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Bisher vermutete klimatische Einflüsse spielen nur untergeordnete Rolle
Er ist nur knapp sechs Zentimeter groß und spielt doch eine große Rolle im Ökosystem der Antarktis: Der Kleinkrebs Euphausia superba (Antarktischer Krill). Er ist eine der am häufigsten vorkommenden Arten der Welt und die Nahrungsgrundlage für viele Tiere im Südpolarmeer. Lange Zeit rätselten Wissenschaftler, warum die Größe der Krillbestände immer wieder stark schwankt.
Ein internationales Forscherteam um Prof. Dr. Bernd Blasius, Institut für Chemie und Biologie des Meeres (ICBM) der Universität Oldenburg, und Prof. Dr. Bettina Meyer, Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und ICBM zeigt in einer neuen Studie: Vor allem die Konkurrenz um Nahrung innerhalb der Population ist für die Schwankungen verantwortlich. Die Forscher werteten Langzeitdaten aus und entwickelten ein mathematisches Modell, um die Veränderungen der Bestände zu untersuchen. Ihre Ergebnisse sind nun in der aktuellen Ausgabe des renommierten Fachmagazins „Nature Ecology and Evolution“ erschienen.
Schon länger ist bekannt, dass die Bestände des Antarktischen Krills über einen Zeitraum von fünf bis sechs Jahren stark schwanken. Dabei verändert sich die Biomasse um mehr als das Zehnfache. Experten vermuteten bislang, dass klimatische Faktoren, wie das stark jahreszeitlich geprägte Polarklima, den sogenannten Krillzyklus auslösen. Wirkliche Belege dafür fehlen jedoch. Die neuen Analysen der Forscher deuten nun darauf hin: Vor allem Rückkopplungen innerhalb der Population verursachen den Zyklus. Gerade im antarktischen Herbst konkurrieren die Kleinkrebse innerhalb des Schwarms vermehrt um Nahrung. Denn in dieser Zeit müssen Larven und ausgewachsene Tiere ausreichende Fettreserven für den nahenden Winter anlegen. Gleichzeitig nimmt die Nahrung des Krill, die mikroskopisch kleinen Algen des Phytoplanktons, aufgrund der kürzer werdenden Tage stark ab. Größere Krillbestände müssen längere Zeit hungern, überwintern und sich fortpflanzen. All dies lässt die Populationsgröße schwanken.
„Wir können zeigen, dass vor allem Konkurrenz innerhalb der Krill-Population im Herbst für die Schwankungen sorgt“, sagt ICBM-Forscher Dr. Alexey Ryabov. Bisher hatten Wissenschaftler angenommen, dass eher der Winter kritisch für das Überleben der Krill-Larven ist. Denn wenn weite Teile des südlichen Ozeans von Eis bedeckt sind, gibt es für die Kleinkrebse nur wenig Nahrung. „Unsere Ergebnisse werfen jedoch ein neues Licht auf diese Annahme“, so Bettina Meyer.
Nachvollziehen konnten die Wissenschaftler die Prozesse mit einem eigens entwickelten sogenannten bioenergetischen Modell, das unter anderem das Wachstum des Krills vom Ei bis zum ausgewachsenen Tier abbildet und mit der Nahrungsverfügbarkeit koppelt. „Die Ergebnisse dieser Simulationen stimmten gut mit den über einen Zeitraum von 18 Jahren tatsächlich beobachteten Zyklen überein“, sagt Bernd Blasius.
Nach Ansicht der Forscher helfen ihre Simulationen auch, das Nahrungsnetz im Südpolarmeer insgesamt besser zu verstehen. Denn der Krill spielt eine Schlüsselrolle im Ökosystem der Antarktis: Von ihm ernähren sich Wale, Robben oder Pinguine. Die Modellergebnisse zeigen nun: Gibt es weniger dieser großen Räuber, verstärkt dies wahrscheinlich die Schwankungen der Krillbestände. „Dies könnte das Nahrungsnetz in der Region destabilisieren und die Zahl der großen Räuber weiter senken“, erklärt Bettina Meyer. Umgekehrt könnte ein erhöhter Jagddruck auf den Krill dessen Bestände sogar stabilisieren. „Jeder Faktor, der dieses empfindliche Gleichgewicht ändert, kann drastische Auswirkungen auf das gesamte antarktische Ökosystem haben“, schlussfolgert Bernd Blasius.
Link zur Studie: www.nature.com/articles/s41559-017-0177.