Vernesselungen. Chemische Nahkampfkunst

Teile:
25.11.2010 10:57
Kategorie: Medizin


Die meisten Taucher wissen aus eigener Erfahrung: Vernesselungen sind unangenehm. Sie können aber auch lebensbedrohlich sein. Über die Behandlung kursieren zahlreiche, sich teils widersprechende Ideen, Meinungen und Gerüchte. DiveInside versucht, Licht in diesen Dschungel zu bringen.

Bericht von Dr. Anke Fabian

Die junge Taucherin Kim F. (15 Jahre) tauchte entspannt am Riff entlang. Das Rote Meer war schon etwas frisch um diese Jahreszeit, deshalb trug sie einen 5mm halbtrockenen Neoprenanzug mit Haube. Plötzlich fing es an der Oberlippe an zu brennen. Nicht nur ein bisschen – nein, es brannte wie Feuer. Aus Reflex rieb sie über den schmalen unbedeckten Hautabschnitt, aber es brannte nur noch mehr. Der Tauchpartner konnte auch bei genauer Inspektion an dieser Stelle nichts entdecken. Nach einer Weile ließ das brennende Gefühl etwas nach, und der Tauchgang konnte fortgesetzt werden. Die Stelle jedoch schmerzte über mehrere Stunden. Nach dem Tauchgang, an Land, sah man einen dünnen roten, teils blasigen Streifen auf der Oberlippe.

Was war passiert? Ein kleiner abgerissener Quallententakel hatte sich genau das kleine unbedeckte Stück Haut zwischen unterer Maskendichtung und Oberlippe ausgesucht und führte dort zu einer Vernesselung.

Natascha S. hing nach einem fantastischen Tauchgang auf den Philippinen mit ihrer Tauchgruppe am Dekoseil und absolvierte den Drei-Minuten-Sicherheits-Stop. Es herrschte Strömung, deshalb hielten sich alle Taucher in der Nähe des Seils auf. Plötzlich spürte sie einen brennenden Schmerz im Halsbereich, der sich schnell so stark steigerte, dass sie fast den Dekostop abbrechen musste. Auch die anderen Taucher bemerkten plötzlich ein Brennen an den unterschiedlichsten Körperstellen, aber Natascha hatte es am stärksten erwischt. Im Wasser war nichts zu sehen. Keine Qualle weit und breit. Zurück auf dem Boot trat eine Kreislaufreaktion auf. Natascha wurde übel und der Blutdruck sank, sodass sie sich hinlegen musste. Der Juckreiz steigerte sich, und die Schmerzen nahmen zu. Am Hals sah man kleine, verstreute rote Pünktchen mit ausgeprägter allergischer Reaktion und Blasenbildung der umgebenden Hautpartien.



Was war passiert? Quallen entwickeln sich durch Abschnürung aus mikroskopisch kleinen Polypen, die sich von Plankton ernähren. Dabei entstehen winzige Quallenlarven (Ephyra-Larven), welche als Zooplankton im Meer treiben. Die Strömung hatte wohl einen ganzen Schwarm dieser winzigen Tierchen herangespült, die zu mehr oder weniger ausgeprägten Vernesselungen bei den Tauchern führten.


Nesseltiere – gefährliche Schönheiten


Der Stamm der Nesseltiere ist äußerst artenreich und vielfältig und umfasst viele Tiergruppen – sowohl freischwimmende als auch festsitzende Tiere, als Einzelindividuen oder in Kolonien vorkommend. Zu den Freischwimmenden gehören zum Beispiel die Staatsqualle oder die Würfelqualle, zu den festsitzenden die Hydrozoen, Seeanemonen, die Feuerkoralle und manche Blumentiere.




Giftapparat und Gifte


Sie verfügen über einen äußerst wirksamen Giftapparat, der einen eigenen Fressschutz darstellt und auch zum Beuteerwerb eingesetzt wird. Dabei wird durch Abschuss der Nesselkapseln aus den Nesselzellen die Beute getötet oder gelähmt und zur "Vorverdauung" schon verflüssigt.
Der Giftapparat ist genial entworfen – sozusagen ein Meisterstück der strategischen, konventionellen Nahkampfkriegsführung unter Einsatz modernster biologischer und chemischer Waffen.

