Kategorie: Diverses
DiveInside-Redakteure kommen `rum in der Taucherszene. Und das ist auch gut so, denn nur so knüpft man Kontakte, kommt an so manchen Tipp, erfährt früh von diesem oder jenem Gerücht ... Und wenn einmal ein Gesprächspartner eine wirklich besondere "Story" zu bieten hat, dann erwacht der Reporter-Instinkt und wir haken nach und recherchieren weiter, bis wir unsere Geschichte im Kasten haben.
Meistens. Manchmal "verhaften" wir auch den Informanten selbst, seine Geschichte für uns aufzuschreiben. Und zwar zum Beispiel dann, wenn es darum geht, extreme Erlebnisse und Erfahrungen möglichst authentisch zu schildern. Und genau so war es auch, als wir Achim Schlöffel baten, für DiveInside von seinem Rekordversuch zu berichten, einer Ärmelkanal-Durchquerung unter Wasser.
Bericht von Achim Schlöffel
Ein sonniger Tag in München, eine Woche nach dem Tauchgang. Ich stehe, nichts Böses ahnend, auf meinem Stand auf den "Munich Sportsdays" und plaudere mit Herbert Gfrörer vom Taucher.Net. Herbert: "Wollen wir nicht was über deinen Tauchgang in der DiveInside machen?". Ich: "Ich selber über mich? Ungern". Herbert zu meiner Frau Mandy: "... also dann, Themen: Rebreather, Scooter, Navigation und wie er sich gefühlt hat. So 1.500 Wörter und wenn geht bis nächstes Wochenende. Mandy: "Ok – macht er..." So, nachdem ich jetzt hoffentlich das Mitleid aller Leser habe, legen wir los:
Der "Kanal" - ein strömungsreiches Gewässer
Es ist halb sechs, wir sitzen im Auto, Mandy fährt und ich tippe, und die unchristliche Uhrzeit versetzt mich gleich wieder an den Strand von Dymchurch, wo ich am 29. Juni morgens um drei Uhr Ortszeit anfing, meine Ausrüstung zusammenzubauen. Warum um drei Uhr morgens, werde ich oft gefragt. Eine gute Frage, vor allem wenn man mich kennt und weiß, dass ich vor zehn eigentlich nicht einmal in der Lage bin, einen ganzen Satz zu sprechen.
Der Ärmelkanal ist ein extrem strömungsreiches Gewässer und wird stark von den Gezeiten beeinflusst, die Strömungen von bis zu sechs Knoten (ca. 11 km/h) hervorrufen können. Ich wollte mir diese Strömungen zunutze machen und habe sie in meine Tauchgangsplanung mit einbezogen. An diesem Freitag lief die Strömung ab 4:30 Uhr mit einlaufender Flut in England für sechs Stunden nach Nordost und dann für weitere sechs Stunden nach Südwest. Ich hatte also vor, eine langgezogene Schleife nach Nordost zu tauchen und mich von der Strömung tragen zu lassen.
Der Strand von Dymchurch bot sich außerdem an, da schlicht gute Parkmöglichkeiten vorhanden waren und der Zugang zum Strand problemlos möglich war. Wir hatten die letzten beiden Tage vor dem Tauchgang damit verbracht, die Gegend zu erkunden und einen passenden Einstieg zu suchen. Am Vorabend hatte ich meine beiden Rebreather-Systeme fertiggemacht und überprüft und somit am Morgen ein fertiges System im Auto.
Letzte Vorbereitungen am Strand vom Dymchurch
Das Rebreather-System besteht aus zwei völlig autarken manuellen CCRs, was mir komplette Redundanz und Gas bzw. Kalkstandzeiten von mindestens 16 Stunden zur Verfügung stellt. Im Notfall wären aber auch 20 Stunden kein Problem gewesen. Sollte eines der Systeme komplett versagen, hätte ich immer noch 8 bis 10 Stunden aus dem verbleibenden System atmen können. Meine Gaslogistik war also gesichert. Jeder Rebreather war nochmals mit jeweils zwei komplett voneinander getrennten Sauerstoffüberwachungen ausgestattet, sodass ich das System auch bei einem Problem mit den Sensoren oder der Überwachungseinheit ohne Probleme hätte weiter tauchen können.
