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29.12.2016 10:19
Kategorie: Biologie

Der Dorsch im Süßwasser

Von Harald Mathä – Gerhard Zauner aus Hallstatt gewidmet

Eines schönen Tages vor langer Zeit im steirischen Grundlsee. Ein damals noch junger Taucher entdeckt in 14 Metern Tiefe einen eigenartigen Fisch. Einer, der ihn anglotzt und keinerlei Anstände macht zu flüchten. Vorsichtig nähert sich der Taucher und erinnert sich an Bilder, die er einige Wochen vorher gesehen hat. Doch dann passiert, womit er nicht gerechnet hat!

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Der junge Taucher war ich. Damals in den 90er Jahren war ich jedes Wochenende im Salzkammergut zum Tauchen unterwegs. Besonders gerne kehrte ich in Hallstatt im Hallberghof ein, um Tauchlegende Gerhard Zauner zu lauschen und in seinen Fotoalben zu blättern. Unglaublich, was die Froschmänner in den 70er und 80er Jahren alles aus den Seen holten und was für sensationelle Tauchevents sie damals organisierten! Neben viel Kriegsgerät, das auf den alten Fotos zu sehen war, fiel mir ein Flossenträger besonders auf: Die Aalrutte! Ein Fisch, der gegenüber Tauchern ganz besonders zutraulich schien.

Etwas später entdeckten wir endlich eine große Aalrutte im Grundlsee und jener in der Einleitung beschriebene junge Taucher begann 20 cm vor dem Fisch seinen Finger langsam hin und her zu bewegen. Er hätte aber niemals im Leben damit gerechnet, dass schon zwei Sekunden später der Fisch diesen Finger tief im Maul hatte und nicht mehr losließ. Ich war von diesem Angriff vollkommen überrascht und begann meine Hand wie wild zu schütteln. Doch die Rutte dachte nicht im Traum daran die fette Beute loszulassen. Während ich den ersten und bislang einzigen Unterwasserkampf meines Lebens führte, kam von meinem Buddy nicht die geringste Unterstützung. Der führte seinen eigenen Kampf! Der Kampf vor lauter Lachen den Lungenautomat nicht auszuspucken und durch die teils geflutete Maske doch noch zu sehen wie es mit mir weiterging... So ein Schuft! Nach gefühlt endlosen Minuten lies das Monster von mir ab und verschwand in der aufgewirbelten Schlammwolke. Mein  Zeigefinger blieb ohne Verletzungen, der 6 mm Neoprenfäustling auch. Nachdem ich die Schlammwolke verlassen hatte, entdeckte ich meinen Tauchpartner. Mit vollgelaufener Maske und noch immer ungewöhnlich schwer atmend. Daran sollte sich bis ans Ufer zurück nichts ändern. Wenn ich mich richtig erinnere, lachte er noch immer als wir schon den Koppenpass runterfuhren... In der darauffolgenden Zeit hatte ich es nicht immer leicht, dann die Geschichte verbreitete sich rasch... Inzwischen ist Gras darüber gewachsen und 20 Jahre später ist es eine lustige Anekdote. Aber mit einem Fisch zu spielen, habe ich seither nie wieder probiert!

Informationen Aalrutte (Rutte, Quappe, Trüsche, Aalraupe)
Familie: Dorsche (Gadidae)
Englisch: Burbot
Lat: Lota lota
Größe: bis 90 cm, meist ca. 40 cm
Aussehen: Wie ein gestauchter Aal; oft hübsch gemustert und mit einer Bartel unterm Maul.
Lebensraum: Bodenbewohner, 10 bis 200 Meter
Nahrung: meist Fisch und Fischlaich
Verbreitung: von den Alpenseen über Flüsse bis ins Brackwasser
Verwechslungsmöglichkeit: keine
Gefährdungsstatus: Gefährdet (A), stark gefährdet (D)

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Von Fischern gehasst

Aalrutten ernähren sich meist von kleineren Fischen und von Fischlaich. Diese Fischeier sind energiereich, da fett- und eiweißhaltig sowie leicht zu erbeuten. Diese Eigenschaft machte Aalrutten bei Fischern zu gehassten Laichräubern, die für schwindende Fischbestände verantwortlich gemacht wurden. Da wurde vor keiner Methode zurückgeschreckt um die Rutten zu eliminieren. Weiß man aber über ökologische Zusammenhänge etwas Bescheid, erkennt man rasch, dass ein „gesundes“ Jäger-Beute Verhältnis nicht nur für den Fischbestand gut ist, sondern auch für ein naturnahes, artenreiches Gewässer sorgt. Wirtschaftliche Bedeutung hat die Aalrutte kaum, da sie einerseits schwer zu fangen und andererseits selten ist. Daran könnte sich demnächst aber etwas ändern, denn ein österreichischer Lebensmitteldiscounter investiert am Mondsee, um den attraktiven Speisefisch nachhaltig zu züchten und in Zukunft anbieten zu können.

In der Nacht und im Winter aktiv

Tagsüber ruhen Aalrutten in größerer Tiefe oder verstecken sich. Bei guter Möglichkeit sich zu tarnen, wird man die Rutte so gar nicht, oder erst wenn sie sich bewegt entdecken. Erst in der Dämmerung werden die nachtaktiven Fische „munter“ und kommen in geringere Tiefen um zu jagen. Mit ihrer einzelnen, vor dem Kinn befindlichen Bartel, können sie auch im Boden versteckte Beute aufspüren. Steigen die Temperaturen im Wasser sind die Fische inaktiv und nehmen kaum Nahrung zu sich. In diesem recht lethargischen Zustand kann man sie gut beobachten und fotografieren. Aber reizen oder ihr gar den Stinkefinger zeigen, sollte man ganzjährig unterlassen! ;-)

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Aalrutten mögen´s kalt

Liegt die Wassertemperatur zwischen null und vier Grad dann finden die Fische es so richtig geil und es geht rund im See. Wenn am Seeufer noch Schnee liegt und die Eiszapfen von den Dächern hängen, dann gibt das Weibchen nach erfolgreicher Befruchtung etwa eine Million winziger Eier pro kg Eigengewicht ab. Durch Öltröpfchen schwimmen diese im Freiwasser und können weit getrieben werden. Im Frühjahr schlüpfen die Larven. Rutten werden mit einer Länge von 20-30 cm und einem Alter von 3-4 Jahren geschlechtsreif und werden bis 25 Jahre alt.

Zusammenfassung

200 Dorsch Arten gibt es weltweit, aber nur eine einzige lebt im heimischen Süßwasser: Die Aalrutte. Der unverwechselbare Fisch ist aber selten geworden. Teils durch gezielte Ausrottung, da er im Ruf steht, ein übler Laichräuber zu sein. Zudem setzen dem Fisch in seiner Paarungszeit im Winter die Kormorane übel zu.