Die Nesselkapseln sind mikroskopisch kleine ovale Bläschen (0,05 mm), die mit Nesselgift gefüllt sind und unter hohem Druck stehen (bis 100 bar). Die Nematocysten stellen richtiggehende Handgranaten dar.


Mechanismus der Nesselkapseln


[1] Die Berührung des Zellfortsatzes (sogenanntes Cnidocil) zündet den Mechanismus, und die Zelle reißt explosionsartig auf.

[2] Mit enorm hoher Beschleunigung, die in der Natur ihresgleichen sucht (400.000 m/s2 – das ist das 40.000-fache der Fallbeschleunigung!), wird ein Stilett-artiges Gebilde herauskatapultiert und in die Haut des Beutetieres gebohrt.

[3] Der Giftschlauch stülpt sich handschuhartig heraus und wird mit Widerhaken ordentlich verankert.

[4] Nach diesen strategisch ausgeklügelten und physikalisch äußerst effektiven Maßnahmen setzt die biologische Kriegsführung durch Injektion des hochwirksamen Nesselgiftes ein.



Das Nesselgift besteht aus Eiweißen (Proteinen), die je nach ihrer Wirkungsweise entweder als Neurotoxin oder Cytolysin bezeichnet werden. Cytolysine sind die Vorhut und bereiten den Weg durch die Zerstörung der Zellmembranen. Dadurch wird sozusagen freie Bahn für die Nachhut – die Neurotoxine – geschaffen. Sie führen über eine Dauererregung an den Nervenmembranen zu kontinuierlichen Muskelkontraktionen, die "krampfähnlich" den Muskel letztendlich außer Funktion setzen und zu Lähmungen führen.

Symptome


Die Wirkung einer Vernesselung hängt von verschiedenen Faktoren ab:

• Art des Nesseltiers
• Stärke des Gifts
• Intensität des Kontakts
• Menge der explodierenden Nesselzellen
• Durchschlagkraft der Nesselzellen
• Größe, Gewicht und Hautbeschaffenheit des Opfers
• Allergische Disposition des Opfers
• Verhalten des Opfers nach dem Kontakt
• Ort der Vernesselung (in großen Tiefen besteht Ertrinkungsgefahr)

Geht man häufigsten Fall aus, ist eine Vernesselung zunächst einmal eine unangenehme Angelegenheit, die brennt, juckt und schmerzt. Geht man vom Schlimmsten aus, kann sie zum Tode führen.

Was passiert im Körper?


Zunächst entsteht eine lokale Reaktion an der Kontaktstelle mit Rötung, Ödem (Flüssigkeitsansammlung), Schwellung und eventueller Blasen- oder Quaddelbildung im Sinne einer Kontaktdermatitis mit Juckreiz und Schmerzen unterschiedlicher Stärke.

Symptome


Lokal: Vernesselungen können nur durch ein Brennen und eine Rötung charakterisiert sein, möglich sind jedoch auch unerträgliche Schmerzen und/oder großflächige Blasenbildung. Verschiedene Auslöser führen zur Freisetzung von Histamin, einem Gewebehormon, Botenstoff und Neurotransmitter. In der Folge erweitern sich die Blutgefäße (die Haut wird rot) und die Blutgefäßwände werden durchlässiger (die Haut schwillt an und juckt).
Oft bleibt eine systemische Reaktion aus; das Ganze ist dann eher eine Befindlichkeitsstörung und mehr ärgerlich als lebensgefährlich.

Systemisch: In Abhängigkeit von den oben genannten Faktoren kann sich das Blatt allerdings auch schnell wenden, zum Beispiel nach Kontakt mit der Australischen Seewespe. So ziemlich jedes Organsystem kann von einer Reaktion betroffen sein. Der Magen-Darmtrakt reagiert mit Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen, Leber und Niere können Funktionsstörungen zeigen. Am Nervensystem sind Verwirrtheit, Gangunsicherheit, verschwommenes Sehen, Nervenentzündung, Neuralgien oder sogar neurotoxisch bedingte Atemdepression beschrieben worden. Herz-Kreislaufreaktionen sind Bluthochdruckkrisen und Rhythmusstörungen bis hin zum Herzstillstand; an der Lunge ist ein Lungenödem (Wasser in der Lunge) bis zum Atemstillstand möglich.

