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Wie das Zwerg-Seepferdchen sich perfekt an seine Korallenumgebung angepasst hat
Genetische Forschungen enthüllen, warum das kleine Meerestier mit kurzer Schnauze so erstaunlich gut getarnt ist: Das Zwerg-Seepferdchen (Hippocampus bargibanti) gehört zu den faszinierendsten Meeresbewohnern, die in den Korallenriffen des westlichen Pazifiks leben.
Eine deutsch-chinesische Forschungsgruppe um den Konstanzer Evolutionsbiologen Axel Meyer hat nun das Geheimnis ihrer Anpassung gelüftet. Ziel ihrer Studie war es, herauszufinden, warum diese Tiere mit ihrer verkürzten Schnauze und ihrer strukturierten Haut so perfekt in die Korallenwelt passen.
Ihre Ergebnisse zeigen, dass das außergewöhnliche Aussehen des Zwerg-Seepferdchens das Ergebnis einer evolutionären Abstimmung auf die Korallen ist. Die Tiere haben im Lauf von etwa 18 Millionen Jahren ihrer Evolution eine Vielzahl von Genen verloren, darunter auch jene, die bei anderen Seepferdchen für die Verlängerung der Schnauze verantwortlich sind. Die Folge: Das Maul bleibt kurz, was es den Tieren ermöglicht, sich tag- und nachts in den Polypen der Koralle zu verstecken und so Fressfeinde effektiv zu täuschen.
Im Gegensatz zu ihren Verwandten, die lange, pferdartige Schnauzen besitzen, haben sich die Zwerg-Seepferdchen im Zuge ihrer Anpassung genetisch auf eine kurze Schnauze spezialisiert. Axel Meyer erklärt: „Normalerweise wächst die Schnauze bei Seepferdchen mit der Zeit länger. Doch beim Zwerg-Seepferdchen ist das Wachstum durch den Verlust des hoxa2b-Gens unterdrückt. Dadurch bleibt das Tier kindlich klein und kurzschnäuzig – eine perfekte Tarnung in der Korallenwelt.“ Mit Hilfe von CRISPR-Cas9-Experimenten an Zebrafischen konnte diese Theorie bestätigt werden. Das Ergebnis: Der Kopf des Zwerg-Seepferdchens bleibt im frühen Entwicklungsstadium stecken, was seine Tarnfähigkeit erheblich verbessert.
Viele verlorene Gene
Doch nicht nur die Kopfform ist speziell an die Umgebung angepasst. Auch die Hautfarbe, die Ausbildung der Hautknötchen, die die Korallenpolypen nachahmen, sowie das Immunsystem wurden genetisch untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass das Zwerg-Seepferdchen im Vergleich zu anderen Wirbeltieren den kleinsten bekannten Immun- Gensatz besitzt.
„Wahrscheinlich ist diese Tatsache darauf zurückzuführen, dass Korallengifte von den Zwerg-Seepferdchen toleriert werden können und sogar Schutz vor Mikroben bieten. Ihr Immunsystem braucht die dafür notwendigen Gene daher nicht mehr selbst. Ferner wurden bei Seepferdchen die Geschlechterrollen getauscht, denn Männchen brüten in ihrer Bruttasche die Eier aus. Weil aber die Eier natürlich nicht genetisch identisch zu den Zellen des Körpers der Männchen sind, würden sie normalerweise abgestoßen werden. Daher ist die Immunreaktion abgeschwächt und die dafür verantwortlichen Gene sind verloren gegangen“, sagt Meyer.
Diese genetischen Abstriche sind absolut kein Nachteil, sondern ein Beispiel für die ökologische Anpassung. „Die enormen genetischen Verluste bei den Zwerg-Seepferdchen sind ein Paradebeispiel dafür, wie evolutionärer Druck bestimmte Gene überflüssig macht oder sogar ganz eliminiert“, fasst Axel Meyer zusammen. Das Tier zeigt, wie aus einer Kombination von Verlusten und spezifischer Anpassung eine außergewöhnliche biologische Nische entsteht, in der Tarnung und Überleben Hand in Hand gehen.
Siehe auch: Originalpublikation ( www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2423818122 )