Norwegen: Orcas und Buckelwale auf Jagd

Teile:
09.10.2021 12:35
Kategorie: Reise

Migration der Heringe am nördlichen Polarkreis

Als leidenschaftlicher Unterwasserfotograf hab ich schon viele Teile der Welt bereist und so manch beeindruckenden Tauchgang gemacht. Von den gewaltigen Hammerhaischulen in Cocos, über die faszinierende Manta-Hochzeit auf den Malediven, bis hin zu den Blauhaien im Freiwasser vor den Azoren. Eine gemeinsame Reise auf die Silverbanks vor der Küste der Dominikanischen Republik mit meiner Frau hat mich schließlich zu den Buckelwalen gebracht; die Eleganz dieser Lebewesen zog mich komplett in ihren Bann.

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Bericht von Michael Weberberger & Gerald Nowak

Nach der Silverbanks Reise wollte ich unbedingt weiteren Meeressäugern im Wasser begegnen. Als ich davon erfuhr, dass im Spätherbst Buckelwale und Orcas vor Norwegen zur Herings-Migration kommen hat es mich gepackt und schnell war die Reise gebucht.

Nach der Landung in Tromsø verbringen wir einen ersten Tag in der Region und nutzen diesen, um die geschichtsträchtige Stadt zu erkunden. Jetzt im Oktober schwankt das Thermometer um den Gefrierpunkt. Die Wassertemperatur mit knapp 7 Grad verhindert aktuell noch eine weitere Abkühlung der Luft. Weiter im Landesinneren hat es schon deutlich frostigere Temperaturen. Mit einsetzendem Wind kann es nachts aber auch an der Küste durchaus ‚zapfig‘ kalt werden.

Gleich den ersten Abend zieht es uns raus aus der Stadt. Wir wollen die Polarlichter sehen, die um die Jahreszeit fast täglich am nächtlichen Himmel wabern. Was für ein Glück, gleich am ersten Abend haben wir eine Sichtung, wenn auch nur kurz. Aber unsere Reise dauert ja noch einige Tage.

Nach einem ausführlichen Ausflug mit Besichtigung der Eismeer-Kathedrale, des Polaria Aquariums, des Polarmuseums und einer Hundeschlitten-Tour, lassen wir den Abend in der Magic Ice Bar ausklingen und sind voller Erwartung auf die Tour auf der M.S. Strønstad.

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Am nächsten Morgen bringt uns ein kurzer Transfer zum Hafen, wo wir an Bord der M.S. Strønstad gehen. Schon bei der Ankunft bin ich begeistert von der Robustheit des Schiffes. Alles macht einen sehr ordentlichen und stabilen Eindruck. Damit würde ich auch in wirklich raue See fahren. Perfekt für die kommenden Tage. Das Schiff wurde 1955 gebaut und wurde als Passagier- und Frachtschiff rund um die Lofoten eingesetzt. Das Schiff hat Platz für bis zu 16 Gäste in 6 Kabinen. Die Kabinen sind im Unterdeck, die Toiletten und Duschen am Hauptdeck. Die Mensa und das Tauchdeck befinden sich auch am Hauptdeck. Der Salon für vergnügte Abende ist wieder auf dem Unterdeck zu finden.

Auf der Suche nach den Heringsschwärmen

Nach dem Einzug in die Kabinen und dem Abendessen beginnt das Abenteuer. Wir verlassen den Hafen und begeben uns auf die Suche nach den Heringsschwärmen. Schon seit einigen Jahren folgen die großen Jäger den gigantischen Fischmassen in den Buchten der Provinzen Troms und Finnmark. Die Biomasse der Heringe ist vergleichbar mit dem des südafrikanischen Sardine Run. Dieses riesige Nahrungsangebot ist auch der Grund warum in den Wintermonaten Jahren Orcas und Buckelwale hier ortstreu unterwegs sind.

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Meist Mitte Oktober kommen sie aus der nahrungsreichen Arktis in die wärmeren Gefilde rund um Tromsø. Bis Ende November gibt es noch genug Licht um die Säugetiere zu beobachten. Anfang November steht die Sonne sogar noch fast acht Stunden am Himmel. Mit fortschreitender Jahreszeit werden die täglichen Sonnenstunden schnell immer kürzer, bis sie am 27. November gar nicht mehr aufgeht. Dann herrscht für über zwei Monate die polare Nacht. Durch die umliegenden Berge geht die Sonne tatsächlich erst Anfang Februar wieder auf.

