Der ewige Kampf gegen Shark-Finning

Teile:
12.12.2013 09:35
Kategorie: News

Interview mit Gerhard Wegner, Sharkproject

Gerhard Wegner, Sharkproject - Ausstellung Haitanic
G.Wegner bei der Eröffnung der Sharkproject Ausstellung "Haitanic"

Gerhard Wegner (fast 62) ist seit zwölf Jahren Präsident von Sharkproject. Der Kampf gegen das Finning und gegen die industrielle Ausrottung der Haipopulation haben ihn stets begleitet; ohne Geld, ohne Macht in seiner Freizeit und stets ehrenamtlich!

Soeben kehrte er aus Mittelamerika zurück und beendete einen viele Jahre andauernden Kampf in Costa Rica mit der Verleihung des weltweit renommierten Haischutz-Awards "Shark Guardian of the Year 2013" an Laura Chinchilla Miranda, die Präsidentin des mittelamerikanischen Landes Costa Rica (siehe Newsmeldung vom 3.12.13). Wir haben mit Gerhard Wegner gesprochen und eine kleine Bilanz gezogen.

TN: Gerhard, wie fühlt man sich als "Kopf einer obskuren Organisation, als Verräter der sich hüten sollte abends im Dunkeln nachhause zu gehen"?
GW.: Na das ist ja mal ein toller Einstieg...! Hmm... ich weiß, worauf du anspielst, und ich möchte da eigentlich nun keine weiteren Diskussionen mehr entfachen. Es waren zumeist anonyme Beschimpfungen und Drohungen aus dem Umfeld einer Organisation, deren Mitglieder eigentlich unsere Motive ehren und die erreichten Erfolge respektieren sollten.

Laura Chinchilla Miranda und Gerhard Wegner
Laura C. Miranda und Gerhard Wegner in Costa Rica

TN: Es geht um die Verleihung des Awards "Shark Guardian of the Year 2013" an Laura Chinchilla Miranda, die Präsidentin Costa Ricas. War das ein weiser Entschluss und der Sache – dem Haischutz – dienlich?
GW: Ja! Unbedingt! Und wir und unsere costa-ricanische Partnerorganisation 'Prtetoma' stehen 100prozentig zu der Verleihung, denn diese Frau hat sich als Politikerin vorurteilsfrei informiert, sich ein objektives Bild gemacht, gegen Lobbies mutig und beherzt gehandelt und damit dem Haischutz einen großen Dienst erwiesen. Costa Rica war eine der Haupt-Drehscheiben des internationalen Handels mit Haiflossen. Die Strukturen sind dort inzwischen zerschlagen, Fabriken und Umschlagplätze geschlossen, das Finninggesetz endlich umgesetzt und der Import von Flossen verboten. Alles zusammen ein riesiger Schritt in die richtige Richtung. Die Präsidentin hat mit ihren Aktivitäten auch für eine breite Basis der Zustimmung in den führenden politischen Gremien und in der Bevölkerung gesorgt. Ein mutiger Schritt, der im Endeffekt  Costa Rica auch die Leitrolle beim Cites-Schutz von Hammerhaien und Weißspitzen-Hochseehaien übernehmen ließ. Gründe genug für unseren Positiv-Award für die Präsidentin.

TN: Wie geht man angesichts solcher Resultate mit solchen herben Beschimpfungen um?
GW:  Man muss unterscheiden, wo es herkommt. Anfeindungen, Beschimpfungen und Drohungen begleiten unseren Kampf schon seit Anbeginn. Aber eigentlich immer von dem wirklichen Feind – der Finning-Mafia. Erstmals haben wir dieses Mal Anfeindungen von Mitgliedern einer anderen Organisation bekommen. Das tut weh, denn diese Kraft könnte man gemeinsam besser einsetzen. Aber wie auch immer:  Ich bin schon x-Mal gegen die Wand gelaufen, denn es geht auch bei einigen Tierschutzorganisationen um viel Geld, um Macht und auch um Geltungsbedürfnis. Andere Meinungen sind erlaubt.  Trotzdem meine ich, sollte man zuerst miteinander reden und dann sachlich miteinander streiten. Dann gäbe es auch keine persönlichen Beleidigungen, wie in diesem Fall gegen mich und meine Familie – und auch die Trittbrettfahrer, die alles nur nachplappern oder nur aus alter Feindschaft übel nachreden wollen, hätten keine Chance. Das würde viel Kraft und Energie sparen.

Projekt im Roten Meer - Sharkproject
Projekt "Weißer Hai" im Roten Meer (2007)

TN: Klingen da auch ein wenig Frust und Resignation heraus?
GW: Ein ganz deutliches und klares: NEIN!! Ganz im Gegenteil! Wir haben viel erreicht und noch einen langen Weg vor uns. Ich habe in den letzten 12 Jahren meine Freizeit, meine Energie und Kraft neben meinem Beruf nur in den Dienst dieses Kampfes gestellt. Und ich werde diesen Kampf nie im Leben beenden, denn ich möchte nicht stumm mit den Schultern zucken, wenn mich meine Enkelkinder in einigen Jahren einmal fragen, was ich denn so gegen diesen Wahnsinn damals unternommen habe. Wir alle müssen wach sein, engagiert am Ball bleiben und uns nicht einschüchtern lassen.

