Die flexible Welt der Oktopusse: Naturwunder und Inspiration für die Robotik

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12.09.2025 17:30
Kategorie: News

Studien zeigen, wie Oktopusse ihre Arme gezielt einsetzen

Oktopusse sind wahre Meister der Beweglichkeit und Flexibilität. Ihre Arme ermöglichen eine erstaunliche Bandbreite an Verhaltensweisen, von der Nahrungssuche bis zur Bewegungsnavigation in komplexen Unterwasserlandschaften. Neue wissenschaftliche Studien beleuchten nun detailliert, wie diese Tiere ihre Arme in der Natur gezielt nutzen und welche Prinzipien sich daraus für die Entwicklung moderner Roboter ableiten lassen.

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Einer der führenden Forscher auf diesem Gebiet, Chelsea Bennice von der Florida Atlantic University, hat in einer Untersuchung den Einsatz der Arme bei wildlebenden Oktopussen in verschiedenen natürlichen Lebensräumen erforscht. Dabei wurde herausgefunden, dass die vorderen vier Arme in etwa 64 Prozent der beobachteten Fälle für Explorationen, das Tasten und gezielte Bewegungsaktionen verwendet werden, während die hinteren Arme eher für die Fortbewegung zuständig sind. Besonders häufig kommen die hinteren Arme beim Rollen über den Meeresboden oder beim Hochstrecken zum Einsatz – Bewegungsmuster, die zur Fortbewegung am Grund dienen.

Hintergrund

Das Nervensystem der Tintenfische ist hierarchisch aufgebaut und größtenteils dezentralisiert. Das Zentrum bildet das zentrale Gehirn, das für komplexe Steuerungs- und Lernprozesse verantwortlich ist.

Der Großteil der Neuronen im Nervensystem sitzt direkt in den Armen. Die Arme verfügen über ein eigenes peripheres Nervensystem, das sogar mehr Neuronen enthält als das Gehirn mancher Wirbeltiere. Diese neuronale Versorgung in den Armen ermöglicht es den Tintenfischen, viele Bewegungen und Reaktionen eigenständig auszuführen, ohne dass das zentrale Gehirn aktiv eingreifen muss.

Die Nervenzellen in den Armen steuern die Muskelbewegungen, Deformationen und die sensorische Wahrnehmung direkt vor Ort. Dabei sind die Arme durch eine Vielzahl von Nervenfasern miteinander verbunden, was eine koordinierte Bewegung und schnelle Reaktion auf Umweltreize erlaubt. Dieses dezentrale Nervensystem macht die Arme der Oktopusse unglaublich anpassungsfähig und flexibel, da sie eigenständig mit der Umwelt interagieren und reagieren können.

Verhalten ähnlich wie Primaten

Die Studie basiert auf der Analyse von 25 Videoclips, aufgenommen zwischen 2007 und 2015 im Atlantik und in der Karibik, und umfasst die Arten Gemeiner Oktopus (Octopus vulgaris), Octopus insularis und Octopus americanus. Insgesamt untersuchten die Wissenschaftler 15 verschiedene Verhaltensweisen, die durch zwölf unterschiedliche Armbewegungen sowie vier typische Bewegungsmuster charakterisiert werden. Dabei zeigte sich, dass die Arme nicht nur vielseitig einsetzbar sind, sondern auch eine Art funktionale Spezialisierung aufweisen: Die vorderen Arme sind vor allem für das Erkunden der Umwelt zuständig, während die hinteren vor allem der Fortbewegung dienen – vergleichbar mit Verhaltensweisen von Primaten.

Diese aufgabenspezifische Nutzung der Arme ist bei Tieren bisher eher bei Säugetieren oder Vögeln bekannt. Für Oktopusse ist es eine der ersten wissenschaftlich belegten Hinweise auf eine solche funktionale Arbeitsteilung. Die Erkenntnisse sind nicht nur für die Zoologie interessant, sondern könnten auch die Entwicklung smarter Roboterarme revolutionieren. Der Nachbau der Bewegungsprinzipien wird von Wissenschaftlern bereits als vielversprechender Ansatz gesehen, um flexiblere und anpassungsfähigere Robotiksysteme zu entwickeln.

Die Natur zeigt, wie außergewöhnlich die Fähigkeiten der Oktopusse sind. Ihre Fähigkeit, die Arme je nach Aufgabe gezielt zu steuern und zu dehnen, ermöglicht es ihnen, in den unterschiedlichsten Lebensräumen und bei verschiedenen Beutefang-Techniken effektiv zu agieren. Mit Blick auf die Technik bedeutet dies: Wenn Roboterarme künftig ähnlichen Bewegungsreichtum und Flexibilität besitzen, könnten sie in Bereichen wie Medizin, Rettungsdiensten oder Umweltüberwachung eine bedeutende Rolle spielen.

Zusammengefasst demonstrieren die Forschungen nicht nur die hohe Anpassungsfähigkeit der Oktopusse im natürlichen Umfeld, sondern bieten eine wertvolle Inspirationsquelle für innovative Technologien. Die Natur bleibt damit auch in einer zunehmend digitalisierten Welt ein Vorbild für die Entwicklung smarter, flexibler Systeme.

Original-Studie - Nature.com: https://www.nature.com/articles/s41598-025-10674-y