Hydra - Der Süßwasserpolyp. Der Traum vom ewigen Leben

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28.07.2013 18:20
Kategorie: Biologie

Im Haustümpel und im Vereinsteich leben Tierchen, die seit Generationen von Biologiestudenten grausam gequält und von Aquarienbesitzern gehasst werden. Aber erst unlängst haben Wissenschaftler herausgefunden, dass Hydra ein Gen besitzen, welches sie unsterblich machen könnte.

Bericht von Harald Mathä

Auszug aus dem Koch&Lehrbuch für Sadisten und Biologiestudenten: "Man nehme einen Süßwasserpolypen und schneide ihn unter dem Mikroskop in mindestens 30 kleine Stückchen (es funktioniert noch mit bis zu 200 Stückchen!). Dann warte man was passiert." Und was wird geschehen? Aus den meisten Stückchen wird sich ein neuer, oft etwas zerknatscht dreinschauender, Polyp bilden. Diese unglaubliche Regenerationsfähigkeit ist es, warum seit über 300 Jahren an der Hydra herumgeschnipselt und geforscht wird. Und seit dieser Zeit überrascht das Tier mit immer neuen Erkenntnissen.

Herkules und Hydra


Etwa 3.000 Jahre zuvor beschäftigte schon eine ganz andere Hydra den antiken griechischen Helden Herkules. Die lernäische Hydra zur Strecke zu bringen war eine der zwölf scheinbar unlösbaren Aufgaben, die ihm aufgebürdet wurden. Also machte er sich auf den Weg in die Sümpfe von Lerna in Südgriechenland. Er fand die Hydra auch und Herkules zerschlug im Kampf einen nach dem anderen Kopf des Monsters. Doch für jeden zerstörten Kopf wuchsen zwei neue Köpfe nach. Zudem attackierte ein Riesenkrebs den Helden. Nicht unbedingt eine Patt-Situation also! Doch Iaolos, sein Neffe und Begleiter, kam auf die Idee die zerschmetterten Hälse auszubrennen, sodass sie nicht mehr nachwachsen konnten. Als Herkules dann schließlich den letzten, unsterblichen Kopf zu Mus zerkloppte, war der Sieg errungen.

Der geneigte Leser, dem das alles irgendwie bekannt vorkommt, hat recht: Eine verdächtig ähnliche Geschichte erlebte auch Bellerophon bei seinem Kampf gegen die Chimäre Griechenland muss damals ein ziemlich gefährliches Pflaster gewesen sein, mit Ungeheuern hinter jeder Ecke. Heute ist das natürlich ganz anders und man sollte sich nur mehr vor Taxifahrern, Folkloreabenden und Ouzo in Acht nehmen.

Unsere Hydra...


...ist zwar kleiner, ihrer Beute muss sie aber ebenso unbezwingbar vorkommen, wie die Lernäische. Denn sie gehört zum Stamm der Nesseltiere (Cnidarien), was bedeutet dass sie Nesselkapseln (Cniden) besitzt um ihre Beute zu fangen. Diese Nesselkapseln kennen wir von den Quallen im Meer:

Vereinfacht gesagt ist eine Nesselkapsel so etwas ähnliches, wie eine Harpune mit Giftspritze, die ausgelöst wird, wenn jemand sie berührt. Die Cniden sind Wunderwerke der Natur. Werden sie abgefeuert, dann schießt die Harpune durch 150 bar beschleunigt und mit bis zu unvorstellbaren 50.000 g Beschleunigung in das Opfer und spritzt den Giftcocktail in seinen Körper. Das Ganze dauert gerade mal 700 Millisekunden. Das gelähmte oder tote Tier wird dann zur Mundöffnung befördert und im Magensack verdaut. Hydra besitzen keinen Darm oder After, das verdaute Zeug wird also wieder ausgespuckt.

Unsere Hydra ist also mit den Quallen verwandt und ein Nesseltier wie wir jetzt wissen. Und tatsächlich sieht sie mit etwas Phantasie so aus wie eine Meduse (Qualle) die man etwas in die Länge gezogen und dann mit dem Schirm auf den Boden geklebt hat. Oder wie eine Blumenvase mit Tentakeln. Umgekehrt ist eine Meduse auch nichts anderes als ein umgedrehter Polyp, dessen Rumpf zum Schirm gestaucht wurde und der jetzt seine Tentakel pulsierend hinter sich nachzieht.


Informationen: Süßwasserpolyp


Englisch: Hydra
Klasse: Hydrozoen
Arten: in Europa etwa 5
Größe: max. 3 cm Körperlänge
Aussehen: unscheinbar, von farblos über grün bis schwarz gefärbt
Lebensraum: egal ob warm, kalt, stehend, fließend, seicht oder tief
Substrat: Wasserpflanzen, Äste, etc.
Verwechslungsmöglichkeit: Erst mal finden! :-)
Linktipp: Hydraweb



Stammzellen und ewiges Leben?


Neben der ungeheuren Regenerationsfähigkeit stehen Hydra nach neuesten Forschungen im Ruf theoretisch unsterblich zu sein. Biologen der Uni Kiel beobachteten über längere Zeiträume Populationen und konnten keinerlei Alterung oder Vergreisung feststellen. Unter Laborbedingungen und asexueller Fortpflanzung schienen die Hydra ewig zu leben.



Bei ihren Forschungen entdeckten sie auch das Gen FoxO, das ein Marker für besonders langlebige Organismen zu sein scheint. Es steuert die Bildung von Stammzellen. Stammzellen können sich in andere Zellen differenzieren und so Reparaturen überall im Körper ausführen. Mit zunehmendem Alter bildet ein Organismus immer weniger Stammzellen, immer mehr notwendige Reparaturen können so nicht mehr durchgeführt werden. Das nennt man Alterung und Vergreisung und schlussendlich stirbt deswegen der Organismus. Das ist auch beim Menschen so und man ahnt schon, welch große Hoffnungen in die Stammzellenforschung gesetzt wird und - wieviel Geld darin steckt.


 

Sex!


Da oben stand doch was von asexueller Fortpflanzung!? Ja, unter guten Umweltbedingungen pflanzen sich Hydra asexuell fort. Asexuell= kein Sex! Dabei bilden sie eine Knospe, die sich zu einem vollständigen Polypen entwickelt und dann vom Mamapolypen abgeschnürt wird. Nur unter ungünstigen Umweltbedingungen haben sie Sex und es gehört nicht viel Phantasie dazu, sich die mit ihren Armen sanft umherschwingenden Hydra dabei vorzustellen. Ist wohl der Traum jedes Choreographen!

Was das auf unsere sexuelle Fortpflanzung umgelegt bedeuten könnte, was man da reininterpretieren könnte und was Adam & Eva sowie der Garten Eden damit zu tun haben könnten, darüber streiten geistliche und weltliche Gelehrte mit Limnotheologen.


 

Hydra entdecken!


Süßwasserpolypen gibt es in eigentlich jedem Gewässer zwischen 0 und 40 Metern bei uns zu entdecken. Nur finden muss man sie erst mal! Dazu die Maske nahe an das Substrat bringen und schauen. An den Stängeln von Laichkraut und Tausendblatt hängen die filigranen Hydra ebenso wie an versunkenen Bäumen oder an Steinen. Und ihr Tentakel schwingen in der Strömung hin und her wie einst die Köpfe der wütenden lernäischen Hydra.


Video zum Thema:

 


Aufnahmen einer Hydra Vulgaris.