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Der Fluss des Geldes
Oft sind es rein wirtschaftliche Argumente, die Vernunft getragene Entscheidungen verhindern und deren Folgen mit gesundem Menschenverstand eigentlich nicht mehr verstehbar sind. So grad auch geschehen an der katalanischen Mittelmeerküste von Tarragona bis hoch im Norden des Cap de Creus, nahe der französischen Grenze. Hier ist es in den vergangenen Wochen zu einigen Demonstrationen gekommen, die rein gar nichts mit dem derzeit zwischen Barcelona und der Madrider Zentralregierung schwelenden Konflikten zu tun haben. Aber dennoch erhitzt eine Entscheidung der spanischen Administration die Gemüter von Tauchern, Tauchbasen, den großen spanischen Tauchverbänden FEDAS und FECDSÀS, von Rettungsschwimmern, Paddel-Surf-Vereinen, Schwimmvereinen und zahlreichen anderen dem Wassersport und dem Naturschutz verbundenen Organisationen, den Meeresbiologen der Universität Barcelona und sogar von Verbänden und Taucherlehrern zahlreicher europäischer Länder.
Anlass für die Demonstrationen war die Erteilung von zwölf Lizenzen zum Abbau von roten Korallen an der Costa Brava, die nach Ansicht dieser für den Erhalt der vom Aussterben bedrohten roten Koralle aktiven Gruppe nicht zeitgemäß sind und den kritisch niedrigen Bestand an roten Korallen weiter unter Druck bringen.
Die Korallenfischerei hat in Spanien eine lange Tradition und der Präsident des Berufsverbandes der spanischen Korallenfischer Joaquim Baeza versteht die ganze Aufregung nicht: “Das Gebiet, für welches die Genehmigungen erteilt wurden, ist sehr klein“, sagte er und betonte, dass die professionellen Fischer die eingeräumten Grenzen und Auflagen immer respektiert hätten. Das Problem liegt offenbar auch an dem weit verbreiteten „schwarzen“ Raubbau an der roten Koralle, die vor allem zur Schmuckproduktion in Italien und als Bestandteil für pharmazeutische Produkte Verwendung findet.
Jan Boelen, Basisleiter der Euro-Divers Tauchbasis in Cala Jonquols, Boris Mörker von Poseidon Rosas und das Team von Diving Port Lligat Cadaqués sehen das vollkommen anders. „Es ist einfach nicht mehr zeitgemäß, die Ressourcen der Natur ohne Not so nachhaltig abzubauen. Und die professionelle Korallenfischerei ist nicht alleine das Problem, sondern auch der massenhafte Schwarzabbau sorgt für erheblichen Druck, denn Kontrollen finden praktische kaum statt,“ erklärte Jan Boelen gegenüber Taucher.Net.
Die Interessengruppen, die sich zum Erhalt der Roten Koralle in den spanischen Gewässern zusammengetan haben, finden mit ihrer Forderungen auch Gehör bei den Nationalparkverwaltungen und den katalanischen Behörden. Sie wollten ein zunächst zehnjähriges Moratorium erreichen, das den Abbau der Roten Koralle untersagt und fordern strengere Kontrollen. Für die Küstengewässer bis hinaus zur spanischen Hoheitsgrenze sind aber nicht die Naturschützer oder die katalanische Administration, sondern spanischen Behörden zuständig, die mit den zwölf Genehmigungen nun für Turbulenzen gesorgt haben. Die katalanische Generalitat bezieht sich mit ihrer Unterstützung der Forderung nach einem zehnjährigen Abbaustopp auf eine Untersuchung, die sie in Auftrag gegeben hatte und die den Bestand der roten Korallen in den Küstengewässern der Costa Brava als kritisch bezeichnete. Die Berufsfischer zweifeln diese Ergebnisse an und Präsident Baeza formuliert: “Korallen sind eine Ressource des Fischfangs und seit einiger Zeit werden wir dargestellt, als seien wir Kriminelle“. Eine neue, umfangreichere Studie wird von ihnen gefordert, die die Gesamtsituation des Bestandes bewerte und nicht nur den Bestand in den wenigen, immer kleiner gewordenen Zonen, die von den Abbaugenehmigungen gedeckt würden.
