Leben in der tiefsten Welt der Erde: Neue Erkenntnisse in der Tiefsee

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31.07.2025 10:41
Kategorie: News

Forscher enthüllen erstaunliche Ökosysteme in den tiefsten Regionen der Ozeane

Die Tiefsee unterhalb von 6000 Metern, benannt nach dem griechischen Gott der Unterwelt Hades - Hadalzone, bezeichnet die tiefsten Regionen der Ozeane ab 6000 Meter Tiefe und galt lange Zeit als äußerst lebensfeindlich und kaum erforschter Raum.

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Bis vor kurzem wurde angenommen, dass dort nur wenige Lebewesen existieren, vorwiegend Aasfresser, Mikroben und Sedimentbewohner, die vom organischen Material leben, das langsam aus den lichtdurchfluteten Oberflächenregionen herabsinkt. Dieses Bild begann sich jedoch durch neueste wissenschaftliche Studien zu verändern.

Ein internationales Forscherteam, unter Leitung des chinesischen Instituts für Deep Sea Science and Engineering, entdeckte bei einer Expedition im Pazifik bislang unerforschte, gigantische chemosynthetische Gemeinschaften. Diese lebenden Ökosysteme, die anders als herkömmliche Lebensräume nicht auf Sonnenlicht angewiesen sind, beziehen ihre Energie aus chemischen Reaktionen im Meeresboden (quasi: chemisch angetriebene Gemeinschaften).

Mit dem bemannten chinesischen Tauchboot Fendouzhe stießen die Wissenschaftler auf ein Ökosystem, das sich über eine Länge von 2500 Kilometern erstreckt und bis in eine Tiefe von 9533 Metern reicht. Die Bilder, die das Tauchboot vom Grund des Kurilen-Kamtschatka-Grabens und des westlichen Aleutengrabens zur Oberfläche schickte, sind eindrucksvoll.

Die untersuchte Region gehört zu den tiefsten Arealen der Weltmeere. Das Ergebnis ist ein bedeutender Meilenstein in der Tiefseeforschung.

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Wissenschaftliche Revolution in der Hadalforschung

Die Expedition mit dem Hochdruck-Tauchboot „Fendouzhe“ enthüllte, dass in diesen gigantischen Tiefen, die bis zu 9533 Meter tief sind, aktive und dichte chemosynthetische Gemeinschaften süd- und nordöstlich des Pazifiks existieren. Das Gebiet „The Deepest“ gilt nun als der tiefste bekannte Ort, an dem solche Lebensgemeinschaften nachweislich vorkommen. Hier wimmelt es von dichten Kolonien von Röhrenwürmern, den sogenannten Sibogliniden, die im schwarzen Sediment leben und ihre Tentakel in den in sie eindringenden selbst produzierten, energiereichen Schwefelwasserstoff- und Methanhaltigen Flüssigkeiten strecken.

Forscher fanden heraus, dass diese Lebensräume von geologischen Prozessen angetrieben werden, die Methan aus Sedimenten freisetzen. Das Methan entsteht durch mikrobiellen Abbau organischer Stoffe, die sich in den Sedimenten angesammelt haben, und gelangt durch große Verwerfungen und Bruchzonen in den Meeresboden nach oben. Diese Frakturen – sogenannte Cold Seeps – sind geologisch aktive Stellen, an denen Methan, Schwefelwasserstoff und andere energiereiche Substanzen aus dem Erdinneren austreten und die Grundlage für das Überleben der chemosynthetischen Gemeinschaften bilden.

Entstehung und Bedeutung der Cold Seeps

Die geologischen Erkenntnisse zeigen, dass die Quellen für Methan in diesen Regionen vor allem biogenen Ursprungs sind. Das organische Material, das im Meeresboden durch Sedimentation eingelagert wurde, wird unter anaeroben Bedingungen durch Mikroorganismen in Methan umgewandelt. Dieses Methan sammelt sich unter den Sedimentschichten und steigt entlang von großen Verwerfungen und normalen Bruchzonen nach oben. Dort tritt es an den Meeresböden aus und bietet die Energiequelle für die chemolithoautotrophen (chemisch angetriebene pflanzenähnliche Organismen) Organismen an.

