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… und täglich grüßt das Murmeltier!
Kein Tag im Leben eines Tauchreiseveranstalters, der nicht irgendwie Neues, Anstrengendes, Ärgerliches, Belustigendes oder Verwunderliches mit sich bringt. Doch das, was da vor ein paar Tagen reingeschneit ist, schlägt dem Fass den Boden aus.
Wir haben jetzt seit fast einem Jahr diese globale Krise. Der Virus findet seinen Weg um den Globus, tausende Menschen infizieren sich weltweit, unglaubliche Szenen spielen sich in den Krankenhäusern ab. Ein Land nach dem anderen schließt seine Grenzen und unzählige gestrandete Reisende versuchen irgendwie noch nach Hause zu kommen. Den Tourismus trifft es hammerhart. Von jetzt auf gleich bricht die gesamte Branche zusammen und enttäuschte Urlauber fordern ihr Geld für bereits gezahlte Leistungen zurück, die nun nicht mehr in Anspruch genommen werden können. In dem vergleichsweise kleinen Segment der Tauchreiseveranstalter kämpfen ohnehin viele täglich ums Überleben und stehen plötzlich vor dem Abgrund. Viele wissen auf einmal morgens nicht ob sie am Abend schon insolvent sein werden. Sie verstehen aber auch ihre Kunden, die sich nicht mit Gutscheinen abfertigen lassen möchten. Nur helfen können sie ihnen wenig, denn für die kleinen Veranstalter gelten andere Regeln, als für die Bigplayer, wie TUI und Co. Die können nicht nur mit großzügiger staatlicher Unterstützung rechnen, sondern müssen ihre Partner – also Hotels, Transportunternehmen und andere Dienstleister in den Urlaubsregionen – erst bezahlen, wenn die Leistung bereits erbracht ist, sprich, wenn die Reise stattgefunden hat. Dieses Privileg haben die meisten Tauchreiseveranstalter nicht. Sie müssen die Leistungen bei der Buchung zahlen, lange bevor die Reise stattfindet. Die Anzahlung der Kunden wird also quasi durchgereicht. Flüge, sofern sie fest gebucht werden, muss jeder kleine Veranstalter dagegen sofort zu 100% bezahlen.
Jetzt kommt Corona ins Spiel. Jeder seriöse, wenn auch noch so kleine Tauchreise-Veranstalter bildet natürlich Rücklagen, denn gerade die Tauchbranche ist häufiger von Krisen geschüttelt. Anschläge in Ägypten, Vulkanausbrüche in Bali, hölzerne Tauchboote, die auf ein Riff auflaufen und von jetzt auf gleich nicht mehr verfügbar sind, sind nur einige Beispiele hierfür. Das will alles gedeckelt sein, denn das Geld im Ausland ist ja erst mal weg. Der Kunde in Europa hat jedoch das gesetzlich gesicherte Recht, sein Geld zeitnah zurückzubekommen. Da sind schnell mal einige zehntausend Euro für eine noch so kleine Tauchreisegruppe zurückzuzahlen. Wer jetzt denkt: kein Problem, da werden doch die Hotels oder Schiffe im fernen Ausland sofort kulant das Geld dem Veranstalter zurückzahlen, ist auf dem Holzweg. Außerhalb von Europa gibt es für derartige Risiken der Veranstalter keine rechtliche Grundlage. Der Anbieter Vorort behält das Geld in der Regel erst einmal, schließlich will auch er seinen Schaden überleben. Er bietet dem Veranstalter in Europa Gutscheine an. Corona sei Dank, die Tauchreiseveranstalter haben jetzt einen Berg Gutscheine vor sich liegen, mit denen sie vermutlich auf Jahre ihr Büro heizen können – vorausgesetzt sie haben einen Kaminofen. Denn wenn niemand reisen möchte bzw. kann, sind die Gutscheine nur noch den Heizwert wert. Der Veranstalter sitzt zwischen den Stühlen und ist gesetzlich gefordert, Gelder rückabzuwickeln, die er gar nicht mehr hat und auch so schnell nicht bekommen wird.
Faire Partner?
Da ist es doch gut, wenn man faire Partner wie die Lufthansa hat, ein deutsches Unternehmen, das dem europäischen Reiserecht unterliegt. Leider sieht dieses Reiserecht die umgehende Rückzahlung aber nur für den Endkunden vor. Reisebüros oder Veranstalter gehen dagegen erst einmal leer aus. Sie müssen sich gedulden, bis eine Fluggesellschaft wie die Lufthansa sich endlich bequemt, den Vorgang des vor langer Zeit von einem Tauchreise-Veranstalter gebuchten Fluges zu bearbeiten. Bearbeitungszeiten von 300 und mehr Tagen sind da zur Zeit normal. Je kleiner der Veranstalter, desto schlechter die Position in der Warteschlange der Rückerstattungsanträge. Statt der Reihe nach vorzugehen, werden erst wichtige Partner mit Rückerstattungen bevorzugt.
