21.09.2008 17:57
Kategorie: News
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Der Zaunkönig vom Starnberger See
Starnberg: Am vergangenen Mittwochabend gegen 19.30 Uhr sprengten Spezialisten einen Torpedokopf im Starnberger See (siehe DiveInside Meldung). Die Identifizierung wurde von Oliver Meise (Taucher.Net) anhand des Bildmaterials und der Beschreibung von Lino von Gartzen durchgeführt. Im folgenden die Hintergründe zur „Torpedobombe“ von Starnberg.
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(Klick zum Vergrössern) - © Marcus Thier |
Da deutsche Torpedos den Durchmesser von 53,3cm hatten, war mein Interesse geweckt und ich bat um weitere Details und Unterwasserbilder. Da das Objekt aber nicht sieben Meter lang war wie ein deutscher Torpedo sondern nur rund 2m der Länge nach maß, hielt ich es vorerst für unwahrscheinlich dass sich ein Torpedo nach Starnberg verirrt haben sollte. Wie denn auch?
Torpedos wurden zu 98% bei der Marine verwendet. Und die schießt ihre Torpedos draußen auf offener See. Das Torpedoerprobungskommando lag 1944/45 bei Kiel, das Torpedoarsenal West in Tostedt und das Torpedoarsenal Mitte in Rudolstadt. Die Torpedoversuchsanstalt in Eckernförde hatte zwar noch jeweils eine Abteilung in Gotenhafen und in Neubrandenburg –aber das ist immer noch weit von Starnberg entfernt.
Ein Anschlussteil des Gefechtskopfes (© Lino von Gartzen)
Könnten die seinerzeit nahen Dornierwerke Ursprungsquelle des Torpedos sein? Eher nicht. Die in der Luftwaffe eingesetzten Torpedoflugzeuge waren solche des Fabrikats Junkers und Heinkel. Außerdem baute Dornier Flugboote für die Luftwaffe. Diese verfügten über keine Torpedobewaffnung.
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(Klick zum Vergrössern) - © Deutsches U-Boot Museum |
Der T5 mit der offiziellen Tarnbezeichnung „Zaunkönig“ war jedoch ein spezieller Torpedo, bei dem es einen guten Grund gab weshalb kein Aufschlagzünder verwendet werden konnte: Im Kopfteil des Torpedos musste ein empfindliches Mikrophon untergebracht werden. Warum?
Der Krieg zu See wurde in Europa im Schwerpunkt gegen die Royal Navy geführt. U-Boote gegen Geleitzüge aus Handelsschiffen, die Wehrmaterial aus den USA nach England brachten. 1943 ereignete sich der „Schwarze Mai“ für die U-Bootwaffe. Die Alliierten setzten neuartige U-Jagdmethoden ein. Reihenweise wurden deutsche U-Boote von Zerstörern versenkt. Um die U-Jäger dennoch effektiv angreifen zu können, mussten neue Mittel her: Ein Torpedo mit einem Mikrophon im Kopf, der die Maschine feindlicher Kriegsschiffe ansteuert und somit das Schiff versenkt. Einen „Zerstörerknacker“. Zum Glück brauchte man den Torpedo nicht vollkommen neu zu konstruieren. Der aus fünf Sektionen bestehende Akustiktorpedo konnte bei drei Sektionen (Batteriekammer, Motorkammer und Apparatekammer) auf die Baugruppen des bereits lange im Kriegseinsatz verwendeten G7e-Torpedos zurückgreifen. Nur die beiden vorderen Sektionen –der Kopf und das Kopfteil mit dem Mikrophon mussten neu konstruiert werden.
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(Klick zum Vergrössern) - © Deutsches U-Boot Museum |
Diese Übtorpedos sind „Dummies“ die zu Schulungszwecken z.B. von U-Boot- oder Schnellboot –Kommandantenschülern verschossen werden. Eine Gefährdung des Schulbetriebes durch ein anbringen von Sprengladungen in Übtorpedos ist nicht vorstellbar.
Wäre es eine scharfe Version des T5 gewesen, so hätten sich im Gefechtskopf 273kg Hexanit befunden. Die angebrachte 7,5kg-Schlagladung hätte diese zur Detonation gebracht. Dies hätte deutlich(!) andere Resultate gezeitigt als sie am Mittwoch in Starnberg zutage traten.
Fazit: Bei dem Objekt im Starnberger See hat es sich wahrscheinlich um die beiden vorderen Sektionen eines Zaunkönig-Dummys gehandelt. Dieser ist wahrscheinlich bei Kriegsende absichtlich verschleppt und entsorgt worden, damit er nicht in die Hände des Kriegsgegners fallen möge.