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Diese Gebiete, die man als Cold Seeps bezeichnet, sind keine Ausnahme, sondern könnten weltweit in allen Tiefseegräben vorkommen. Ihre Entdeckung zeigt, dass der Lebensraum „Tiefsee“ viel vielfältiger und aktiv ist, als bisher angenommen. Die Gemeinschaften bestehen aus Tausenden von Organismen pro Quadratmeter, darunter Muscheln, Röhrenwürmer, verschiedene Benthic-Invertebraten (bodenbewohnende wirbellose Meerestiere) sowie Mikroorganismen, die in Symbiose leben oder chemosynthetisch tätig sind.

Biologische Vielfalt und Anpassungen

Besonders spannend ist die Vielfalt der Arten, die in diesen extremen Umgebungen existieren. In den untersuchten Tiefseegebieten wurden zahlreiche neue Arten entdeckt, die sich an die hohen Druck- und Sauerstoffarmutbedingungen angepasst haben. Während in den flacheren Regionen der Ozeane chemosynthetische Gemeinschaften meist nur entlang ausgewählter Stellen vorkommen, zeigen die Tiefsee-Expeditionen, dass solche komplexen Ökosysteme über hunderte Kilometer vernetzt sein können.

Selbst in den extremsten Tiefen, bis zu 9533 Metern, findet man dichte Populationen von Röhrenwürmern, Muscheln und anderen Organismen. Das liegt daran, dass die Methan- und Schwefelwasserstoff-Quellen kontinuierlich Energie liefern und so stabile Lebensgrundlagen schaffen, die auf Sonnenlicht angewiesen sind.

Diese Entdeckung zeigt, dass die Tiefsee nicht nur ein Lagerraum für organische Partikel ist, sondern ein aktiver Lebensraum voller komplexer, chemisch angetriebener Ökosysteme. Sie revolutioniert unser Verständnis von den Grenzen des Lebens auf der Erde und wirft neue Fragen auf – sowohl für die Ökologie als auch für die globale Kohlenstoffbilanz.

Feste Belege für die Existenz dieser Gemeinschaften in den Tiefen des Pazifiks bedeuten, dass chemosynthetische Ökosysteme an den tiefsten Stellen der Weltmeere wesentlich bedeutender sind, als bisher angenommen, und dass sie langfristig eine wichtige Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf spielen könnten. 

Entdeckte Lebensgemeinschaften sind keine Ausnahme

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass solche Systeme keine Ausnahme darstellen. Aufgrund der geologischen Ähnlichkeiten könnten zahlreiche weitere der weltweit mehr als 20 bekannten Tiefseegräben ähnliche methanbasierte Lebensräume beherbergen.

Die Expedition liefert somit den endgültigen Nachweis, dass in den entlegensten und tiefsten Winkeln der Erde tatsächlich große Mengen an Leben existieren. Sie bestätigt wissenschaftliche Theorien, die bisher nur vermutet, aber noch nie eindeutig belegt werden konnten.

Gefahr durch Tiefseebergbau

Die Studie erscheint inmitten der Debatte über einen möglichen Abbau von Rohstoffen am Meeresboden. Bergbaukonzerne drängen seit langem darauf, wertvolle Mineralien am Meeresgrund abzubauen. Wissenschaftler und Umweltgruppen befürchten jedoch, dass der Tiefseebergbau unberührte Unterwasser-Ökosysteme dauerhaft zerstören könnte. 


Quelle und Link zur Originalstudie:
Peng, X., Du, M., Gebruk, A. et al. Flourishing chemosynthetic life at the greatest depths of hadal trenches. Nature (2025). https://doi.org/10.1038/s41586-025-09317-z