Bis[s] der Arzt kommt. Prophylaxe und Behandlung bei Bissverletzungen

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13.08.2012 15:12
Kategorie: Medizin


Im Meer tummeln sich eine Reihe von Lebewesen, die potenziell bedrohlich werden können – von denen der Mensch sicherlich das Gefährlichste ist. Innerhalb der Gattung des Homo sapiens hat sich zumindest eine Gruppe den Lebensraum "Meer" erobert, sodass man zwischen tauchenden und nichttauchenden Arten unterscheidet.

Tauchende Arten zeigen wiederum Unterarten, die völlig verschiedene Verhaltensmuster zeigen. So verletzt zum Beispiel der gemeine Großflossentaucher gewöhnlich durch heftiges Flossenschlagen, während der JoJo-Taucher durch seinen typischen Schwimmstil den größten Schaden anrichtet. Andere Zeitgenossen imponieren durch aufwendige und illustre Behänge in Form von gleich mehreren Flaschen oder grellen Mimikri-Anzügen. Angriffe durch Bisse wurden bis dato weltweit jedoch noch nicht dokumentiert...


Bericht von Dr.Anke Fabian

Für Bissverletzungen sind in der Regel andere Gattungen, Arten und Klassen verantwortlich, unter anderem die der Kiefermäuler (Unterklasse Knorpelfische, z.B. der Hai) oder die der Stachelflosser (Barschverwandte, z.B. der Barrakuda oder der Drücker).

Angriffe von Haien mit und ohne Bissverletzungen werden seit vielen Jahren weltweit in unterschiedlicher Häufigkeit dokumentiert (Quelle ISAF). Lebensgefährliche Angriffe sind im Grunde selten und bei genauer Betrachtung durch ganz verschiedene Auslöser "getriggert", also ausgelöst.

Über Haiangriffe gibt es eine weltweite Datenbank: Die International Shark Attack File (ISAF). Durch Datenerhebung seit 1900 zeigte sich ein deutlicher Zuwachs von Haiangriffen, der jedoch im Wesentlichen eher eine Zunahme des Badetourismus und der Wassersportarten widerspiegelt, als dass Haie über die Jahre angriffslustiger geworden wären. Demgegenüber ist die Letalitätsrate (Anzahl der tödlichen Haiangriffe) drastisch gesunken.


Regeln:

kein mittauchendes marines Lebewesen stören oder ärgern – weder unter noch über Wasserniemals Tiere unter Wasser füttern (Haie, Muränen)Territorien respektieren (Drücker)
nichts anfassen oder in Löcher/Höhlen greifen (Muränen)Die Aufklärung und Schulung der Bevölkerung, der Ausbau von medizinischen Notfall- und Rettungsketten mit dem Einsatz von AEDGeräten sowie einer besseren Notfallversorgung zeigen hier eine deutliche Wirkung. Todesfälle nach Haibissen erfolgen meistens nicht direkt, sondern durch Gewebeverlust, Blutungen, Panik und Ertrinken. Über Bissverletzungen von anderen Fischen (z.B. Barrakuda) gibt es keine weltweite Datensammlung.

Vorbeugen ist besser als Heilen


Die beste Prophylaxe ist ein umfassendes Wissen über die Verhaltensmuster und Regeln der mit-tauchenden Bevölkerung im jeweiligen Gewässer. Da sich die meisten Gattungen, Arten und Klassen jedoch als eher beratungs- und lernresistent erweisen, ist der tauchende Homo Sapiens gut beraten, sich kundig zu machen. Nicht dass diese Art immer leicht zu belehren wäre, aber am Ende ist auch der beratungsresistenteste Großflossentaucher noch gelehriger als ein Barrakuda, dem beizubringen wäre, dass ein Probebiss nicht nötig ist.

Was tun, wenn etwas passiert ist?


Allgemeines: Ein Taucher, der gebissen wurde, muss sofort aus dem Wasser gebracht werden.
Regel Nummer 1: Opfer unter Eigenschutzmaßnahmen bergen und aus der Gefahrenzone bringen. Große Bissverletzungen sehen meist schlimm aus – ein Schreck für alle Beteiligten.
Regel Nummer 2: Ruhe bewahren. Der betroffene Taucher wurde angegriffen– das ist meist ein psychischer Schock.
Regel Nummer 3: Der Verletzte braucht ruhigen Zuspruch und darf nicht allein gelassen werden.


Rettungsmaßnahmen


Deine eigene Sicherheit hat Vorrang!Bergung des Verletzten aus der GefahrenzoneLagerung des Verletzten gemäß Bewusstseinslage (evtl. stabile Seitenlage)Genaue Untersuchung des Verletzten, auch unter Kleidungsstücken oder TauchanzugBefragung (wenn möglich) nach den Verletzungsumständen. Gift involviert?Erste Hilfe und weiterführende medizinische Maßnahmen je nach VerletzungsartHilferuf absetzen und wenn nötig Organisation des Transports in das nächste geeignete Krankenhaus oder andere medizinische EinrichtungWiederbelebung, wenn nötig

Erste Hilfe


Wundversorgung
Überprüfe die Wunde auf Fremdkörper durch vorsichtiges Auseinanderziehen der Wundränder oder ganz sachtem Druck an den Seiten Richtung Wundmitte und frage nach einer stechenden Empfindung. Eingedrungene Fremdkörper- oder Fremdmaterial (z.B. Barrakudazähne) kann man durch vorsichtiges Spülen oder Benutzung einer Pinzette entfernen.

