Kuba: Isla de la Juventud. Der alte Mann und die Insel

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30.05.2013 10:21
Kategorie: Reise


Wo Fidel Castro im Gefängnis die Revolution vorbereitete, liegen heute einige der besten Tauchplätze der Karibik. Wer auf die Isla de la Juventud reist, sollte allerdings kein Anfänger sein – die ortstypische Form des Tauchens ist zwar lustig, aber nichts für schwache Nerven. Gerade dann, wenn man mit Kubas bekanntesten Tauchguide unterwegs ist.

Bericht von Linus Geschke

Larry lacht. Das tut er eigentlich immer. Bei dem Kubaner ist Lachen eine Ganzkörperaktion: Augen, Mund, Bauch, alles ist in Bewegung. Und Larry, der Tauchguide der Colony Divers, findet ständig Gründe, um zu lachen: Mal über Kuba, mal über die Auswüchse des Sozialismus, mal über sich selbst. Wer dann in seiner Nähe steht, verliert häufig die Kontrolle über die eigenen Bauchmuskeln – sein Lachen ist ansteckender als jede Virusinfektion.

Auf der Isla de la Juventud, der "Insel der Jugend", gehört Larry, der mit vollem Namen Jose Ramon Larralde Perez heißt, mit seinen 57 Jahren schon zum alten Eisen. Als er zum ersten Mal vor der Küste abtauchte, da lebte Che Guevara noch, und Kurt Georg Kiesinger war gerade Bundeskanzler geworden. Die Schatzinsel, wie die Isla de la Juventud oft auch genannt wird, ist seine Heimat. Und nur die – nicht Kuba als Ganzes.



"Wer Kuba wirklich kennenlernen will", meint Larry, "der darf nicht nach Varadero. Das ist nur für Touristen. Selbst Havanna ist lediglich in einigen Vierteln richtig kubanisch. Aber hier", er breitet die Arme aus, als wolle er das Eiland in Besitz nehmen, "hier ist das wahre Kuba!". Als Teil des Canarreos-Archipel gut 30 Flugminuten südlich der Hauptinsel gelegen, ist die Isla de la Juventud bislang noch vom Massentourismus verschont geblieben: Viermal so groß wie Ibiza, aber nur eine einzige touristische Ferienanlage – das Hotel Colony, erbaut zu Zeiten, als die Amerikaner auf Kuba noch gern gesehene Besucher waren. Heute spürt man den Mangel: Wer die Augen offen hält, sieht ihn überall.

Heute sind die Gäste des Hotel Colony zum Großteil Taucher. Wie Verena Vogelgsang. Die 29-jährige Münchnerin ist gekommen, weil es vor der Schatzinsel noch gibt, was vielen anderen Tauchgebieten mittlerweile fehlt: große Fischschwärme und völlig intakte Korallenriffe. Wie an dem Spot Blue Cave, der zu Larrys Favoriten gehört und der gleichzeitig ein Abstieg in die Unterwelt ist.

Wächter der Tiefe


Kurz nach dem Sprung ins transparent erscheinende Wasser sieht Vogelgsang in zwölf Metern Tiefe schon eine Gruppe Tarpune: Massige Raubfische von rund zwei Metern Länge, die mit ihren silbernen Schuppen aussehen wie Ritter in einer strahlenden Rüstung. Nur langsam weichen sie vor den Tauchern zur Seite und geben den Blick auf einen trichterförmigen Eingang frei, der wie ein Kamin nach unten führt. Später wird Larry erzählen, dass die Tarpune immer dort sind: Sie sind so etwas wie die Wächter der darunter liegenden Unterwelt.