Der frühe Zeitpunkt Ende Oktober ist allerdings mit einem gewissen Risiko verbunden, denn es kann durchaus sein, dass nur wenige bis gar keine Wale vor Ort sind. Die vergangenen Jahre haben aber gezeigt, dass die Tiere immer früher kommen, denn sie folgen den Heringen die ihre Wanderung in die Buchten vorverlegt haben. Im offenen Ozean sind sie auf ihrem Weg daher schon sehr früh im Herbst anzutreffen. Wir sind also den Kompromiss eingegangen; wir wollen die Tiere bei gutem Licht erwischen. Die Chancen sind 50/50, dass wir Glück haben und Wale und Orcas sehen.

Regen und ein bisschen Wind

Die ersten beiden Tage zeigen uns, was ein Norweger meint, wenn er sagt „es regnet und hat ein bisschen Wind“. An eine Suche nach den Orcas ist nicht zu denken. Der Wind peitscht, als wäre eine riesige Turbowindmaschine eingeschaltet und ein Riese hätte seinen Hochdruckreiniger dazu gepackt. Langsam kommt Frust auf und wir halten die Laune mit Kartenspielen und Würfeln am Leben. Doch am dritten Tag meint es Petrus gut mit uns und die Sonne erscheint am Horizont, ohne das Wolken den Blick verwehren. Es kommt Zuversicht auf, denn auch die Wellen haben sich gelegt…

Wir fahren raus aufs Meer und die Suche kann von neuem beginnen. Ein jeder Tag ist anders, so auch unser dritter Tag. Wir sind noch nicht lange unterwegs, da treffen wir auf eine Gruppe Orcas, die am Jagen ist. Da Orcas sehr sozial sind und alles in der Gruppe machen, haben sie auch eine Gruppendynamik in ihrer Jagdtechnik. Je nach Nahrungsangebot variiert die Taktik und sie stimmen sich perfekt untereinander ab, um den maximalen Jagderfolg zu erzielen. Die Tiere über Wasser zu beobachten ist schon ein besonderes Erlebnis und es verschlägt einem den Atem, wenn man erlebt, wie koordiniert die Gruppe einen Schwarm Heringe umzingelt.

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Noch perfekter ist, dass es sich wohl um eine Gruppe „Langschläfer“ unter den Orcas handelt, denn normalerweise jagen sie bevorzugt am Morgen. Wir haben jetzt mittags und damit genug Licht, um sie auch unter Wasser erleben zu können. Wo man als Schnorchler ins Wasser springt, sagt einem der Kapitän. Die Crew ist äußerst erfahren und kennt die Schwertwale seit Jahren. Ein guter Indikator um den perfekten Moment zu erwischen sind jagende Möwen. Wenn sie an einer Stelle verharren, haben es die Orca geschafft, die Heringe zu einem Baitball zusammenzutreiben, um sie aufzufressen. Das nutzen auch die Möwen, die von oben ins Wasser schießen, um ihren Teil abzubekommen. Wir haben so einen Baitball jetzt genau vor uns. Bewaffnet mit Trocki, ABC-Ausrüstung und Kamera warten wir auf dem Zodiac auf das „Go“ des Kapitäns. Das Wasser brodelt und Möwen, Orcas und wir stürzen uns in das Spektakel.

Obwohl die Sicht nur mäßig ist, sehe ich mich umgeben von einer unglaublichen Masse an Fisch. Von allen Seiten schießen die Jäger auf die zusammengepferchten Heringe. Ich mitten drinnen. Was für ein Schauspiel, was für ein Erlebnis! Immer wieder stoßen die Orcas mit Vollspeed in den Baitball und holen sich ein Maul voll Fisch. Was für ein Festschmaus für die Tiere. Doch es kommt noch heftiger. Buckelwale erreichen den Ort des Geschehens und beteiligen sich an der Jagd. Durch das Auftauchen der Wale ist das Treiben auch im Nu vorbei. Zwei, drei Mal taucht eine Gruppe von Walen durch den Heringsschwarm hindurch und schon ist nichts mehr davon übrig. So schnell das Spektakel begonnen hat, so schnell ist es vorbei.

