El Quadim Bay: Schiffshavarie der VSG Glory

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29.11.2024 07:34
Kategorie: News

Hoffnung für das Ökosystem

Ralph Schill ist Professor für Zoologie an der Universität Stuttgart und Mitbegründer der gemeinnützigen Organisation aquatil, die sich der Förderung von Forschung und Bildung im Bereich der Unterwasserwelt widmet. Seit über 20 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit der biologischen Vielfalt des Roten Meeres, insbesondere in der El Quadim Bay, die er aus zahlreichen Forschungs- und Bildungsprojekten bestens kennt. Über die Situation vor Ort hat er mit uns gesprochen.

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Wer Ralph Schill persönlich kennenlernen möchte, kann dies auf der boot Düsseldorf am aquatil-Stand I17 in Halle 11, tun. Ralph freut sich über euren Besuch und gute Gespräche.

Lebensraum Korallenriff

Korallenriffe erbringen eine Vielzahl sogenannter Ökosystemleistungen – das sind Dienstleistungen der Natur für den Menschen, die durch Lebensräume sowie Tiere und Pflanzen bereitgestellt werden. Diese Leistungen lassen sich in direkte Leistungen, wie beispielweise Tourismus und Fischerei, sowie indirekte Leistungen, etwa den Küstenschutz durch natürliche Wellenbrecher, unterteilen.

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Darüber hinaus tragen Korallenriffe zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei und besitzen ideelle Werte wie kulturelles Erbe und die bloße Existenz. Um den wirtschaftlichen Gesamtwert eines Riffs zu bestimmen, müssen all diese Leistungen individuell bewertet werden. Schätzungen zufolge erbringen Korallenriffe im Durchschnitt Ökosystemleistungen im Wert von etwa 350.000 US-Dollar pro Hektar und Jahr. Allerdings handelt es sich hierbei um Durchschnittswerte, die in jedem Einzelfall vor Ort individuell bewertet werden müssen. So kann dann aber beispielweise ein Korallenriffschaden, wie er von der „VSG Glory“ verursacht wurde, berechnet werden.

Bei Schiffsunfällen, wie dem der „VSG Glory“, die durch Wind und Wellen auf das Riff gedrückt wurde, entstehen erhebliche mechanische Schäden an den über lange Zeiträume gewachsenen Riffstrukturen. Kommt es zusätzlich zum Austritt von Öl, sterben viele Tiere und Pflanzen, die nicht in der Lage sind, dem ausgelaufenen Öl zu entkommen.

Die Schiffshavarie - Rückblick 22. November 2024

Zitate von WK Webster
* Uns liegen Berichte vor, dass das Stückgutfrachtschiff VSG GLORY (IMO: 9103025) aufgrund starker Winde und hoher Wellen, die durch eine technische Störung verursacht wurden, die Kontrolle verlor. Infolgedessen lief das Schiff am 22. November 2024 vor Quseir, Ägypten, auf Korallenriffe auf.

* Das Schiff soll einen 60 Zentimeter langen Riss im Rumpf erlitten haben, durch den Meerwasser in den Maschinenraum eindrang, wodurch das Schiff kippte und Kraftstoff ins Meer auslief.

Es dauerte knapp zwei Tage bis Ölsperren ausgebracht wurden und diese Wirkung zeigten. Mit den Sperren wurde glücklicherweise genügend Zeit erkauft bis entsprechende Infrastruktur zum Abpumpen des Öls und weiterer Maßnahmen vor Ort eingetroffen sind.

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Hoffnung für die El Quadim Bay

Es besteht mittlerweile Hoffnung für das Ökosystem der El Quadim Bay. Im aktuellen Fall scheint eine größere Katastrophe durch das Stoppen des Ölaustritts und die laufende Absaugung abgewendet worden zu sein. Das bereits ausgetretene Öl wird dann nach und nach auf natürliche Weise von im Meer lebenden Mikroorganismen abgebaut. Der innere Bereich der El Quadim Bay scheint glücklicherweise weitgehend unversehrt geblieben zu sein.

Die mechanisch zerstörte Riffstruktur mag auf den ersten Blick wenig ansprechend wirken, bietet jedoch Korallen, Moostierchen, Schwämmen und anderen Rifforganismen eine ideale Grundlage, um sich erneut anzusiedeln und zu wachsen. Es ist ein wenig wie in einem Restaurant ohne Reservierungen: Sobald die Türen sich öffnen, stürzen sich alle auf die freien Plätze, und wer zuerst kommt, sichert sich den für ihn besten Platz. Diese Plätze im Korallenriff sind heiß begehrt und werden mit allen verfügbaren Mitteln gegen Konkurrenten verteidigt.

Eine Wiederansiedlung gestaltet sich natürlich schwieriger, wenn die Umgebungsbedingungen grundlegend herausfordernd sind, wie etwa die in den letzten Jahren gestiegenen Wassertemperaturen.

Ein einzigartiger Lebensraum

Im gesamten Roten Meer gibt es rund 300 Steinkorallenarten, von denen – je nach wissenschaftlicher Quelle – zwischen 128 und 158 im nördlichen Roten Meer vorkommen. In der El Quadim Bay wurden bisher 144 Steinkorallenarten dokumentiert, was über 90 % der im nördlichen Roten Meer vorkommenden Arten entspricht. Darüber hinaus beherbergt die Bucht zahlreiche Feuer- und Weichkorallenarten. Diese beeindruckend hohe biologische Vielfalt macht die El Quadim Bay zu einem einzigartigen Lebensraum. Der intakte Bereich der Bucht kann daher als wertvoller Ausgangspunkt für die natürliche Wiederbesiedlung der beschädigten Riffabschnitte dienen.

Noch ist nicht vollständig abzusehen, was in den kommenden Tagen vor Ort geschehen wird. Dennoch sollten wir bereits jetzt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Hotels, der Tauchbasis sowie den vielen anderen engagierten Personen danken, die bislang alles in ihrer Macht Stehende unternommen haben.

Zu einem späteren Zeitpunkt wird es sicherlich notwendig sein, detailliert zu überlegen, welche Maßnahmen und Vorschriften entwickelt werden müssen, um manövrierunfähige Schiffe rechtzeitig zu erreichen, bevor sie auf ein Riff treiben. Schließlich verläuft durch das Rote Meer und den Suezkanal ein bedeutender Teil des globalen Schiffsverkehrs: Etwa 15% des weltweiten Containerverkehrs und 10% des globalen Seetransports von Öl.

Weitere Infos:
El Quadim Bay auf Taucher.Net
aquatil  (non-profit Organisation)