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Millionen Tonnen Kriegsmaterial bedrohen Umwelt und Infrastruktur
Internationale Initiativen zur Entschärfung der Jahrzehnte alten Meeresmunition nehmen Fahrt auf: Seit Jahrzehnten lagert weltweit eine Vielzahl verrosteter Kampfmittel auf dem Meeresgrund – Bomben, Granaten, chemische und konventionelle Kampfstoffe, die vor allem im Zuge des Zweiten Weltkriegs in die Ozeane versenkt wurden.
Viele dieser Hinterlassenschaften stellen inzwischen eine ernsthafte Gefahr für Mensch und Umwelt dar, denn ihre Zerstörung schreitet unaufhaltsam voran. Ab Mittwoch versammeln sich in Kiel Experten und Vertreter aus verschiedenen Ländern, um die alarmierende Lage zu bewerten, Strategien zur Bergung zu diskutieren und zukunftsweisende Maßnahmen zu entwickeln.
Zahlen, die die Dimensionen dieser Altlasten illustrieren, sind schwer exakt zu bestimmen. Das deutsche Umweltministerium schätzt allein in den deutschen Hoheitsgebieten der Nord- und Ostsee rund 1,6 Millionen Tonnen Munition, wobei der Großteil in tiefen, schwer zugänglichen Bereichen der Nordsee lagert. Dabei handelt es sich nicht nur um simple Kriegsrelikte, sondern auch um eine Vielzahl chemischer Kampfstoffe, von denen bisher nur ein Bruchteil geborgen werden konnte.
Wachsende Gefahr durch Verrottung und zunehmende Nutzung der Meere
Nach Angaben des deutschen Science Media Centers erhöht sich das Risiko im Laufe der Jahre kontinuierlich. Die Verrottung der Kampfmittelhüllen führt zur Freisetzung toxischer Substanzen, die in das maritime Ökosystem eindringen. Gleichzeitig steigt die menschliche Nutzung der Meere – Frachtverkehr, Offshore-Windparks, Pipelines und touristische Aktivitäten – verwandeln sensible Ökosysteme in potenzielle Gefahrenquellen. Die Gefahr, dass angespülte Granaten oder verrottende Bomben Unfälle verursachen und Umwelt sowie menschliche Gesundheit beeinträchtigen, wächst somit exponentiell.
Bergungsmaßnahmen – von der Notlösung zur systematischen Strategie
Bereits in den Nachkriegsjahren begannen internationale Organisationen mit der Bergung und Entschärfung von Munition im Meer. Jüngst einigten sich Deutschland und Frankreich auf eine engere Zusammenarbeit, um die Altlasten zu identifizieren und zu sichern. Während der aktuellen Konferenzreihe, der zweiten Munition Clearance Week in Kiel, steht die Entwicklung neuer Technologien und Methoden im Vordergrund. Eine geplante schwimmende Plattform soll künftig das Auffinden und die umweltschonende Zerstörung der Kampfmittel erleichtern.
In der Lübecker Bucht läuft zudem ein groß angelegtes Forschungsprojekt, das auf die effiziente Bergung tief liegender Munition spezialisiert ist. Für die systematische Beseitigung der gigantischen Mengen an Altmunition wurde ein milliardenschweres Programm aufgelegt – die insgesamt im Meer verteilte Ladung entspricht einer Güterzuglänge von Berlin bis Paris.
Ökologische Risiken und menschliche Gesundheit
Das deutsche Umweltministerium warnt, dass die Zersetzung des Kriegsmaterials im Meer zunehmend problematisch wird. Schadstoffe, darunter krebserregende und erbgutschädigende Substanzen, reichern sich in Muscheln und Fisch an, was zu erheblichen Belastungen der marinen Nahrungskette führt. Die Analysen des Umweltbundesamtes beweisen eine steigende Kontamination mit Schadstoffen in Meerestieren, was letztlich auch die Gesundheit der Menschen gefährden kann, die Meeresfrüchte konsumieren.
Die Kieler Konferenz macht deutlich: Die Gefahr durch auf dem Meeresboden lebende Altmunition ist eine tickende Bombe, die nur durch internationale Zusammenarbeit, innovative Technologien und strenge Umweltvorschriften entschärft werden kann. Noch besteht die Chance, die Umwelt nachhaltig zu schützen und die Risiken für Menschen zu minimieren – doch die Zeit drängt. Nur eine entschlossene, gemeinsame Anstrengung kann verhindern, dass diese jahrzehntelangen Hinterlassenschaften zu einer unkontrollierbaren Katastrophe werden.
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