Solotauchen
Dies ist vielleicht ein guter Zeitpunkt kurz über das Thema Solotauchen zu sprechen, auf das ich immer wieder angesprochen werde. Ich hatte im Vorfeld lange überlegt was sicherer ist und mich letztlich dazu entschlossen, den Tauchgang allein durchzuführen, weil ich den Vorteil einer Begleitung nicht wirklich erkennen konnte. Über die lange Zeit bei den gegebenen Bedingungen aus Sicht, Strömung und Geschwindigkeit wäre es eine immense zusätzliche Belastung gewesen, ein Partnersystem aufrechtzuerhalten. Dann stellt sich die Frage: Was hätte ein Partner mitten im Kanal bei einem Notfall machen können?
Letztlich ging es darum, die Komponenten, die normalerweise über den Tauchpartner abgesichert werden, redundant abzubilden und die Risiken soweit es geht zu minimieren. Das haben wir geschafft. Die menschliche Komponente kann man nicht absichern. Wenn auf einem derartigen Tauchgang ein medizinisches Problem auftaucht, ist der Partner keine Sicherheit. Das trifft aber auch auf lange Höhlentauchgänge zu. Was hilft mir ein Partner, wenn ich ein paar Kilometer tief in einer Höhle zum Beispiel einen Herzinfarkt bekomme? Gar nichts. Da ich den Tauchgang wie einen Höhlentauchgang angelegt hatte mit dem Schiffsverkehr als imaginäre Höhlendecke, plante ich auch entsprechend.
Rebreather & Scooter
Zurück zum Rebreather. Das Gerät wurde über etwa zwei Jahre entwickelt und wird demnächst durch InnerSpace Explorers am Markt vorgestellt werden. Wer ISE beobachtet, weiß, dass wir seit geraumer Zeit am Thema CCR dran sind. Das zweite System, das den Tauchgang erst ermöglicht hat, war eine Scooter- Konstruktion der bayerischen Firma Bonex. Das Shuttle, bestehend aus zwei der größten Modelle aus dem Sortiment, war noch zusätzlich mit besonderen Akkus bestückt und mit einer auch unter Wasser montier-, bzw. lösbaren Brücke verbunden. Durch ein spezielles Auftriebspad konnte der Scooter perfekt ausbalanciert werden. Ein großer, hinter eine Windschutzscheibe montierter Kompass sorgte für eine genaue Navigation. Die Windschutzscheibe war übrigens dringend nötig. Im Test brachte es das Shuttle auf die unglaubliche Geschwindigkeit von 150 Meter pro Minute und auch wenn ich nur mit etwa 60% Leistung unterwegs war, reicht die Geschwindigkeit doch, um einem die Maske vom Gesicht zu schieben.
Das Rebreather-System
Rebreather: 2 x CCR (Autarke Systeme)
Fabrikat: Eigenentwicklung ISE
Diluent Gas: TMX 21/35
Setpoint TG: 0.8
Setpoint Deko: 1.1 – 1.4 ansteigend
Das Shuttle diente auch als Befestigungsbasis für diverse Zusatzausrüstung wie meine beiden je zwei Liter fassenden Trinkbeutel und ein sogenanntes "Life-Raft", eine Art aufblasbares Schlauchboot, das es mir im Zweifel an der Oberfläche erlaubt hätte, meine Ausrüstung abzuwerfen und aus dem Wasser zu kommen, von der guten Sichtbarkeit ganz abgesehen. Die Scooterlaufzeit war bei einer mittleren Geschwindigkeit mit bis zu 11 Stunden angegeben und bei einem Testlauf von ca. 21 Kilometern längs durch den Starnberger See hatte es gehalten, was Bonex versprochen hatte. Für den Fall, dass einer der beiden Scooter ausfallen sollte, hätte ich das System trennen können und mit dem verbleibenden Scooter klassisch weiterfahren können, wobei ich den Rest entweder hätte schleppen oder zurücklassen können.