Allergie: Auch ohne systemische Sofortreaktion ist die große Gefahr von Nesselgiften in der Wahrscheinlichkeit, eine allergische Reaktion zu erleiden. Medizinisch gesehen handelt es sich um eine Unverträglichkeitsreaktion, an der das Immunsystem beteiligt ist – dann spricht man von einer Allergie.

Ist das Opfer durch vorherigen Kontakt mit den Giften schon sensibilisiert, kann möglicherweise eine schwere allergische Reaktion (Anaphylaxie) auftreten.
Das klinische Bild anaphylaktischer Reaktionen reicht von leichten Hautreaktionen, über Störungen der Organfunktionen, Kreislaufschock mit Organversagen bis zum sogenannten anaphylaktischen Schock, der tödlich enden kann.
Bei schweren Intoxikationen sind durch Stimulation der zellulären Immunität dazu noch späte und/oder immer wiederkehrende Reaktionen möglich.

So erging es auch Natascha S. Nachdem die Kontaktstellen an Bord des Tauchschiffes ordnungsgemäß versorgt wurden und die eher leichte Kreislaufreaktion verschwunden war, konnte die Taucherin ihren Urlaub weiter genießen; die Hautreaktionen heilten langsam ab. Nach drei Monaten zeigten sich jedoch an gleicher Stelle erneut juckende und schmerzende Pusteln ohne jeglichen erkennbaren Auslöser, die sich hartnäckig sämtlicher Therapie entzogen (siehe Bild rechts).

Therapie


Es ranken sich viele Mythen und Halbwahrheiten um die richtige Therapie bei Vernesselungen, und die Liste der Hausmittel und Geheimtipps ist unerschöpflich. Sucht man im Internet, findet man Empfehlungen von Rasierschaum über Begießen der Wunde mit Wundbenzin und anschließend die Flamme eines Feuerzeuges kurz daran zu halten bis hin zur Therapie mit Eigenurin. Dass ausgefallene Dinge manchmal – bei Nichtverfügbarkeit von erprobten therapeutischen Mitteln – durchaus ihre positive Wirkung zeigen können ist unbestritten. Benzin und Feuerzeug sollte man allerdings definitiv von der Liste streichen!

Aber auch andere, erprobte therapeutischen Ansätze sind immer wieder Anlass zu kontroversen Diskussionen, wie die Heißwassermethode, Kühlung, mit Salzwasser spülen oder nicht spülen, Essigwasser auf jede Vernesselung oder nicht, was tun, wenn man nicht weiß, von welchem Tier man genesselt wurde etc... Da können schon viele Fragezeichen im Kopf der Helfer auftauchen.

Gehen wir einmal ganz pragmatisch vor: Es kommt jemand aus dem Wasser und ist genesselt worden. Bevor man "in Aktion tritt": erst mal schauen, beobachten und überlegen:


Aktionsplan:


1. Besteht eine lokale oder bereits eine systemische Reaktion?
2. Sind wir in einem Gebiet (z.B. Südpazifischer Raum), in dem es sehr giftige oder unter Umständen tödliche Arten gibt?
3. Das Opfer befragen: Bestand Kontakt zu einem sessilen (festsitzenden)Tier? Hat der Taucher beispielsweise nur eine Feuerkoralle berührt?
4. Besteht die Möglichkeit, dass sich noch Nesselzellen oder sogar Tentakel am Körper des Opfers befinden (Quallenkontakt)?
5. Falls es (noch) keine Antwort auf die Fragen gibt, geht man von der denkbar ungünstigsten Version aus: Noch am Körper befindliche Nesselkapseln
6. Eigenschutz steht an erster Stelle.



Wird der Kontakt schon unter Wasser beobachtet, hängt das Vorgehen von der Art der Beschwerden ab. Bestehen außer einer lokalen Reaktion keine Anzeichen einer systemischen Beteiligung (wie im Falle von Kim F.) kann weitergetaucht werden. Im Zweifelsfall immer das Wasser so kontrolliert wie möglich verlassen.

Vor jeder Maßnahme an Land steht der Eigenschutz der Helfer. VORSICHT bei noch klebenden Tentakeln oder Nesselzellen. Hautkontakt der helfenden Hände oder Füße produziert unter Umständen ein zweites Opfer.