Anfangs fällt genügend Licht in den Trichter, aber mit jedem Meter, den Verena Vogelgsang tiefer taucht, wird es dunkler. Ihre Lampe streicht über bewachsene Wände, während sie von unzähligen Augen angeblickt wird: Kleine Garnelen, die in den Spalten und Kerben leben. Langsam lässt Larry sich tiefer ins Dunkel sinken; die Münchnerin folgt ihm dichtauf. 30 Meter zeigt der Tauchcomputer an, dann 35, anschließend 40. Das Blue Cave ist geformt wie ein großes L, der Ausgang liegt in über 50 Metern Tiefe – deutlich tiefer also, als Sporttauchverbände empfehlen, die zumeist 40 Meter als maximale Tiefengrenze angeben. Doch das interessiert auf Kuba niemanden, schon gar nicht Larry. "Die Tauchplätze sind halt so, wie die Tauchplätze sind. Die halten sich an keine Empfehlungen. Und das hier, hey, das ist eine freie Insel: Wir lassen uns doch nicht von anderen diktieren, wie tief wir tauchen dürfen." Dann lacht er wieder: "Viva la Revolutión!"

Nach dem Ausstieg aus der Höhle tauchen die Beiden an einer Steilwand auf, vorbei an Schwämmen und Korallen, die in gelb, mint und orange leuchten. Schildkröten ziehen vorbei, Muränen blicken aus ihren Löchern, Porzellanschnecken kleben an der Wand.

Später, auf der Rückfahrt zur Tauchbasis, kommt Larry ins Erzählen. Beispielsweise über das 1928 errichtete Gefängnis "Presidio Modelo", in dem Fidel Castro vor der Revolution zwei Jahre lang einsaß und das heute zu den größten Touristenattraktionen der Insel zählt. "Man kann allerdings nicht sagen, dass es ihm da wirklich schlecht ging – sein Schwager war zu der Zeit unter Batista schon Innenminister und hat dafür gesorgt, dass der große Fidel nicht allzu sehr leiden musste."

Dann wechselt er das Thema: Abends will er Verena Vogelgsang und die anderen Gäste einladen, in eine hölzerne Bar, die im Wesentlichen nur aus einem Dach, einer Theke und einer Tanzfläche besteht. Nach Nueva Gerona, in die Inselhauptstadt, in die sich ansonsten fast nie ein Tourist verirrt – und dort will er tanzen, tanzen, tanzen.

Alles nur mit Corazon


In vielen Reiseführern steht, Kubaner seien begnadete Tänzer. Das stimmt nur zum Teil. Wenn sie gewöhnliche Popmusik oder Techno hören, dann sind sie nur kreischende Girlies oder schmächtige Jungs, die sich hektisch bewegen und die Arme nach oben strecken. Kein Unterschied zu anderen Ländern. Aber sobald sie sich zu Salsa oder Timba bewegen, verwandeln sie sich. Das steckt ihnen im Blut, dafür muss es ein kubanisches Gen geben, das anderen Nationen fehlt.

Auf manch Außenstehenden mögen ihre Bewegungen dabei fast schon pornografisch wirken; dennoch sieht es nie billig oder obszön aus. Wenn sie zu Liedern tanzen, die irgendwie alle von "Corazon" erzählen, dem Herzen also, dann vergessen sie die Umwelt, dann kommen ihre Hüftschwünge wie automatisch. Auch Larry macht da keine Ausnahme: Selten hat man gesehen, wie sich 200 Pfund geschmeidiger bewegen können. Er lacht, er deutet auf Verena, jetzt will er mit ihr tanzen. Und sie tanzt mit ihm. Nicht so selbstverständlich, wie dies Kubaner tun, aber auch nicht so tollpatschig, wie man es bei einer Europäerin vermuten könnte: Vielleicht liegt es ja auch in der Luft, das kubanische Tanz-Gen.



Zwölf Stunden später fordert der Salsa noch immer seinen Tribut – der und einige Cuba Libre, die vom Barmann über die Theke zu Verena Vogelgsang gewandert sind. Nur Larry ist schon wieder gut gelaunt. "Ja, Mann, das hält jung", sagt er und lacht. "Tanzen und Tauchen, Tauchen und Tanzen."


Link-Tipps


Tauchreisen zur Isla de la Juventud
Fremdenverkehrsamt Kuba
Kuba-Infos auf Taucher.Net



Video zum Thema:



Das Video zeigt einen Tauchgang an der Cueva Azul.

Weitere Tauchvideos in unserer Videothek (Kuba).