Ausgiebiges und zeitnahes Spülen der Wunde. Zögere nicht, auch einfallsreiche Spüllösungen zu verwenden (jedes Trinkwasser kann genommen werden bis zu Weltweite Haiangriffe Bier) – alles ist besser als ein Bakterien-durchtränkter Tierbiss. Die zurzeit am besten geeigneten Wirkstoffe zur Wunddesinfektion sind Octenidin, Povidon-Iod und Polihexanid.

Kontrolle der Blutung:
Blutet eine Wunde, erscheint der Blutverlust meist größer, als er tatsächlich ist. Umgebendes Wasser färbt sich schnell rot und die Menge an roter Flüssigkeit erscheint furchterregend und lebensbedrohlich. Solange kein dicker, pulsierender Blutstrahl aus einer Arterie schießt, kann man erst einmal Ruhe bewahren. Presse ein möglichst sauberes Tuch oder Kompresse direkt auf die Wunde und halte sanften Druck, bis die Blutung steht. Falls die Wunde klafft oder die Ränder gezackt sind, muss sie wahrscheinlich genäht werden. Anlegen eines Druckverbandes direkt auf die Wunde. Achte auf die periphere Durchblutung an Fingern und Zehen (diese werden dann blass und kühl – dann bläulich und kalt). Die Blutversorgung darf nicht so stark abgeschnürt werden, dass diese taub werden.

Im Falle einer arteriellen unstillbaren Blutung muss unter Umständen die Extremität oberhalb der Wunde breit abgebunden werden. Dafür kann man alles verwenden, was gerade verfügbar ist – ein Tuch, ein Seil oder sogar ein Maskenband. Wenn möglich, soll bei dünnen Materialien etwas unterlegt werden, das vor Schnürfurchen schützt (z.B. ein Handtuch). Dabei ist die genaue Uhrzeit zu notieren und das Opfer schnellstmöglich in das nächste Krankenhaus zu bringen. Nach spätestens vier Stunden muss die Bandage zur Versorgung des gesunden Gewebes für kurze Zeit gelöst werden.

Verbände und Pflaster helfen, kleinere Blutungen zu kontrollieren und schützen die Wunde vor Schmutz und Sonne. Sie verbergen jedoch auch leicht die ersten Anzeichen einer Entzündung (Schwellung, Rötung). Also regelmäßig überprüfen.

Weiterführende medizinische Therapie
Bisswunden sollten aufgrund der Infektionsgefahr grundsätzlich immer ärztlich behandelt werden. Außerdem können neben großen oder kleinen schmerzhaften Schäden der Haut auch darunterliegende Gewebe, zum Beispiel Sehnen, Muskeln und Nerven, mit verletzt sein. Die ärztliche Versorgung beinhaltet: stoppen der Blutung, sachgemäße Reinigung, zum Beispiel mit Ringerlösung, ein Débridement (Abtragung zerstörter Weichteile) und Desinfektion.


Erste-Hilfe-Kit für Bisswunden


Latex-HandschuheDesinfektionsmittel z.B. Povidon-Jod (Betadine®), Octenidin (Octenisept®) oder Polihexanid (Lavasept®)Pinzette, TapeGaze, Kompressen, Pflaster, elastische Binden, MullbindenCold-packsNicht verschreibungspflichtige Schmerzmittel wie Aspirin, Ben-u-ron, IbuprufenDiagnostisch werden außer der äußerlichen Inspektion bildgebende Verfahren eingesetzt (Ultraschall, Röntgen, Kernspintomographie) um tiefer liegende Schäden zu entdecken. Aufgrund des Infektionsrisikos werden nicht alle Wunden sofort verschlossen. Abhängig vom Ausmaß und der Lokalisation ist manchmal eine plastische Chirurgie erforderlich. Üblicherweise eingesetzte Medikamente sind: Schmerzmittel, Beruhigungsmittel und Anästhetika Antibiotika, und Tetanusimpfung.

Tetanus-Schutz
Da alle großen und kleinen marinen Wunden immer ein hohes Infektionsrisiko mit sich bringen, ist ein ausreichender Tetanusschutz wichtig. Liegt die aktuelle Impfung länger als fünf Jahre zurück, sollte eine Auffrischungsimpfung durchgeführt werden.

Egal, welche Verletzung vorliegt – es ist immer gut, nicht mit leeren Händen dazustehen. Also braucht es einen Erste-Hilfe- Kasten, der für diesen Bedarf bestückt ist und der – vor allem – auch mit vor Ort ist. So sehr uns Mythen und Märchen von gefährlichen Meerstieren auch potenziell Angst machen können – das gefährlichste Tier unter Wasser ist und bleibt der Mensch. Im seltenen Fall, dass es einmal umgekehrt ist, ist es hilfreich zu wissen, was zu tun ist – und wenn es nichts mehr zu tun gibt, ist es noch wichtiger, darüber nachzudenken, was passiert ist und wie der Unfall zu vermeiden gewesen wäre.

Leitfaden


Hygienemaßnahmen Hände waschen (wenn Zeit) – HandschuheBlutung stillenWundreinigung (ausgiebiges Spülen)WunddesinfektionWunde abdecken

Weiteres Vorgehen

Kleinere Verletzungen:
Beobachtung der Wunde bzw. des Heilungsprozesses
Größere Verletzungen:
Verletzten Körperteil ruhigstellen, wenn möglich hoch lagern und den Patienten möglichst rasch zum Arzt weiterleiten.