Also: Handschuhe anziehen! Sind Einmalhandschuhe nicht vorhanden sind, auch an die Tauchhandschuhe denken oder andere Möglichkeiten (Plastiktüten) nutzen – oder aber: Hände weg! Wenn gespült wird, Booties oder Schuhe anziehen. Flip-Flops schützen nicht, wenn sich Tentakel oder Polypen in den Wasserpfützen tummeln.

Wichtig ist die Beruhigung des Opfers mit ruhiger Ansprache und Betreuung. Je weniger sich der Taucher bewegt, desto weniger Gift wird in den Körper abtransportiert.

Zunächst sollte das Kontaktareal an den betroffenen Körperstellen mit Salzwasser sanft gespült werden. Damit kann man überhaupt nichts falsch machen, selbst wenn man nicht weiß, mit welchem Tier Kontakt bestand. Nicht sehr fest klebende Tentakel oder Nesselzellen werden hierbei fortgewaschen. Kein Süßwasser oder Alkohol verwenden, da sich hierbei noch mehr Nesselzellen entladen. Oftmals reicht dies bei harmlosen Vernesselungen mit kleinerer Kontaktfläche (Feuerkoralle) schon aus. Kleidungsstücke sollten vorsichtig entfernt werden, da sich unter Umständen zwischen Stoff und Haut Nesselkapseln befinden können. Auch Schmuck – z.B. Ringe, Armbänder, Piercings – sollte an den betroffenen Körperstellen entfernt werden, da es zu Schwellungen und nachfolgender Einschnürung kommen kann. Verbleibende sichtbare Tentakelreste können vorsichtig mit einer Pinzette entfernt werden.

Im Falle einer ausgeprägten Lokalreaktion (z.B. nach Quallenkontakt) kann man weitere lokale Maßnahmen anwenden wie Applikation von 5-prozentigem Haushaltsessig, Sand oder Magnesiumsulfat- oder Backpulverpaste.

Bei der Essigbehandlung geht es um Deaktivierung noch verbliebener Nesselzellen auf der Haut direkt nach dem Kontakt (auch wenn Tentakel kleben geblieben sein sollten). Die Methode funktioniert aber nur bei einigen Nesseltier-Arten, darunter allerdings alle Seeanemonen. Achtung: Die Wirkung von Essig könnte artabhängig auch kontraproduktiv sein und zu weiteren Entladungen der Nesselzellen führen, z.B. bei der Portugiesischen Galeere.

Zur Herstellung von Magnesiumsulfat- oder Backpulverpaste wird das Pulver in Salzwasser zu einer Paste angerührt und vorsichtig ohne Druck auf die betroffenen Hautstellen aufgeträufelt. Übt man zu viel Druck aus, explodieren die Nesselkapseln wie "Tretminen". Das gleiche gilt für Sandauflagen. Hier bitte den Sand vorsichtig und sachte auf die betroffenen Körperstellen aufstreuen und keinesfalls einreiben. Trockener Sand soll evtl. sichtbare Tentakelreste abbinden.

Sowohl die Pasten als auch Sand verbleiben auf der Haut, bis sie ganz eingetrocknet sind. Oft wird beschrieben, dass man sie danach sanft abschaben sollte – eine nochmalige Salzwasserspülung hat jedoch den gleichen Effekt und ist schonender für die sowieso schon äußerst gereizte Haut.
Blasen dürfen wegen des Infektionsrisikos keinesfalls eröffnet werden. Im Zweifelsfall die Körperstellen bedecken oder sogar leicht verbinden. Sonnenbestrahlung vermeiden!

Heißwassermethode


Viel diskutiert ist die Heißwassermethode versus Kühlung mit Eiswasser. Die meisten Giftgemische aus dem Tierreich bestehen aus Eiweiß (Proteine). Manche Eiweiße denaturieren (unumkehrbare Zerstörung der Molekülstruktur) bereits ab 42°Celsius, andere erst um die 50°Celsius. Dies begründet den Ansatz der Heißwassertherapie, die eine Denaturierung des Gifts und damit schnelles Abklingen des Schmerzes bewirken soll. Gegner der Heißwassermethode warnen zu Recht vor Verbrühungen und weiteren Gewebeschäden durch Hitzeeinwirkung.