Hier ein Beispiel, an dem nichts erfunden ist: Gebucht wurde privat ein Flug mit der Lufthansa über das international agierende Unternehmen STA Travel Holding mit Sitz in der Schweiz. STA Travel war ein Reiseanbieter inklusive Reisebürokette mit weltweit 1500 Angestellten und 12 Filialen, spezialisiert auf Reisen und günstige Flüge für junge Menschen.
Der Flug hätte im Mai 2020 stattfinden sollen, Corona bedingt konnte die Reise nach Mexiko nicht stattfinden. Die Lufthansa lässt sich mit der Rückzahlung Zeit. Aber nur bis Mitte August.
Auf Nachfrage bei STA Travel hieß es am 18.August, das Geld hat Lufthansa erstattet und wird dem Kunden in den kommenden Tagen zurückgezahlt. Gut 10 Tage später war leider immer noch kein Geld da, bei STA Travel war außer dem Anrufbeantworter niemand mehr zu erreichen. Dort hieß es lapidar „leider mussten wir als STA Travel Insolvenz anmelden. Sobald wir mehr wissen, hören sie von uns“. Bis heute hat der Kunde sein Geld für das Ticket nicht erhalten und es wird vermutlich dabei bleiben. Als Lufthansa das Ticket an STA Travel zurückerstattet hat war es in Fachkreisen kein Geheimnis mehr, dass die Insolvenz wohl nur noch wenige Tage entfernt war. Trotzdem hat Lufthansa der Holding das Geld in den Rachen geworfen. Gut. Es blieb der Lufthansa vielleicht wenig anderes übrig, schließlich war STA Travel ein wichtiger Vertragspartner. Allerdings weiß die Lufthansa wohl sehr gut, bei „kleineren Fischen“ ihre Rückzahlungen hinauszuzögern.
Es gibt bis heute kleinere Tauchreise-Veranstalter, die noch auf Geld der Lufthansa warten, trotz eines Rettungspaketes der Bundesregierung in Höhe von 9 Milliarden Euro. Das gilt vor allem für sogenannte "angeflogene" Tickets. Das sind Flüge, bei denen durch die Coronakrise nur eine Teilstrecke genutzt werden konnte oder ein Rückflug auf eine andere Airline umgebucht werden musste, weil Reisende Angst hatten, nicht rechtzeitig in die Heimat zurückkehren zu können.
Betroffenen Gästen sei gesagt, dass sie sich wohl weiterhin gedulden müssen, vermutlich länger als bis zum „Groundhog day“ in Punxsutawney, Pennsylvania, denn der Murmeltiertag ist 2021 schon am 2. Februar. Die Lufthansa befindet sich zu dem Zeitpunkt noch im Winterschlaf. Wie bitte?! Ja. Ihr habt richtig gelesen. Die nachfolgende E-Mail erreichte kürzlich einige Tauchreise Veranstalter und wir wollen sie euch keinesfalls vorenthalten. Konkret geht es in dem Vorgang um mehrere Rückflüge einer Reisegruppe, die sich neue Tickets bei einer anderen Airline kaufen mussten, da die Lufthansa die entsprechende Strecke im März 2020 kurzfristig eingestellt hatte.
Erhalten: Montag, 4. Januar 2021 11:02
Sehr geehrte Damen und Herren,
fast am Ende eines sehr unerwarteten Jahres für uns alle, möchten wir uns nochmal gerne bei Ihnen für die Unterstützung und die perfekte Zusammenarbeit in 2020 bedanken!
Nach diesen vielen Monaten voll mit schwerwiegenden Einschränkungen im Luftverkehr bleibt die Situation für die Lufthansa Gruppe sehr ernst. Auch in den kommenden Monaten müssen wir weiterhin stark auf Einsparungen achten und legen unseren Fokus auf operationelle Notwendigkeiten.
Von Mitte Dezember bis Ende Februar 2021 haben wir uns in der Lufthansa Group Winterruhe verordnet.
In dieser Zeit werden nur administrative Tätigkeiten ausgeführt, die erforderlich sind, den Betrieb aufrechtzuerhalten, die Sicherheitsbestimmungen, gesetzlichen Anforderungen sowie die Umsetzung des Umstrukturierungsprogramms einzuhalten.
Unser Team befindet sich von 14. Dezember 2020 bis 28. Februar 2021 in Winterruhe.
Selbstverständlich sind wir für dringende Anfragen für Sie erreichbar, bitten jedoch um Verständnis, dass es zu Verzögerungen bei der Beantwortung Ihrer Anfragen kommen kann.
Wir bedanken uns jetzt schon für Ihr Verständnis.
(Die E-Mail liegt der Redaktion im Original vor)
Ob die Sachbearbeiter bei der Lufthansa sich die Zeit mit dem Blockbuster „Und täglich grüßt das Murmeltier“ verkürzen, ist nicht bekannt.