Das Tauchprofil von Achim
Navigation
Jetzt zur Navigation: Wie erwähnt war der Plan, die Strömungen zu nutzen und in einem großen Nordost-Bogen nach Frankreich zu tauchen. Mein Zielpunkt, Cap Griz Nez, den ich letztlich erstaunlich genau getroffen habe, liegt von meinem Einstiegspunkt in Dymchurch genau auf 120°. Nachdem ich beim Einstieg gute 40 Minuten im Flachwasser gegen die einlaufende Flut mit Wellen und fast null Sicht gekämpft hatte, erreichte ich schließlich tiefes Wasser und schwenkte auf einen Kurs von 100°. Diesem folgte ich dann für rund fünfeinhalb Stunden. Wobei ich "The Varne", eine Sandbank, traf und überquerte. Der Punkt ist im Tauchverlauf deutlich zu sehen und half uns später, meinen Kurs zu rekonstruieren.
Wie ein Erdbeben...
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Rund eineinhalb Stunden nach dem Start machten sich die Schiffe bemerkbar – schließlich ist der Kanal eine der meistbefahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt und es geht zu wie auf der Autobahn. "On top" kreuzte ich auf meinem Weg die Fährverbindungen zwischen Dover und Calais zweimal. Wenngleich der Lärm omnipräsent ist und sich ein bisschen so anfühlt, wie wenn man ohne Gehörschutz neben einem Presslufthammer steht, so ist man auf 35 Meter Tiefe doch in relativ sicherem Abstand zum Verkehr über einem. Dachte ich. Ich wurde eines Besseren belehrt. Bei zwei Gelegenheiten wurde ich zusätzlich zum Lärm von Vibrationen erfasst, die so heftig waren, dass es mich in meinem Gerät buchstäblich geschüttelt hat. Man muss sich den ständigen Lärm so vorstellen, dass man ihn auch spürt – ähnlich wie wenn man vor einer großen Bass-Box steht.
Das was mich aber nach etwa 5 Stunden traf war mehr wie ein Erdbeben. Da ich aufgrund der schlechten Sicht und der Dunkelheit nicht sagen konnte ob ich in Gefahr war oder nicht wich ich nach unten aus und erreichte in 54 Meter Tiefe den Grund, der hier aus schwarzem Schlick besteht. Selbst hier waren die Vibrationen noch deutlich zu spüren und der Schlamm sah aus wie ein Wackelpudding, der auf der Waschmaschine steht.
Ich bekam eine deutliche Vorstellung davon wie sich ein Meeressäuger fühlen muss der in solchen Gewässern unterwegs ist und versucht, mit seinen sensiblen Sinnen zu navigieren. Das Spiel wiederholte sich kurze Zeit später nochmal und ich war gezwungen, ein weiteres Mal nach unten zu flüchten. Nachdem ich den Kurs nach sechs Stunden Tauchzeit auf 140° angepasst hatte, erreichte ich nach ca. siebeneinhalb Stunden wieder den Boden in rund 25 Meter Tiefe und das ansteigende Bodenprofil zeigte mir, dass ich wohl die französische Küste erreicht haben musste.
Einsame Ankunft in Calais
Da ich auf Grund meiner "Höhlentauchgangsplanung" kein Begleitboot hatte oder sonstige Verbindungen zur Oberfläche, schoss ich bei 15 Meter eine Boje mit einer druckfesten Dose, in der sich ein GPSTracker befand. Das Signal sollte von meinem in Calais wartenden Team aufgefangen werden, das mich dann orten und zu mir kommen sollte.
Im Nachhinein stellte sich heraus, dass wohl aufgrund des starken Wellengangs der Tracker gegen das Gehäuse schlug und sich ausschaltete, sodass kein Signal gesendet wurde. Ich dekomprimierte 160 Minuten und stieg nach 604 Minuten Gesamttauchzeit bei Audisselle aus dem Wasser.
Erst rund zehn Minuten bevor ich das Wasser verließ, schaltete sich der Tracker wohl wieder ein und mein Team setzte sich in Bewegung. Ich verbrachte noch 40 Minuten am Strand, in denen ich die vergangen zehn Stunden Revue passieren lassen konnte, bevor ich meine Freunde und meine Frau wieder in die Arme schließen konnte.