TN: Gerade ist euer letztes Projekt mit großem Erfolg angelaufen, das neue interaktive Buch "Blind Dates", der erfolgreiche Roman "Finning" auch auf Spanisch (El Aleteo) erschienen und von der Präsidentin Costa Ricas als Schirmherrin begleitet worden, und euer Web-TV-Engagement hat auch sehr schöne Erfolge zu verzeichnen. Was gibt’s noch zu tun?
GW: Jede Menge. Es gibt aktuell einen weltweiten Trend gegen das Finning. Immer mehr Nationen bannen das Geschäft mit den Flossen. Das gilt es zu festigen. Da müssen wir weiter agieren und eine weltweite Lobby bilden. Dazu braucht es Aufklärung, denn immer noch ist die Angst vor dem Hai das größte Problem des Haischutzes. Dafür schreiben wir Bücher, wie aktuell "Blind Dates" – aber vor allem ist es die Aktivierung der jungen Menschen, die entscheidend sein wird.

Unser größtes Ziel in 2014 ist die Intensivierung unserer Schulprogramme. Dazu wird es ab Januar neue Schulpakete geben und das in den wichtigsten Sprachen. Costa Rica wird z.B. unser Lehrprogramm gegen Plastik im Meer (siehe auch Informationen zu Plastikmüll im Meer) einführen und mit vielen anderen Ländern sind wir in Verhandlungen. Das geschieht im Übrigen gemeinsam mit den Ocean-Ranger Stationen von SSI im Rahmen der gemeinsamen Initiative "Mission Deep Blue". In Deutschland, Österreich und der Schweiz – unseren Mutterländern – geht die bereits begonnene Schulkampagne weiter. Dazu haben wir mit Michel, dem kleinen Weißen Hai eine besondere Identifikationsfigur für Kinder geschaffen. Von Michel gibt es inzwischen zwei Kinderbücher, ein Hörbuch, ein eigenes Lied, ein Puppentheater für Schulen und vieles, vieles mehr. Wenn ich jetzt beginne, unsere Projekte für 2014 aufzulisten, höre ich nicht mehr auf.

Der Kampf von Sharkproject: gegen Finning
Der ewige Kampf gegen das barbarische Finning

TN: Wenn du die zwölf Jahre von 'sharkproject' nun bilanzieren müsstest. Was sind die größten Veränderungen, Erfolge, die ihr mit bewirkt habt?
GW: Als wir anfingen, war die Angst vor dem Hai in der breiten Öffentlichkeit so ausgeprägt, dass für Haischutz keine Lücke blieb. Unsere Erkenntnis damals: Niemand schützt etwas, vor dem er sich fürchtet. Deshalb war die Entkriminalisierung des Tieres Hai damals unsere größte Aufgabe. Da hat sich extrem viel verändert. Gerade der letzte Unfall vor Hawaii bei dem eine deutsche Urlauberin von einem Hai gebissen wurde, hat das mehr als deutlich gezeigt. Waren die Journalisten damals bei der Wadenattacke gegen Erich Ritter nur auf Blut und Sensation aus, so war es dieses Mal - rund 12 Jahre später - völlig anders. Damals wie heute, habe ich gefühlt rund 100 Interviews gegeben; in Radiosendungen, TV-Beiträgen und Zeitungsmeldungen.

Die Tendenz war dieses Mal völlig anders. Die Journalisten waren objektiv und in den Meldungen wurde der Tod der Urlauberin zwar bedauert, aber auch auf die Gefährdung der Haie hingewiesen und die Seltenheit solcher Angriffe. Ich denke bei diesem Umdenken, waren wir Vorreiter.  Inzwischen wird unsere Arbeit weltweit von anderen Haischutzorganisationen adaptiert. Und das sehen wir keinesfalls kritisch- denn nur gemeinsam können wir gewinnen.  Und schön, wenn unsere Arbeit so erfolgreich ist. Leider auch so erfolgreich, dass wir heute eher vor dem "Schoßtier Hai" warnen und etwas zurückrudern müssen. Haie sind keine Monster aber sie sind auch keine Schoßtiere, wie es manche Taucher vermuten, wenn sie zu intensiven Kontakt suchen. Das ist auch das Fazit unseres neuen Buches "BLIND DATES". Den Titel haben wir nicht umsonst genommen.

Gerhard Wegner, Sharkproject
Weitere Erfolge von SHARKPROJECT sind sicherlich unser langjähriger Kampf gegen das Finning oder gegen Haifleisch im Lebensmittelhandel.  Hier sind unsere Mitglieder weltweit aktiv, mit aktuellen Kampagnen in Costa Rica, den Azoren, Deutschland und China. Und vieles, vieles mehr...

Und bevor die Frage aufkommt : Nein – ich habe keine Ahnung, wie wir das alles mit so wenig Mitteln, so wenig Aktiven und zusätzlich noch als rein ehrenamtliche Organisation überhaupt geschafft haben. Ich denke, es ist das Riesenengagement unseres Teams, das alle diese Hürden überwindet.  Nicht abwarten und zweifeln – sondern einfach tun!  Das ist unser Motto und auch das Geheimnis unseres Erfolges.

TN: Vor Jahren hieß es einmal: Es ist fünf Minuten vor zwölf! Wie spät ist es heute?
GW: Positiv ausgedrückt 6 Minuten vor 12. Noch keine Zeit für eine Entwarnung, aber viel besser als vor 12 Jahren.

Das Gespräch mit Gerhard Wegner führte Harald Apelt.