Es ist richtig, dass Kontakt mit mehr als 50 Grad heißem Wasser zu Verbrennungen führt. Wichtig erscheint hier jedoch eine differenzierte Betrachtungsweise. Ist das Gift thermolabil? Sind die Gifte schon im Körperkreislauf aufgenommen und haben bereits eine systemische Wirkung? Ist der Patient bewusstseinsklar?

Anwendung: Wenn man eine vernesselte Extremität in heißes Wasser taucht, dann vorsichtig und langsam. Am besten fängt man mit der gerade noch gut tolerierbaren Temperatur an und wartet, bis sich die Haut daran gewöhnt hat. Dazu muss der Patient allerdings bewusstseinsklar und ansprechbar sein, sonst kann er ja keine Rückmeldung geben. Oft ist der Schmerz so groß, dass das Temperaturempfinden eingeschränkt ist. Deshalb sollte eine andere Person die Temperatur vorher testen. Danach kann man vorsichtig heißes Wasser bis zur Toleranzgrenze zugeben; Dauer hierbei mindestens 30 Minuten. "Hot Packs" können auch am Rumpf eingesetzt werden.

Kühlung mit Eiswasser oder "Cold Packs"


Aus der Sportmedizin und bei Erfrierungen ist der "kälteanästhetische Effekt" bekannt (Kühlsprays nach Verletzungen) und wird auch immer noch standardmäßig bei Insektenstichen etc. von Ärzten empfohlen, um die Erweiterung der Blutgefäße zu verlangsamen. Dies wirkt auch bei Vernesselungen, allerdings ohne Einfluss auf die Gifte.

Bei jeder Vernesselung wird Histamin aus Mastzellen freigesetzt. Dieser Mediator ist für die Ödembildung (Quaddeln) und Entzündungsreaktion verantwortlich. Je eher es zu einer Unterbindung der Ausschüttung kommt, umso erfolgreicher die weitere Behandlung.

Aus eigener Erfahrung bei Behandlung von Vergiftungen durch gefährliche Meerestiere lohnt es sich, beide Methoden im Hinterkopf zu behalten.

Im Anschluss kann eine Salbenbehandlung mit einem Antihistaminikum (z.B. Tavegil oder Soventol) oder aber auch schmerzstillende Salben (z.B. Lidocainsalbe) Linderung bringen. Zur Unterdrückung der Entzündungsreaktion können auch Cortisonsalben eingesetzt werden. Prednison-Salbe ist ein sehr starkes, aber auch sehr wirksames Cortison-Präparat bei Vernesselungen.

Medikamente


Bei schwerwiegenden Vernesselungen sind Antihistaminika (Tavegil oder Telfast Tabletten), oder Cortison in Tablettenform angebracht; bei allergisch bedingter Atemnot auch als Spray einsetzbar. Antibiotika wie Penicillin (bei Verträglichkeit!) sollen eine Entzündung der unter Umständen nässenden Wunde verhindern. Eine medikamentöse Therapie sollte allerdings nicht in Eigenregie begonnen werden (außer bei allergischer, starker Sofortreaktion – hier kann ein Antihistaminikum und Cortison lebensrettend sein).


Maßnahmen bei ausschließlich lokaler Reaktion


• Wasser verlassen
• Eigenschutz als Helfer beachten (Handschuhe, Schuhe)
• Beruhigung des Opfers
• Spülen mit Salzwasser
• Vorsichtiges Entfernen von Kleidung und Schmuck
• Eventuell Applikation von
  - 5-prozentigem Haushaltsessig (Australische Seewespe)
  - Sand, Magnesiumsulfatpaste (Portugiesische Galeere, Leuchtqualle)
  - Backpulverpaste (Kompass-Feuerqualle)

• Heißwassermethode oder Kühlung mit Eis
• Beruhigende Salben (z.B. Tavegil, Soventol)
• Schmerzstillende Salben (z.B. Lidocainsalbe)
• Eventuell Bedeckung der betroffenen Körperstellen oder leichter Verband zum Schutz der Haut



Verboten sind:
• Süßwasserspülung
• Abschrubben der Haut
• Alkoholspülung
• Eröffnung der Blasen
• Sonnenexposition der betroffenen Hautstellen

Weiterführende Therapie bei systemischer Reaktion:
Zunächst einmal sind alle Maßnahmen wie bei der lokalen Therapie angebracht. Nach Bergung und Entfernung von Tentakelresten mit entsprechender Erstbehandlung (z.B. mit Essigwasser bei der Australischen Seewespe) muss dann allerdings nach den Richtlinien der Schockbehandlung vorgegangen und das Opfer schnellstmöglich zu einem Arzt gebracht werden.

