Geisterpfeifenfische. Noch bizarrer geht’s kaum noch

Teile:
03.08.2015 15:55
Kategorie: Biologie



Unbekannte Meeresbewohner werden bis heute regelmäßig entdeckt. Meist in der Tiefsee. Aber erst 2002 wurde eine neue Art erstmals wissenschaftlich beschrieben. Der Halimeda-Geisterpfeifenfisch, der auch an beliebten Tauchplätzen im Indopazifik anzutreffen ist. Perfekte Tarnung macht´s möglich!

Bericht von Harald Mathä für Anja

Das Kreuz mit den Namen


Seenadeln gibt es nur auf Deutsch. Im Englischen heißen sie pipefishes, im Deutschen jedoch nicht Pfeifenfische. Dennoch werden die ghostpipefishes mit Geisterpfeifenfische und nicht mit Geisterseenadeln übersetzt. Da kenn sich noch einer aus! Aber man kann erahnen, dass Geisterpfeifenfische und Seenadeln miteinander verwandt sein könnten. Richtig, sie gehören zur Ordnung der Syngnathiformes, den Seenadelartigen (hä?!!), zu der auch die Seepferdchen gehören. Wie man sieht, ist Deutsch eine nicht ganz durchgängige Sprache und in der biologischen Taxonomie hält man sich besser an die englische, oder idealerweise an die eindeutige lateinische Bezeichnung.

Röhrenmäuler?


Der Familienname Solenostomidae leitet sich ab vom lateinischen solen = Röhre und stoma = Maul ab. Und diese Röhrenmäuler ernähren sich von kleinsten Krebstierchen und Garnelen, die sie durch ihre röhrenförmige Schnauze wie mit einer Pipette blitzschnell einsaugen. Daher schweben sie meist mit dem Kopf nach unten. Dabei zeigen sie kaum auffällige Eigenbewegung, welche sie verraten würde.

Durch ihre Färbung und die bizarren Formen sind sie perfekt getarnt. Erst im künstlichen Licht der Tauchlampe sieht man bunte Farben und den Geisterpfeifenfisch, wo vorher nur etwas in der Dünung herumtrieb. Diese perfekte Tarnung brauchen sie, wenn sie die Gejagten sind, denn Geschwindigkeit ist nicht ihre Stärke. Mit ein paar kräftigen Schlägen der Schwanzflosse beschleunigen und so vor einem Angreifer flüchten, das können diese grazilen Wesen nicht.


Geisterpfeifenfische


Arten: Sechs
Englisch: ghostpipefish
Lateinisch: Solenostomus

Größe: bis etwa 15 cm
Aussehen: Bizarr, mit Hautanhängseln an den Flossenstrahlen, kaum als Fisch zu erkennen und bestens an die Umgebung angepasst.
Lebensraum: Flachwasser bis mittlere Tiefen
Nahrung: winzige Krebstierchen und Garnelen
Verbreitung: Indopazifik einschließlich Rotes Meer
Verwechslungsmöglichkeit: Nein! Wer sie mit Seenadeln oder Seepferdchen verwechselt, sollte einen Termin beim Augenarzt ausmachen!

Buchtipp: Seahorses and their relatives von Rudie H. Kuiter



Nur sechs bekannte Arten


Der kleine Halimeda-Geisterpfeifenfisch wurde 2002 erstmals wissenschaftlich beschrieben*. Es bleibt also abzuwarten, ob es bei den in der Tabelle aufgelisteten sechs bisher bekannten Arten bleibt!
* Orr, J.W., R.A. Fritzsche and J.E. Randall, 2002. Solenostomus halimeda, a new species of ghost pipefish (Teleostei: Gasterosteiformes) from the Indo-Pacific, with a revised key to the known species of the family Solenostomidae. Aqua, J. Ichthyol. Aquat. Biol. 5(3):99-108




Deutscher Name und Wissenschaftlicher Name
Langschwanz-Geisterpfeifenfisch - Solenostomus armatus
Robuster Geisterpfeifenfisch - Solenostomus cyanopterus
Halimeda-Geisterpfeifenfisch - Solenostomus halimeda
Zarter Geisterpfeifenfisch - Solenostomus leptosoma
Rauschnauzen-Geisterpfeifenfisch - Solenostomus paegnius
Schmuck-Geisterpfeifenfisch - Solenostomus paradoxus


Verwirrspiel!


Die Jungtiere können anders aussehen und gefärbt sein als die adulten Tiere. Männchen wiederrum anders als die Weibchen. Und um es noch weiter zu verkomplizieren, können sich die Fische durch die Färbung an den Lebensraum anpassen.

Sie färben sich übrigens durch symbiotische Algen: Wie dies genau geschieht ist noch nicht erforscht, da die Fische ja eigentlich auf leckere Krebse und Garnelchen stehen und keine Vegetarier sind! Mümmeln sie zwischendurch auch Gemüse?

Zudem können die Tiere auch noch das Geschlecht wechseln, was es dann wirklich nicht einfacher macht.

Sie zu finden ist der schwierigste Teil der Aufgabe. Hat man einen Geisterpfeifenfisch erst einmal entdeckt, dann wird man diesen immer wieder am selben Platz finden, denn sie sind sehr standorttreu. So wie Seepferdchen.

Anders als bei den verwandten Seepferdchen tragen bei den Geisterpfeifenfischen die Weibchen die befruchteten Eier aus. Bis zum Schlüpfen tragen sie diese in einer Art Tasche, die aus zwei gefalteten Brustflossen gebildet wird.

Zusammenfassung


Geisterpfeifenfische gehören zu den wunderlichsten und faszinierensten Fischen überhaupt. Übertroffen werden sie vielleicht nur noch von den verwandten Fetzenfischen, die sich in Südaustralien besonders wohl zu fühlen scheinen. Auch diese sind Meister der Tarnung. Da wundert es nicht, dass erst 2002 eine neue Art, der Halimeda-Geisterpfeifenfisch beschrieben wurde. Wer weiß schon, wann die nächste Neuentdeckung einem ambitionierten Taucher vor die Brille oder die Linse schwimmt?



Video zum Thema:

 


Danke an Jürgen Thomas für die wunderbare Darstellung der Geisterpfeifenfische; aufgenommen in der Lembeh Strait, Nord Sulawesi.