Die Umweltschützer und vor allem die Taucherfraktion unter ihnen, wollen aber weiter kämpfen und werden ihre roten Banderolen mit der Parole „Vida al coral, vida al mar“ („Es lebe die Koralle, es lebe das Meer“) weiter bei Demonstrationen und Aktionen unter und über Wasser aufmerksamkeitsstark einsetzen. Und je lauter sich jene Menschen zu Wort melden, denen die Ressourcen der Natur und ethische Aspekte bei der Nutzung dieser Ressourcen wichtig sind, desto eher werden die Fraktionen, denen lediglich der kontinuierliche Fluss des Geldes am Herzen liegt, verstummen. (hap)
Lebhafter Streit in Katalonien über ethische Aspekte beim „Handel mit Blutkorallen“
Ein Kommentar von Jan Boelen – Basisleiter der
Euro-Diver Cala Joncols, Costa Brava - Spanien
Alle meine früheren Vorbilder Mitte der achtziger Jahre trugen rote oder schwarze Korallen auf der Brust. Ich erinnere einen aus Bonifacio, der inzwischen schon 84 Jahre alt ist, einen deutschen Bodybuilding-Weltmeister, die selben schwarzen Korallen um den Hals und einen meiner ersten Tauchfreunde, einen französischen Tauchlehrer der „Tarzan“ genannt wurde – auch mit einer netten Koralle auf seiner Brust.
Mit diesen Erinnerungen ist eine gewisse Romantik bei mir verknüpft, denn ich liebe es, ihre Geschichten von damals zu hören, als sie noch alleine, solo zum Tauchen gingen, kaum vernünftige Ausrüstung oder Kenntnisse über Dekompressionsmodelle.
Ich liebe und bewundere solche Charaktere, aber heute wissen wir es besser und wir sollten unser Verhalten im Umgang mit den Ressourcen der Natur ändern! Trotzdem freue ich mich auch weiter auf Geschichten von solchen Dinosauriern, wie sie ihre harten Jobs und die endlosen Partys in Bonifacio, auf den Balearen oder an anderen zauberhaften Plätzen der Korallenindustrie überlebt haben.
Ich glaube, dass es kein Zufall ist, dass wir über „Blut-Korallen“ sprechen, so wie etwa auch bei „Blut-Diamanten“ oder „blutigem Geld“... Die Beteiligten versuchen verzweifelt zu rechtfertigen, weshalb sie weitermachen möchten, mit dieser Art Geld zu verdienen. In meinen Augen ohne vernünftige Argumente. Der Fischer versucht zu erklären, dass es noch genügend Korallen gibt; nur eben tiefer... Ich werde ihn beim Wort nehmen! Noch gibt es auch genug Rohöl, nur es ist doch viel schlauer schon jetzt nach Alternativen zu suchen. Für den Korallenbestand sollten ähnliche Begründungen gelten.
Gegen den Fang und die Verwertung der Blutkorallen sprechen aus meiner Sicht auch ethische Gründe: es sind tote Tiere, die man sich als Schmuck um den Hals hängt! Und es ist ein weiterer Lebensraum, der verloren geht. Die Fischer geben zu, dass es bis 40 Meter kaum noch Korallenbestand gibt, was schon ein Verlust eines Lebensraumes bedeutet. Was auch heißt, das bevor Tiere sich diesen schnellen Veränderungen anpassen können, sie völlig verschwinden. Ich will nicht so tun als sei ich ein Wissenschaftler und ich bin gewiss auch kein Baum-Umarmer.... aber ich glaube aufrichtig daran, dass es keine Argumente zugunsten des wirtschaftlichen Abbaus von roten Korallen gibt! Außer: dass es viele Menschen gibt, die bereit sind dafür sehr viel Geld zu bezahlen, was leider in Spanien wie in zahlreichen weiteren Ländern die einzige Betrachtungsweise ist.
Zugunsten der Fischer muss man zugeben, dass es kaum Kontrollen gibt, wer welche Mengen abfischt und wofür und wohin diese verkauft werden. Ich stimme ihnen zu, dass es kaum möglich ist, so etwas effektiv zu kontrollieren. Die meisten der Blutkorallen gehen nach Italien. Und in Pressestatements ist zu hören, dass man mehr Kontrollen wünsche. Das hört sich zwar gut an, aber wenn man weiß, dass Italien beteiligt ist und man lediglich auf mehr Kontrollen hofft, ist es geradezu so, als wolle man einen Hund mit einer zwei Meter langen Wurst anketten...
Die aktuellen politischen Situationen in Italien wie auch in Spanien, werden die Dinge nicht voranbringen, weshalb der Ansatz, den Abbau für zehn Jahre auszusetzen, eine gute Initiative war. Es wäre ja nicht einmal so, dass nach zehn Jahren nicht wieder mit der Nutzung hätte begonnen werden können, es war nur ein zehnjähriges Moratorium, also eine zeitlich begrenzte Aussetzung des Abbaus, anvisiert... Immerhin hat die gesamte Aktion Bewusstsein erzeugt, Menschen beziehen Standpunkte und sprechen über das Thema und das wird auf lange Sicht hoffentlich dazu führen, dass sich das Verhalten der Menschen zum Handel mit Blutkorallen ändern wird.
Euro-Divers Cala Joncols auf Taucher.Net