Die vom Laien durchführbaren kreislaufstabilisierenden Maßnahmen reichen von der Schocklagerung, wache Patienten trinken lassen, stabile Seitenlage bei bewusstlosen Patienten bis zur Reanimation mit Herzmassage und Mund-zu-Nase/ Mund-zu-Mund-Beatmung.



Vorbeugen ist – wie immer – besser als Heilen


In gefährdeten Gebieten bedeckt man die Haut beim Schwimmen oder Schnorcheln am besten mit einem stinger-suit (Lycra-Anzug) – beim Tauchen ist jedes auch noch so dünne Neopren ausreichend. Entscheidend ist hier nämlich nicht die Dicke oder Stärke des Anzuges, sondern der passgenaue Abschluss an den Armen und Beinen sowie am Hals.

Gerät ein Nesseltier zwischen Anzug und Haut, gibt es besonders schwere Verletzungen, da hierbei noch mehr Nesselkapseln mechanisch "gesprengt" werden.

Unter Wasser nichts anfassen und bei Strömung oder Wellengang einen ausreichenden Sicherheitsabstand zu Korallen und Gräsern halten, dabei auf eine ausgewogene Tarierung achten, damit man sich nicht "in die Nesseln setzt".


Safe Sea Bild


Es handelt sich hier um ein Schutz-Gel, das eine Kontaktnahme der Nesselzellen an der Haut verhindern soll. Es ist vom Österreichischen Tropeninstitut entwickelt worden und ist in Apotheken erhältlich.

Dabei nahmen sich Wissenschaftler die Clownfische zum Vorbild. Diese Tiere leben in engem Kontakt mit einer Anemone. Vor den Nesselkapseln schützen sie sich, indem sie Substanzen aus den Tentakeln der Anemone in der eigenen Schleimhaut tragen. So erkennt das Nesseltier den Fisch nicht als Eindringling, er wird verschont, alle anderen Tiere aber vernesselt. Auf dieser Basis wurde "Safe Sea" entwickelt.

Dem israelischen Forscher Amit Lothan, der seit gut 30 Jahren als Meeresbiologe tätig ist, ist es gelungen, jene Substanzen von der Haut des Clownfisches, der sich inmitten von Seeanemonen unbehelligt herumtreibt, zu isolieren, charakterisieren und synthetisieren. Dieses als "plancton blocking technology (PBT)" bezeichnetes Management reduziert die Zahl der auf der Haut explodierenden Nematozysten soweit, dass Hautveränderungen nach Quallen-, Seeanemonen und Feuerkorallenkontakt unterbleiben. Die australische Seewespe und die Portugisiesche Galeere wurden nicht getestet!

Anwendung von Safe Sea: Safe Sea muss sorgfältig und insbesondere auch auf die Haut, die vom Badetrikot bedeckt ist, aufgetragen werden. Ein Mischen mit einem Sonnenschutzmittel könnte dazu führen, dass weder ein sicherer Quallen- noch der erwünschte Sonneschutz erreicht wird. Es ist auch überflüssig, weil ohnehin fixe Kombinationen von PBT und Sonnenschutz (Faktor 15 und Faktor 30) erhältlich sind. Dieser Vorgang ist nach jedem Badegang unbedingt zu wiederholen!

Es liegen bisher nur wenige offiziell dokumentierte Erfahrungsberichte mit dem Einsatz von Safe Sea vor; der Taucher ist gut beraten, mehrgleisig zu fahren bzw. zu tauchen, um sich "nicht in die Nesseln" zu setzen. Eine eigene Umfrage unter Tauchern, Schnorchlern und Schwimmern erbrachte jedoch gute Ergebnisse, vor allem im Mittelmeer.


Bildmaterial Quallen


Bildmaterial von verschiedensten Quallenarten aus allen Regionen der Welt findet man in unserer Fotodatenbank.