Kategorie: Reise
Der wilde Osten Grönlands.
Der Wind treibt Schlieren von pulverigen Schnee über das Eis, formt Wellenmuster, Erhebungen und Täler wie man sie in der Sahara und bei Ebbe an den Stränden der Nordsee finden würde.
Der wilde Osten Grönlands. Der älteste Ort hier feierte gerade sein 125jähriges Bestehen. Praktisch jeder der etwa 4.000 Einwohner an der tausende Kilometer langen Küste ist Jäger und Fischer. Wie die Inuit hier ohne Snowscooter, Schusswaffen, feste und beheizte Häuser und importierte Lebensmittel überleben konnten erschließt sich wohl keinem Besucher auf Anhieb.
Wir sind dabei im Windschatten eines Eisberges, der hier zu Beginn des Winters vor fast einem halben Jahr im Packeis gestrandet ist, einen Tauchplatz anzulegen. Nachdem wir den Schnee weggeräumt haben sägen wir ein dreieckiges Loch mit einer Kantenlänge von etwa zwei Metern und legen anschließend noch drei Sicherheitsausstiege an.
Das Wasser ist kristallklar und eisig. Die ersten Taucher legen die Sicherungsleinen an und gleiten unter die Eisdecke. Nicht lange an der Oberfläche aufhalten um Vereisungen zu vermeiden. Der erste Meter ist eine Mischung aus Eissplittern, Wasser und Halbgefrorenem. Dann ist man plötzlich in der Eiskathedrale, ein winziger Punkt in einem gewaltigen Raum. Die Wand des Eisberges fällt in die Tiefe ab, während das zusammen gefrorene Packeis eine massive Decke bildet. Licht fällt hier und da durch das Eis, teils an den unmöglichsten Stellen.
Es ist einer der extremsten und unvergesslichsten Tauchgänge den man auf unserem Planeten erleben kann. Eistauchen am Ende der Welt.
Etwa 40 Minuten später steigen vermehrt Luftblasen im Einstiegsloch auf. Kurz darauf durchbricht einer der beiden Taucher das dünne Eis im Einstieg, welches gerade dabei war sich auf dem nun offenen Wasser zu bilden. In den spitzen Winkeln des Dreiecks ist es recht einfach den Taucher auf das Eis zu ziehen und beim Ablegen der Ausrüstung zu helfen. Heißer Tee hilft beim ersten Aufwärmen, während sich schon das nächste Team auf den Tauchgang vorbereitet.
Der Eisberg den wir betauchen befindet sich in einer geschützten Bucht, ganz in der Nähe der Ortschaft Tasiilaq. Vom Ort sind es nur einige Minuten mit dem Snowscooter (welcher allerdings auch satte 100 Kmh und mehr auf dem ebenen Eis bringt).
Es ist kein besonders großer Eisberg, vielleicht gerade mal drei bis vier Meter ragt er auf. Allerdings sind es ja auch die 90% der Masse unter Wasser die Wir erkunden wollen. Die Eiswände sind weiß, erinnern an die Oberfläche eines Golfballs – typisch für recht „weiches“ Eis. Ein Eisberg ist ja eigentlich auch gepresster Schnee, über einen Gletscher aus dem Landesinneren zum Fjord geflossen, abgebrochen (gekalbt) und dann von den Gezeiten geformt. Jeder Eisberg wartet nur auf die eigene Zerstörung und ist doch gleichzeitig ein Kunstwerk der Natur in permanentem Wandel.
Auch „unser“ Eisberg wird in den nächsten Wochen vom nahenden Frühling aus seinen eisigen Fesseln befreit werden. Er wird den Sommer nicht überstehen - schmelzen, zerbrechen und am Ende verschwunden sein. Jeder Tauchplatz ist vergänglich und jeder Tauchgang ist einzigartig – vielleicht liegt ja aber auch gerade hierin ein Teil des Reizes?
Der deutsch-norwegische Veranstalter Northern Explorers blickt auf mehr als zehn Jahre Taucherfahrung in Grönland zurück. Das Tauchen an Eisbergen im Winter findet im März und April statt. Wetter- und Eisbedingungen können erheblich variieren. Die Expeditionen finden in Kleinstgruppen von etwa 5 bis 6 Teilnehmern statt. www.northern-explorers.com
Danke an Sven Gust (northern-explorers.com), Fotos Franco Banfi (wildlifephototours.ch) & Uli Kunz (uli-kunz.com)