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Bilder, die zählen
Bericht von Ralph Schill
Unterwasserfotografie ist weit mehr als ein kreatives Hobby: Sie spielt eine zentrale Rolle in Citizen-Science-Projekten. Mit Fotos von Tieren, Pflanzen und aquatischen Lebensräumen liefern Hobbytaucher und Schnorchler wertvolle Daten für die Forschung. Gleichzeitig wecken die Aufnahmen die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit für den Schutz der Unterwasserwelt und zeigen ihre oft verborgene Schönheit. So verbindet Unterwasserfotografie Leidenschaft mit aktivem Arten- und Naturschutz.
Viele kennen das Gefühl: Plötzlich tauchen größere Fische auf, man drückt hastig auf den Auslöser – und erst beim Durchsehen der Fotos nach dem Tauchgang erkennt man, welch seltenes Glück man gehabt hat. Ein ganz besonderer Glückstreffer gelang so Mandy Laicht aus Kamen beim Schnorcheln vor den Seychellen bei Cerf Island, die einen Rochen fotografierten. Das Bild mag bei keinem Unterwasser-Fotowettbewerb Preise gewinnen, doch für die Wissenschaft ist es von unschätzbarem Wert: Denn es zeigt eine echte Rarität.
Der prächtige Adlerrochen Aetomylaeus vespertilio (Bleeker, 1852) ist der größte Vertreter der Adlerrochen (Familie Myliobatidae). Mit einer Flossenbreite von über 3 m und einer Gesamtlänge von bis zu 6 m, einschließlich seines langen, peitschenartigen Schwanzes, ist er beeindruckend groß. Die Art ist jedoch selten und bisher wenig erforscht. Aufgrund unregulierter Fischerei in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebiets und ihrer generellen Anfälligkeit für Überfischung wird ein Rückgang der Population um mehr als 50 % in den letzten drei Generationen (ca. 45 Jahre) vermutet. Daher steht A. vespertilio auf der Roten Liste der IUCN als vom Aussterben bedroht.
Trotz ihrer Größe und auffälligen Musterungen sind Sichtungen lebender Tiere extrem selten. Die wenigen bekannten Nachweise stammen meist aus der Fischerei, und Fotos oder direkte Beobachtungen sind rar. In den letzten Jahren konnten durch soziale Medien und Beiträge von Citizen Scientists nur etwa 50 neue Sichtungen von 2018 bis 2025 dokumentiert werden. Solche zusätzlichen Belege sind besonders wertvoll, um das Wissen über die Verbreitung dieser bedrohten Rochen zu erweitern – vor allem aus Regionen, in denen sie bisher nicht nachgewiesen wurden.
Weltweit nur wenige Sichtungen dokumentiert
Aetomylaeus vespertilio lebt in Küstengewässern bis mindestens 110 m Tiefe und kommt in tropischen und subtropischen Regionen des Indo-Pazifik vor. Er wird häufig über Korallenriffen sowie Sand- und Schlammflächen gesichtet. Das bekannte Verbreitungsgebiet reicht von Ost-Australien über Südchina, Indonesien, Palau, die Philippinen, Malaysia, Indien, die Malediven und die Seychellen bis zum Roten Meer. Einzelne Berichte stammen aus Südafrika und Mosambik.
In den letzten Jahren wurden weltweit nur wenige Sichtungen dokumentiert. Auf den Seychellen gab es 2022 eine Beobachtung nordöstlich von Silhouette Island, 2024 eine weitere zwischen Cousine Island und noch eine im selben Jahr nördlich von Grand Anse.
Umso schöner ist es, dass nun erneut aus dieser Region eine Sichtung dokumentiert werden konnte – zufällig, dank Mandy, die mich während einer studentischen Exkursion der Universität Stuttgart im The Breakers und an der Orca Tauchbasis in Soma Bay kennengelernt hat. Wie viele weitere wertvolle Aufnahmen von seltenen Arten wurden wohl gemacht, ohne dass ihre wissenschaftliche Bedeutung erkannt oder geteilt wurde?
Ein herzliches Dankeschön an Mandy für diesen großartigen Fund! Ich möchte alle ermutigen: Macht eure besonderen Beobachtungen mit Kamera fest und stellt sie der Wissenschaft zur Verfügung – jede Aufnahme zählt.
Hinweis: Wer ebenfalls spannende Daten oder Fotos beitragen kann, kann sich gerne bei Prof. Dr. Ralph O. Schill unter ralphschill@bio.uni-stuttgart.de melden oder über die gemeinnützige Organisation aquatil – für Bildung und Forschung unter Wasser: www.aquatil.org.
Auf der internationalen Wassersportmesse boot Düsseldorf findet ihr ihn am aquatil-Stand 11I17 und auf der Bühne in Halle 11 beim Vortrag „Bilder, die zählen“.