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Die nächsten Tage sehen wir immer wieder Orcas an der Oberfläche, wie sie den Heringen hinterher ziehen. Leider nie wirklich Standorttreu, so dass wir zwar immer wieder mal im Wasser sind, aber die Tiere selten nahe erleben.

Luftblasen steigen von unten durch den Schwarm

Doch dann haben wir noch ein weiteres Mal Glück. Gerade noch ist eine Gruppe von Orcas durch den Fjord gezogen und wir dachten, dass für heute Schluss ist. Wie aus dem nichts beginnt die Gruppe mit der Jagd. Dabei sind die Orcas eher entspannt und ohne Hektik unterwegs, ganz anders als die letzten Tage. Recht gemächlich umkreisen sie einen kleineren Baitball und lassen sich einiges an Zeit mit dem Angriff. Das ist nahezu perfekt für unseren nächsten Versuch. Vorsichtig schwimme ich zur Gruppe der Orcas hinüber. Immer mit dem Hintergedanken, dass sie gleich von dannen ziehen. Doch nichts dergleichen geschieht. In aller Ruhe erreiche ich den Heringsschwarm. Gerade als ich meine Kamera auf sie richte, sehe ich Luftblasen, die von unten durch den Schwarm aufsteigen. Ein Orca ist direkt unter mir und schwimmt in aller Ruhe durch den Schwarm. Ich versuche so viel wie möglich Bilder zu machen, denn vielleicht ist dies der einzige Moment zu fotografieren.

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Ein weiterer Orca kommt an mir vorbei und holt sich seinen Anteil an den Heringen. Ich bin aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Noch mehr Bilder entstehen. Weitere Orcas kommen, immer wieder und wieder. Nach gut 90 Minuten bin ich durchgefroren wie lange nicht, ich hab Bilder die ich mir nie erträumen hab lassen und die Orcas ziehen ein letztes Mal an mir vorbei, als wollen sie sich noch verabschieden mit den stillen Worten: „Na, hast jetzt alles im Kasten, was Du Dir vorgenommen hast“? Ich bin überglücklich und weiß nicht was ich zurück an Bord über dieses Erlebnis berichten soll. Es waren 90 Minuten, die wie ein Sekundenfilm immer wieder an mir vorbeiziehen. Ich habe das Gefühl, dass dieser Moment nie enden wird und mich für den Rest meines Lebens verändert.

Orcas gehören in die Natur

Die letzten beiden Tage versuchen wir es noch einige Male. Wir haben immer wieder kurze Begegnungen und auch traumhafte Lichtstimmung über Wasser. Unser Skipper betont immer wieder, was für ein Glück wir hatten, denn so eine Begegnung, die so lange und so nahe ist, hat man eher selten. Für mich ist das Gefühl neben einem Orca zu schwimmen eines der beeindrucktesten Erlebnisse meines Lebens und ich werde sicher wieder kommen, um diesen großen, mächtigen Tieren ein weiteres Mal in ihre riesigen Augen zu blicken.

Diese Tiere gehören in die Natur und nicht in irgendwelche Sea Worlds dieser Welt. Man darf ihnen die Freiheit nicht nehmen. Man muss sie respektieren und ihnen den Lebensraum lassen, den sie seit Anbeginn von der Schöpfung zugewiesen bekommen haben. Wer sie beobachten möchte, muss zu ihnen kommen. Sie in ihrem Lebensraum respektieren und ihnen zugestehen, dass sie entscheiden, wann und wo sie uns näher treffen wollen. Wenn man es ihnen zugesteht, wird man auch die Möglichkeit haben sie zu erleben – dann wenn sie es wollen!

Eine gelungene Safari geht zu Ende und wir sitzen im Hot-Pot auf dem Oberdeck der M.S. Strønstad. Inzwischen ist es Nacht und die Polarlichter umrahmen das Schiff wie ein Feuerwerk. Bis bald Norwegen, bis bald Orcas.

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Waterworld Tauchreisen Sonderreise:
Es gibt noch Plätze für die diesjährige Tour vom 22.10.2021 - 30.10.2021

Norwegen - Viking Sea Orcas I” - Orcas hautnah zur jährlichen Heringsmigration!
9 Tage Schnorchel- & Naturexpedition «Viking Sea Orcas»

Reisedetails unter: waterworld.at/specials/...
Infos und Anmeldung: g.nowak@waterworld.at