben Zeit immer wieder im Kreis drehen muss.

Diesen atemberaubenden Tigertauchgängen folgen am letzten Tag noch ein  weiteres Highlight: die großen Hammerhaie von Bimini! Das Verhalten dieser Tiere ist komplett anders, als das der Tigerhaie. Nähert sich der Tiger gemächlich und ruhig dem Bait bzw. dem davor positionierten Crewmitglied und lässt sich von Streichelein davon abhalten die Köderbox einer Bissprobe zu unterziehen, stürmen die Hammerhaie direkt darauf los und das jeweilige Crewmitglied hat alle Mühe, diesem gezielten Versuch, etwas Fressbares zu ergattern, durch einen Griff an den Hammer entgegen zu steuern.

Die Begegnung mit diesen Tieren hinterlässt ebenfalls einen bleibenden Eindruck. Kein Wunder, wenn sich ein vier Meter langes Tier - mit bis zu einen Meter breiten Hammer-Kopf - auf einen zubewegt. Auch wenn diese Tiere aufgrund Ihrer Körperform noch beeindruckender sein mögen, so wird schnell klar, dass die Interaktion mit diesen Tieren weitaus komplizierter ist als mit den Tigerhaien.

Berühre nichts und nimm nichts mit außer Fotos? Ja diese Tour ist das Gegenteil! Doch mal ehrlich, wenn die NOAA (National Oceanic and Atmospheric Administration - US Behörde unter anderem zuständig für Fischfang) ab dem 01.01.2016 das kommerzielle Fischen von Haien (Tiger-, Zitronen- und Hammerhaien) an der Ostküste Floridas freigegeben hat, was machen dann ein paar liebevolle Berührungen? Jedes Boot darf bis zu 36 Haie am Tag erlegen! Ist es wirklich so falsch, durch intensive Interaktion zu zeigen, dass es sich nicht um die blutrünstigen Bestien aus den Filmen handelt? Sicher diese Tiere werden niemals in einen Streichelzoo passen. Vielleicht ist es aber genau dieser Gegensatz, der sich auch auf den Fotos und Videos dokumentiert, der Menschen dazu bringt, genauer darüber nachzudenken und etwas anderes als lediglich blutrünstige Bestien zu sehen? Wohl jeder Taucher, der eine dieser Touren erlebt hat, versteht, dass diese imposanten und erfolgreichen Tiere mehr sind, als man allgemein vermittelt bekommt. Sie sind in einem gewissen Umfang berechenbar und Interaktion mit ihnen ist möglich, wenn man sich an ein paar Regeln hält. Welche das sind?

Finde es mit einer der Haiexpeditionen selbst heraus und wir sind uns sicher, auch du wirst nach dieser Reise einen anderen Blick auf diese einzigartigen Tiere haben.

Auf die Eingangsfrage, ob das Ganze nicht gefährlich ist, gibt es am Ende doch noch eine Antwort: Schaffel bricht sich auf der Rückfahrt bei einem durch schwere See verursachten Sturz die Schulter! Den Kontakt mit den Haien empfinden wir keine Sekunde lang für gefährlich … die Stufe vor der Toilette hingegen schafft in Kombination mit einer heftigen Welle seitlich und der Hand auf der Türklinke, eine grobe Verletzung – etwas das kein Hai geschafft hat.

Und grundsätzlich ist ja – statistisch gesehen – die Fahrt zum Flughafen ohnehin das Gefährlichste an einem Tauchurlaub – auch wenn es um große Haie geht.

Bait

Die Köderboxen, die seitlich am Boot hängen und die während der Tauchphasen Mittelpunkt der „Action“ sind, der sogenannte „Bait“, besteht aus Fisch in zwei Plastikboxen. Dabei werden die Haie bei Jim (im Gegensatz zu einigen anderen Anbietern) nicht aktiv gefüttert. Obwohl sie nicht an den Fisch gelangen, können sie das Futter wittern; dies ist natürlich einer der Gründe, warum sich diese Großhaie überhaupt nähern.

Die Diskussion „Haie unbeeinflusst in ihrer natürlichen Umgebung“ vs. „angelockte Haie werden durch das Futter konditioniert“, sollte jeder mit sich selbst führen; Wir haben das Thema bereits nach wenigen Minuten komplett verdrängt.

Reiseinformationen

Gebucht bei Waterword - Werner Thiele in Österreich
Veranstalter: Jim Abernethys Scuba Adventures
Preis für die Reise: 3190 $ in einer Einzelkoje
Nitrox-Paket 100 $, Transfers (falls benötigt) 150 $, Bahamas Ein- und Ausreisesteuer 100 $, Flug ab München rund 850 Euro.
Anreise via Miami, ca. 2 Stunden Anfahrt nach West Palm Beach
Abfahrt und Ankunft: West Palm Beach
Hinweis: Geeignet nur für erfahrene Taucher mit Großfischerfahrung.

Tauchen in Florida

Da eine Woche für die weite Anreise nach Miami etwas kurz ist, unternehmen wir vor und nach der Tour entspannte Tauchgänge um West Palm Beach. Hierbei fällt sehr positiv auf, dass oft mit den USA in Verbindung gebrachte Problemchen wie Gängelung, Tauchzeitbegrenzung auf unter 60 Minuten usw. hier überhaupt nicht auftreten.

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Highlight sind die Tauchgänge an der Blue Heron Bridge, hier finden wir Muck-Diving vom Allerfeinsten; alleine hier könnte man mehrere Tauchtage verbringen.

Für Jan (Schaffel „darf“ wegen seiner Schulter früher heim) geht es dann noch nach Crystal Springs zu den Manatees (Seekühe, enge Verwandte der Dugongs), die dort in den Quellen anzutreffen sind. Aufgrund der Wassertemperatur sind nicht allzu viele vor Ort, trotzdem ist dieser Abstecher empfehlenswert, wenn man mal in der Ecke ist.